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Vorzeitige Vertragslösung muss kein Ausbildungsabbruch sein

Achim Dercks: Oftmals Wechsel als Ausdruck einer noch laufenden Orientierung
Drei Frauen und ein Mann arbeiten sichtlich unter Druck in einer Profi-Küche

Gerade in Branchen wie etwa der Gastronomie ist es wichtig, dass potenzielle Azubis vorab die Arbeitsbedingungen kennenlernen

© Maskot / Getty Images

Ein gutes Viertel der 2021 gestarteten Ausbildungsverträge wurde vorzeitig wieder gelöst, das meldete jetzt das Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB). Die Quote der endgültigen Abbrüche beziffert die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) jedoch nur auf etwa ein Achtel.

Nach dem diesjährigen BiBB-Datenreport zum Berufsbildungsbericht wurden 2021 – in dem Jahr mit den aktuellsten verfügbaren Daten – insgesamt 26,7 Prozent der in Deutschland neu geschlossenen Ausbildungsverträge der dualen Berufsausbildung vorzeitig wieder gelöst.

Dr. Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer

Achim Dercks

© DIHK / Werner Schuering

Damit legte die Vertragslösungsquote im Langzeitvergleich nochmals zu. Der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks wertet das jedoch nicht als Zeichen für wachsende Unzufriedenheit: "Das Steigen der Quote spiegelt tatsächlich das wachsende Angebot an offenen Ausbildungsstellen wider", erläuterte er auf Medienanfrage. Je größer die Auswahl sei, desto eher orientierten sich Azubis während der Ausbildungszeit noch einmal um, statt ihre Ausbildung im aktuellen Betrieb zu Ende zu bringen.

Große Auswahl steigert die Wechselbereitschaft

"Sie wechseln dann in einen aus ihrer Sicht attraktiveren Beruf oder ein anderes Unternehmen und unterschreiben einen neuen Ausbildungsvertrag", so Dercks. "Das Lösen eines Vertrages bedeutet also nicht automatisch einen endgültigen Ausbildungsabbruch. Der Anteil an wirklichen Ausbildungsabbrüchen liegt daher deutlich niedriger – bei aktuell rund 13 Prozent."

Der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer betont: "Vertragslösungen sind legitim. Manchmal passt es zwischen Betrieb und Azubi einfach nicht. Und ein Wechsel des Berufs ist wie ein Wechsel eines Studienfachs auch Ausdruck einer noch laufenden Orientierung junger Menschen."

Legitim, aber unerfreulich

Dennoch sei jede Vertragslösung natürlich eine zu viel: "Sie bedeutet vergebliche Investitionen für den Betrieb, einen Umweg für den Azubi und häufig auch eine Enttäuschung auf beiden Seiten. Unsere Betriebe sind mehr denn je darauf angewiesen, dass Azubis ihre Ausbildung erfolgreich beenden. Denn wer heute nicht ausgebildet wird, fehlt morgen als Fachkraft."

Ein ganz wichtiges Instrument, um gegenzusteuern, sei eine zielgerichtete und frühzeitige Berufsorientierung. Dercks: "Wer realistische Vorstellungen von der Welt der Berufe hat, trifft deutlich öfter schon in der ersten Runde die für sich persönlich richtige Wahl." Er verwies auf das gute und erfolgreiche Angebot der "Ausbildungsbotschafter", das von immer mehr Schulen genutzt werde: Azubis, die aus ihren Betrieben in die Schulen gehen und auf Augenhöhe von ihrer Ausbildung berichten.

Praktika und Arbeitgeberattraktivität helfen

"Junge Menschen sollten außerdem so frühzeitig wie möglich Praktika absolvieren und ihre Wünsche mit der betrieblichen Wirklichkeit abgleichen", fuhr Dercks fort. Dies sei besonders wichtig für Branchen, in denen häufiger Verträge gelöst würden – beispielsweise im Hotel- und Gaststättenbereich, wo Beschäftigte und Azubis oft auch dann arbeiten müssten, wenn andere frei hätten.

"Viele Betriebe haben die Zeichen der Zeit erkannt und versuchen, sich attraktiver für den Nachwuchs zu machen", lobte er. "Sie gestalten ihre Hierarchien flacher, warten mit moderner Technik auf oder geben Anreize wie Prämien für gute Lernergebnisse, Zuschüsse zum Deutschland-Ticket oder ein Abo fürs Fitness-Studio. Bei Schwierigkeiten während der Ausbildung können auch berufs- und lebenserfahrene ehemalige Fachkräfte durch eine individuelle Begleitung Ausbildungsabbrüchen vorbeugen."

Programm "VerA" zur Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen

In dem von der DIHK mitinitiierten Mentorenprogramm VerA (Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen) engagiert sich der Senior Experten Service (SES) seit 2008 für junge Menschen, denen die Ausbildung schwerfällt. Erfolgsrezept ist die persönliche Ausbildungsbegleitung durch erfahrene Ruheständler nach dem Tandem-Prinzip. Im Mittelpunkt der VerA-Begleitungen können private Sorgen, soziale Probleme, schulische Defizite oder Schwierigkeiten im Ausbildungsbetrieb stehen. Ziel ist es, junge Menschen in ihrer Eigenverantwortung und Lernmotivation so zu stärken, dass sie ihre Ausbildung mit Erfolg fortsetzen und beenden. Mehr unter vera.ses-bonn.de.

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Mann im Haus der deutschen Wirtschaft
Markus Kiss Referatsleiter Ausbildungspolitik und -projekte

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Porträtbild Petra Blum, Pressesprecherin
Petra Blum Pressesprecherin