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EU-Kommission startet Europäisches Semester 2026

Stärkerer Fokus auf Wettbewerbsfähigkeit, Produktivität und Innovation
Valdis Dombrovskis und Roxana Mînzatu am Stehpult

EU-Kommissar Valdis Dombrovskis und EU-Kommissarin Roxana Mînzatu stellen das Herbstpaket 2026 vor

© European Union, 2025

Die EU-Kommission hat am 25. November das Herbstpaket des Europäischen Semesters 2026 vorgelegt. Damit startet der neue Zyklus der wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Koordinierung in der EU – mit klaren Prioritäten: Wettbewerbsfähigkeit und Innovation stärken, Produktivität steigern und gezielt investieren, gerade angesichts geopolitischer Unsicherheiten und wachsender Anforderungen an Digitalisierung, Dekarbonisierung und Verteidigung.

Die wirtschaftliche Herbstprognose 2025 der EU, welche der Veröffentlichung des Herbstpakets 2026 vorausgeht, zeigt zudem: Die EU-Konjunktur bleibt widerstandsfähig, getragen von Binnennachfrage, Investitionen, nachlassender Inflation und einem weiterhin robusten Arbeitsmarkt. Für die Wirtschaft Deutschlands bedeutet das einerseits Rückenwind, andererseits gehören Produktivitätsschwäche, Fachkräftemangel, demografischer Druck und hohe Staatsausgaben weiterhin zu den zentralen Herausforderungen der EU.

Für Deutschland bestätigt die Kommission zunächst eine weitgehend konforme Haushaltsplanung für 2026. Der Entwurf des Bundeshaushalts wird somit zu den Plänen der zwölf EU-Mitgliedsstaaten gezählt, deren Ausgabenpfade den EU-Vorgaben entsprechen. Im laufenden Jahr entgeht die Bundesrepublik dank der aktivierten Ausweichklausel für Verteidigungsausgaben knapp einem Defizitverfahren: Das Staatsdefizit liegt nur 0,1 Prozentpunkte über der vorgesetzten Drei-Prozent-Grenze. Für 2026 prognostiziert die Kommission ein Defizit von rund vier Prozent des BIP. Zwar steigen die verteidigungsbedingten Mehrausgaben im Zeitraum 2021–2026 um 0,8 Prozentpunkte, doch wohl nicht genug, um die gesamte Überschreitung zu erklären. Angesichts des schwachen Wachstums, hoher Investitionsbedarfe und steigender struktureller Ausgaben steht der fiskalische Kurs der Bundesrepublik somit unter besonderem Druck. Damit könnte Deutschland im kommenden Jahr ein Defizitverfahren drohen, auch wenn die finalen Daten von 2025 noch ermittelt werden müssen. Zurzeit unterliegt gut ein Drittel der EU-Mitgliedstaaten einem solchen Defizitverfahren.

Erstmals legt die Kommission eine EU-weite Empfehlung zur Stärkung des Humankapitals vor, um durch gesonderte Maßnahmen besonders jene demografischen Herausforderungen anzugehen, die der europäischen Wettbewerbsfähigkeit am meisten schaden. Angesichts des Fachkräftemangels und neuer Anforderungen an Technologien, Energie und Industrie fordert die Kommission mehr Investitionen in Aus- und Weiterbildung (insbesondere in den Bereichen Transformation, Kreislaufwirtschaft, Dekarbonisierung und Biotechnologie), stärkere MINT-Kompetenzen und eine bessere Vermittlung grundlegender Fähigkeiten, was laut Kommission, gemeinsame Anstrengungen von Staat und Unternehmen erfordere. Für Deutschland, mit großem Bedarf an Arbeits- und Fachkräften entlang der industriellen Transformation, sind diese Empfehlungen besonders relevant.

Die Analyse des europäischen Arbeitsmarktes beruht dabei auf den Erkenntnissen des ebenfalls im Paket enthaltenen Gemeinsamen Beschäftigungsberichts, der EU-weit geringe Produktivitätszuwächse und verbreitete Fachkräfteengpässe observiert. 

Die Kommission legt im Rahmen des Europäischen Semesters auch einen Europäischen Makroökonomischen Bericht vor. Er bildet die analytische Basis für die politischen Empfehlungen an die Eurozone und analysiert zentrale Risiken sowie Hebel für mehr Wettbewerbsfähigkeit – von Produktivität und strukturellen Verwundbarkeiten bis zu Innovation, Binnenmarktvertiefung und privatem Kapital. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der hohen Sparquote in Europa und der Frage, wie eine mögliche Spar- und Investitionsunion Kapital besser innerhalb der EU lenken könnte. Zudem untersucht der Bericht die makroökonomischen Folgen steigender Verteidigungsausgaben, inklusive der Wirkung verschiedener Ausgabentypen wie inländische Investitionen und Forschungsausgaben. Schließlich zeigt er Wege auf, wie Europa seine industrielle Kapazität stärken kann – etwa durch koordinierte Beschaffung.

In den kommenden Monaten beraten die Eurogruppe und der Rat über das vorgelegte Herbstpaket. Die Kommission kündigt zudem einen intensiveren Austausch mit den Mitgliedstaaten und Sozialpartnern an. Die eigentlichen länderspezifischen Empfehlungen folgen dann im Frühjahr 2026 – und werden entscheidende Leitplanken dafür sein, wie Deutschland seine fiskal- und wirtschaftspolitischen Spielräume für Wettbewerbsfähigkeit, Transformation und Investitionen effektiver nutzen kann.

Kontakt

Kramer, Lorenz
Lorenz Kramer Referatsleiter Wirtschaft in Europa