Der Übergang zu einer CO2-neutralen EU-Wirtschaft setzt erhebliche private und öffentliche Investitionen voraus. Dies erfordere zum einen eine Definition dessen, was als nachhaltig gelten könne. Zum anderen benötige es Anreize, in noch stärkerem Maße als bisher Investitionen in eine klimaneutrale Wirtschaft zu lenken. Dies beschreibt der Rechnungshof in einem gemäß Artikel 287 Absatz 4 Unterabsatz 2 des EU-Vertrages veröffentlichten Sonderbericht.
Unsicherheit über „grüne“ Investitionen in EU-Programmen
Es sei unklar, welche Investitionen als klima- und umweltfreundlich gelten könnten, schrieb der Rechnungshof. Das habe dazu geführt, dass unterschiedliche Kriterien für grüne Investitionen bei verschiedenen Finanzierungsprogrammen der EU angewandt worden seien. Deshalb sei es dringend erforderlich, dass die Europäische Kommission die sogenannte Taxonomie - ein Klassifizierungssystem für nachhaltige Investitionen - fertigstelle und einheitlich anwende.
Im Gegenzug müssten die Kosten klimaschädlicher Maßnahmen stärker berücksichtigt werden, zum Beispiel durch eine höhere Bepreisung von Treibhausgasemissionen oder die Ausweitung des EU-Emissionshandels. "Nicht nachhaltige Geschäfte sind immer noch zu gewinnbringend“, so Eva Lindström, die zuständige Berichterstatterin des ERH. Ihrer Auffassung nach sollte der Markt die Auswirkungen nicht nachhaltiger Tätigkeiten auf Umwelt und Gesellschaft künftig einpreisen. Hier sei der „Aktionsplan der Kommission für ein nachhaltiges Finanzwesen“ von 2018 noch unvollständig. Außerdem sei er bislang nicht im Ganzen umgesetzt worden. Auch die Taxonomie müsse um zusätzliche, wissenschaftliche Kriterien erweitert werden.
Rolle der Europäischen Investitionsbank stärken
Der Bericht unterstreicht außerdem die Rolle, die der Europäischen Investitionsbank (EIB) für ein nachhaltiges Finanzwesen zukommt. Sie sei unabhängig und könne daher noch besser als der Europäische Fonds für strategische Investitionen (EFSI) – als Vorgänger des aktuellen Kommission-Förderprogramms InvestEU – dafür Sorge tragen, dass Investitionen in eine nachhaltige und klimaneutrale Wirtschaft dort vorgenommen würden, wo es am dringendsten sei: in Mittel- und Osteuropa.
Der Prüfungsbericht solle sich nach Auffassung seiner Ersteller am besten sogleich auf die Umsetzung der von der Kommission Anfang Juli 2021 veröffentlichten „Strategie zur Finanzierung einer nachhaltigen Wirtschaft“ auswirken. Mittel- und langfristig müssten der Grundsatz "Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen" (do no significant harm) und die Kriterien der EU-Taxonomie konsequent auf den gesamten EU-Haushalt Anwendung finden.
Für die Wirtschaft bleibt wichtig: Die vor zwei Wochen mit dem Rahmenwerk für grüne Anleihen gestartete Transparenzoffensive der EU-Kommission kann nur der Anfang gewesen sein. Nachhaltige private Investitionen der Unternehmen machen den Unterschied. Die EU-Kommission selbst geht davon aus, dass von den europaweit jährlich für die komplette Dekarbonisierung benötigten Klima-Investitionen in Höhe von 1 Billion Euro pro Jahr nur etwa 200 Milliarden Euro aus EU-Töpfen kommen könnten. Staatliche Stellen, national und auf Ebene der EU, kommt die wichtige Aufgabe zu, hierfür die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen. In jedem Falle ist mit geschätzten 800 Milliarden Euro der erhebliche Teil an Klimainvestitionen von der privaten Wirtschaft zu stemmen. Hierzu sind vor allem auch mehr Freiräume für unternehmerische Investitionen nötig, anstatt wirtschaftliche Tätigkeiten über Gebühr zu regulieren.