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GWB-Novelle setzt Unternehmen einem weiteren Standortrisiko aus

DIHK sieht gravierende europarechtliche Zweifel
Richter-Hammer vor Europa-Flagge

Die Pläne zum deutschen Wettbewerbsrecht gehen über europäische Vorgaben hinaus

© MarianVejcik / iStock / Getty Images Plus

Mit den einschneidenden Änderungen, die nun am Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vorgenommen werden sollen, beschreiten die Regierungsfraktionen nach Einschätzung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) "einen ungewissen Sonderweg außerhalb der EU-Vorgaben".

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Prof. Dr. Stephan Wernicke

© DIHK / Paul Aidan Perry

Am 6. Juli soll der Deutsche Bundestag die GWB-Novelle beschließen. Die Konsequenzen beschreibt DIHK-Chefjustiziar Stephan Wernicke so: "In Deutschland aktive Unternehmen müssen künftig selbst dann mit gravierenden Eingriffen des Bundeskartellamts wie Verhaltensvorgaben und Preisfestsetzungen rechnen, wenn sie sich völlig rechtmäßig verhalten."

Die Novelle verstärke neben dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und den zunehmenden Investitionsprüfungen "die Tendenz, rechtlich korrektes Verhalten von Unternehmen als mögliche 'Hochrisiko-Aktivität' einzustufen", kritisiert er. Davon könnten gerade auch für die Klimatransformation oder die Digitalisierung relevante Märkte betroffen sein.

"In einer Marktwirtschaft ist aber nicht der Staat entscheidender Garant gegen hohe Preise, sondern insbesondere ein funktionierender Wettbewerb selbst", so Wernicke weiter. "Leider entfernt sich das neue GWB nun von diesem Ziel. Denn es setzt hiesige Unternehmen und Investoren aus Drittstaaten einem weiteren Standortrisiko aus."

Rechtssichere Vorgaben fehlen

Daran änderten auch die beschlossenen Anpassungen am Regierungsentwurf wenig. "Das Bundeskartellamt kann nun sogar ohne großen Aufwand auf die Anwendung des bisherigen Wettbewerbsrechts verzichten", stellt Wernicke klar. "Es gibt zwar Fortschritte, etwa die geplante Anbindung der 'Störung des Wettbewerbs' an das Verhalten der Unternehmen und deren Bedeutung für die Marktstruktur. Die Gesetzesformulierungen bleiben aber leider zu unbestimmt."

Weitere neue Anpassungen, wie die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen, sind nach Auffassung des DIHK-Chefjustiziars "eher selbstverständlich angesichts möglicher schwerer Eingriffe in rechtmäßig handelnde Unternehmen". Sein Resümee: "Insgesamt fehlen der Novelle damit rechtssichere Vorgaben. Gravierende europarechtliche Zweifel bestehen fort."

Mit der anstehenden 12. GWB-Novelle zu Nachhaltigkeitsaspekten bestehe "die Möglichkeit zur Überprüfung der nun erfolgten Neuausrichtung des Wettbewerbsrechts", schlägt Wernicke vor. "Diese muss dringend genutzt werden."

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Hildegard Reppelmund Referatsleiterin Wettbewerbsrecht, Kartellrecht, Vergaberecht, Wirtschaftsstrafrecht | Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin)

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Thomas Renner Pressesprecher | Chef vom Dienst