Pfadnavigation

EuGH entscheidet zur deutschen Organschaft im Umsatzsteuerrecht

Wegweisende Urteile lassen Fragen offen
Ng Organschaft im Umsatzsteuerrecht

© Luis Alvarez / DigitalVision,/ Getty Images

Sind so genannte Innenumsätze zwischen den Mitgliedern einer umsatzsteuerlichen Organschaft steuerpflichtig? Diese für die Zukunft der Organschaft aus Sicht der Unternehmen entscheidende Frage bleibt offen. Hierzu müssen die Folgeentscheidungen des BFH abgewartet werden. Klarheit schafft der EuGH zur Frage des Steuerpflichtigen und zur Beurteilung der so genannten finanziellen Eingliederung. Einzelheiten erfahren Sie hier.

Die umsatzsteuerliche Organschaft war in den letzten Jahren immer wieder Gegenstand gerichtlicher Verfahren, was deren rechtskonforme Anwendung für alle Beteiligten nicht immer vereinfacht hat. Nunmehr hatte der Bundesfinanzhof (BFH) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in zwei so genannten Vorabentscheidungsverfahren mehrere Fragen vorgelegt, die die deutschen Vorschriften zur Organschaft und deren Zukunft für Unternehmen und Finanzverwaltung in den Grundfesten erschüttern konnten.

Wer ist Steuerpflichtiger?

Auf die Frage, ob das deutsche Recht den Organträger als Steuerpflichtigen der Gruppe vorsehen darf oder aber ausschließlich die Mehrwertsteuergruppe als solche den Steuerpflichtigen bilden kann, bestätigte der EuGH das deutsche Recht. Er führt in beiden Entscheidungen (Urteile C-141/20 und C-269/20 vom 1. Dezember 2022) fast wortgleich aus, dass grundsätzlich zwar die Mehrwertsteuergruppe (in Deutschland: Organschaft) an sich der Steuerpflichtige ist. Gleichwohl kann auch ein Mitglied dieser Gruppe – nämlich wie in Deutschland vorgesehen ihr Organträger – zum einzigen Steuerpflichtigen für Mehrwertsteuerzwecke bestimmt werden. Geknüpft ist diese Ausnahme daran, dass der Organträger in der Lage sein muss, seinen Willen bei den anderen Mitgliedern dieser Gruppe durchzusetzen. Zudem darf daraus keine Gefahr von Steuerverlusten resultieren.

Finanzielle Eingliederung auch ohne Stimmrechtsmehrheit

Eine Absage erteilte der EuGH der restriktiven deutschen Regelung, das Vorliegen einer Organschaft unter anderem an die Bedingung knüpft, dass der Organträger zusätzlich zu einer Mehrheitsbeteiligung an der Organgesellschaft über eine Stimmrechtsmehrheit bei ihr verfügen muss. Damit dürfte die bisherige nationale Verwaltungsregelung zur finanziellen Eingliederung in Abschn. 2.8 Abs. 5 Satz 2 Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) nicht mehr haltbar sein. Ebenso wird das von der nationalen Verwaltungsauffassung geforderte Über-/Unterordnungsverhältnis beziehungsweise die Eingliederung mit Durchgriffsrechten vom EuGH als zu restriktiv betrachtet.

Offen lässt der EuGH allerdings, wie der Organträger seinen Willen bei den anderen Mitgliedern der Gruppe durchsetzen können soll, wenn er nicht über eine Stimmrechtsmehrheit verfügt.

Offen bleibt Behandlung von Innenumsätzen

Trotz der Zugehörigkeit zur Organschaft sieht der EuGH die Mitglieder der Gruppe dennoch als selbständig an. Ob sich das auf die Nichtsteuerbarkeit von Innenleistungen zwischen Mitgliedern der Mehrwertsteuergruppe auswirkt, bleibt offen. In einem der Urteile geht der EuGH zwar davon aus, dass die Organgesellschaft an den Organträger entgeltliche Leistungen erbringen kann. Er trifft aber keine ausdrückliche Aussage zur Steuerbarkeit dieser Leistungen. Zugleich betont der EuGH, dass in einer Mehrwertsteuergruppe alle Mitglieder zu einem Steuerpflichtigen „verschmelzen“ und nur eine Mehrwertsteuernummer erhalten. Dies dürfte aber der Annahme entgegenstehen, dass die Leistungen Umsatzsteuer auslösen können. Denn auf beiden Seiten stünde sich derselbe Steuerpflichtige gegenüber.

Hoffnung auf Klärung durch Folgeurteile des BFH

Die Hoffnung liegt nun bei den Folgeentscheidungen des BFH. Im Anschluss an die EuGH-Entscheidungen sind zwar keine gravierenden Abweichungen zu den von diesen aufgestellten Grundsätzen zu erwarten. Insbesondere zur Frage der Nicht-Steuerbarkeit von Innenumsätzen wird entscheidend sein, wie der BFH die Grundsätze des EuGH ganz konkret ausfüllt. Es bleibt also weiterhin spannend.

Kontakt

Portraitfoto Brigitte Neugebauer
RA Brigitte Neugebauer Referatsleiterin Umsatzsteuer, Verfassungsrecht | Syndikusrechtsanwältin