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Bundesbank mahnt zu Vorsicht bei breiten Fiskalmaßnahmen

Strukturelle Defizite und hohe Unsicherheiten prägen die Finanzplanung
An Finanzplanung

© marketlan / iStock / Getty Images Plus

Das gesamtstaatliche Defizit wird nach den Prognosen der Bundesbank in diesem Jahr trotz der erheblichen finanzpolitischen Lasten durch die Bewältigung der energie-, sozial- und verteidigungspolitischen Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine sinken. Dafür sind vor allem die auslaufenden fiskalischen Corona-Maßnahmen verantwortlich. Auch die Schuldenquote wird zurückgehen.

Die Bundesbank geht auch für das kommende Jahr von einem sinkenden Defizit aus, sofern die Coronakrise nicht zurückkehrt und sich die Folgen des Krieges in der Ukraine nicht verschärfen. Während vor der Coronakrise noch strukturelle Überschüsse verzeichnet wurden, erwartet die Bundesbank für die kommenden Jahre aber deutliche strukturelle Defizite. Vor allem beim Bund sind danach Defizite angelegt. Zwar plant die Bundesregierung, die Schuldenbremse ab 2023 wieder einzuhalten. Sie sieht dafür jedoch vor, zur Finanzierung einen Teil der allgemeinen Rücklage (aktuell rund 49 Milliarden Euro) einzusetzen, was ein entsprechend höheres Defizit zur Folge hat. Noch umfangreichere Defizite werden in den Sondervermögen des Bundes erwartet. Dies betrifft insbesondere das geplante Bundeswehr-Sondervermögen und den Energie- und Klimafonds (EKF). Die zusätzlichen Defizitspielräume der Sondervermögen sowie aus der Rücklage im Kernhaushalt belaufen sich zusammen auf etwa 230 Milliarden Euro. Sofern man eine Ausschöpfung bis zum Ende des aktuellen Finanzplanungszeitraums 2026 unterstellt, wird das Defizit in den Jahren 2023 bis 2026 im Durchschnitt fast 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts höher liegen als ohne diese Spielräume.

Hohe Unsicherheit in der Finanzplanung hält an

Allerdings sind die Aussichten für das laufende Jahr und die weitere Entwicklung in hohem Maße unsicher. So könnten sich die Kriegsfolgen noch verschärfen und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zusätzlich beeinträchtigen. Dann könnten auch weitere finanzwirksame Stützungsmaßnahmen beschlossen werden. Zudem ist schwer vorherzusehen, wie die Mittel bei den Sondervermögen des Bundes in den einzelnen Jahren abfließen werden. In den vergangenen Jahren war dies bei nahezu allen Sondervermögen teilweise schleppend. Offen ist auch noch, ob das Bundesverfassungsgericht die Zuführung von 60 Milliarden Euro Ende 2021 an den EKF für zulässig erachtet.

Bundesbank sieht aktuell keine Notwendigkeit weiterer fiskalischer Stimuli

Nach Ansicht der Bundesbank fällt die konjunkturelle Erholung zwar gedämpfter aus als zuvor erwartet, kommt aber nicht zum Erliegen. Vor allem existieren angebotsseitige Verwerfungen unter anderem durch globale Lieferkettenstörungen, und insgesamt hat ein breit angelegter Preisdruck eingesetzt. In einer solchen Wirtschaftslage erachtet die Bundesbank zusätzliche kreditfinanzierte Nachfrageimpulse als wenig wirksam. Sie können sogar den Preisdruck verstärken.

Im Fall einer ungünstigeren Entwicklung im Jahresverlauf wirken dann zunächst die automatischen Stabilisatoren, wie zum Beispiel das Kurzarbeitergeld. Dennoch könnten jenseits der automatischen Stabilisatoren auch weitere fiskalische Stabilisierungsmaßnahmen angezeigt sein. Aus Sicht der Bundesbank wäre aber selbst im Fall des Fortbestehens von Angebotsengpässen und einem hohen Preisdruck ein breiter, kreditfinanzierter staatlicher Nachfrageimpuls weiterhin nicht empfehlenswert. Zusätzliche staatliche Hilfen wären dann idealerweise auf bedürftige Haushalte und Unternehmen zu konzentrieren.

Ein breit angelegter Fiskalstimulus wäre dagegen für den Fall zu erwägen, dass sich eine gravierende Nachfrageschwäche abzeichnet – etwa bei einem stärkeren Einbruch der Exportmärkte oder bei größeren Finanzmarktverwerfungen mit Rückwirkungen auf die Realwirtschaft. Bei solchen Rahmenbedingungen wäre zu erwarten, dass der grundlegende Preisdruck nachlässt und die expansive Finanzpolitik auf unterausgelastete Kapazitäten trifft.

Bundesbank: Akut betroffene Unternehmen unterstützen, ohne Transformation zu bremsen

In ihrer Analyse von Fiskalmaßnahmen betont die Bundesbank die hohe Wirksamkeit von Preissignalen, insbesondere in Bezug auf die Nutzung von Energie. Staatliche Maßnahmen sollten diese Signalfunktion nicht in toto stören. Für Unternehmen, die durch Kostensprünge, unterbrochene Lieferketten oder Lieferverbote stark beeinträchtigt werden, gibt es mit Transfer-, Bürgschafts- und Kreditprogramme relativ zielgenaue Mittel, wenn sie stärker betroffenen Unternehmen vorbehalten sind. Zudem sollten solche Maßnahmen so ausgestaltet werden, dass sie sich einerseits auf temporäre Krisenfälle begrenzen und andererseits die nötige Transformation nicht behindern.

Neuverschuldung 2022 führt zu zusätzlicher Tilgungspflicht ab 2028

Nach Bereinigung der Nettokreditaufnahme in Höhe von 139 Milliarden Euro in diesem Jahr um die Konjunkturkomponente (acht Milliarden Euro) und finanzielle Transaktionen (drei Milliarden Euro) prognostiziert die Bundesbank eine strukturelle Nettokreditaufnahme von 128 Milliarden Euro in 2022. Damit wird die nach der Schuldenbremse zulässige Regelkreditgrenze um 116 Milliarden Euro überschritten. Dieser Betrag fällt unter den verpflichtenden Tilgungsplan und führt zu einer Tilgungsbelastung ab 2028 in Höhe von 3,2 Milliarden Euro.

Kontakt

Portätbild Kathrin Andrae
Dr. Kathrin Andrae Referatsleiterin Öffentliche Finanzen