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EU-Kommission legt lang angekündigtes Entlastungspaket für KMU vor

Einige gute Ansätze, die sich aber in der Praxis bewähren müssen
Hand schreibt mit einem Stift auf einem Klemmbrett

Mit dem Entlastungspaket will die Kommission ein lang angekündigtes Vorhaben einlösen

© VioletaStoimenova / E+ / Getty Images

Die Europäische Kommission hat am 12. September ihr so genanntes KMU-Entlastungspaket vorgelegt, das bereits vor einem Jahr angekündigt worden war. Hauptbestandteile sind eine Verordnung zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs und ein Vorschlag für ein neues hauptsitzbasiertes Steuersystem für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU).

Daneben kündigt die Kommission im Rahmen ihrer Mitteilung weitere Initiativen zur Entlastung der Unternehmen an. Dieser Vorstoß ist aus Wirtschaftssicht grundsätzlich positiv. Die Frage ist, ob das Paket seinen Zweck erfüllt und zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen KMU beiträgt.

Das Maßnahmenpaket soll aus Sicht der EU-Kommission drei Kernziele verfolgen:

  1. Kurzfristig Abhilfe schaffen
  2. Die langfristige Wettbewerbsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit von KMU fördern
  3. Faire und KMU-freundliche Rahmenbedingungen ermöglichen

Auf Basis von Umfragen des Eurobarometers identifizierte die EU-Kommission die größten Probleme für KMU in der Europäischen Union: 55 Prozent regulatorische Hindernisse und Verwaltungsaufwand, 35 Prozent Zahlungsverzögerungen, 21 Prozent Zugang zu Finanzmitteln, 17 Prozent Verfügbarkeit von Fachkräften. Die Maßnahmen des KMU-Entlastungspakets gliedern sich entsprechend in vier Bereiche:

  1. Vereinfachungen: Dies umfasst bessere Rechtssetzung, Vereinfachungen durch Digitalisierung, aber auch von Verwaltungsabläufen und Berichtspflichten.
  2. Besserer Zugang zu Finanzmitteln: Hierunter fällt vor allem die Überarbeitung der Vorschriften zum Zahlungsverzug, Vorschläge zur besseren Nutzung der bestehenden EU-Programme durch KMU und zur größeren Beteiligung im öffentlichen Auftragswesen sowie ein erleichterter Zugang zu nachhaltiger Finanzierung für KMU.
  3. Fachkräftesicherung: durch Qualifizierungs- und Fördermaßnahmen.
  4. Unterstützung bei Gründung und Übertragung von Unternehmen

Zu den Vereinfachungen zählt auch eine Richtlinie zur Steuervereinfachung für KMU. Das neue hauptsitzbasierte Steuersystem soll grenzüberschreitend tätigen Unternehmen Erleichterungen bringen.

Bessere Rechtsetzung

Auch im Bereich "Bessere Rechtsetzung" stellte die Kommission ihre Erfolge sowie Pläne für die letzten Monate der Legislatur vor. Die langfristige Anwendung des KMU-Tests war ein richtiger Schritt, jedoch muss weiterhin an der konsequenten Anwendung gearbeitet werden, sodass KMU bei Folgenabschätzungen nicht außer Acht gelassen werden. Die Kommission bezieht sich in ihrem KMU-Entlastungspaket auf weitere sowie neue Bestandteile des Tests:

Der KMU-Filter sowie der Wettbewerbsfähigkeits-Check. Beide Instrumente sind laut der Mitteilung erst seit 2021 beziehungsweise 2022 im Einsatz und haben bisher wenig spürbare Erfolge hinterlassen bzw. es sind wenige praktische Informationen dazu vorhanden. Ähnliches gilt für das "One-In-One-Out"-Prinzip (OIOO), welches die Kommission nun seit 2022 anwendet. Ob die Umsetzung des OIOO-Prinzips zu tatsächlichem Bürokratieabbau geführt hat, ist nicht erkennbar. Hauptgrund dafür sind fehlende transparenzschaffende Übersichten, die zeigen in welchen Politikbereichen OIOO erfolgreich angewendet wurde. 

Auch wenn die Kommission, dem KMU-Entlastungspaket nach, nun die freien Stellen des Ausschusses für Regulierungskontrolle ("regulatory scrutiny board") besetzt hat, werden die Bewertungen dessen in zahlreichen Fällen übergangen. Ein regelmäßiges Übergehen dieser Qualitätskontrolle hat zur Folge, dass Gesetzesvorschläge oftmals nicht KMU-gerecht sind. Die lang erwartete Benennung eines KMU-Beauftragten wurde im KMU-Entlastungspaket und der State of the European Union Rede von Ursula von der Leyen aufgegriffen. Seit 2019 ist die Stelle unbesetzt und soll besetzt werden.  

Für die deutsche Wirtschaft ist die in der Mitteilung erwähnte Förderung von Reallaboren (Sandboxes) eine positive Maßnahme, die den Praxisbezug von Gesetzesvorschlägen sicherstellen kann. Zudem sollen KMU längere Übergangsfristen erhalten. Ein positiver Schritt, ebenso wie die Ankündigung von Leitfäden zur Umsetzung von Rechtsvorschriften, die künftig veröffentlicht werden sollen. 

Überprüfungs- und Verfallsklauseln für Rechtsakte, ähnlich der häufig im amerikanischen Recht zu findenden "Sunset Clauses", sind aus Sicht der Unternehmen ebenfalls sinnvolle Maßnahmen, die im KMU-Entlastungspaket erwähnt wurden. Diese Klauseln institutionalisieren Möglichkeiten bürokratische Hürden abzubauen oder in der Praxis schwer umsetzbare Gesetze nach Ablauf eines gewissen Zeitraums zu vereinfachen. Auch die Vorschläge der Kommission bezüglich der Verbesserung der interinstitutionellen Zusammenarbeit sind vielversprechend.  

Weiterhin gilt jedoch, dass den Ankündigungen der Kommission zum Bürokratieabbau Taten folgen müssen. Dazu zählt insbesondere das Versprechen der Kommission, konkrete Vorschläge für die Kürzung der Berichtspflichten um 25 Prozent vorzulegen. Dies soll Mitte Oktober erfolgen. 

Arbeitskräftesicherung für KMU

Das KMU-Entlastungspaket stellt auch die kontinuierliche Qualifizierung und Förderung der Arbeitskräfte in KMU in den Fokus. Dies soll unter anderem durch Unterstützung von Schulungsmaßnahmen, die durch groß angelegte Kompetenzpartnerschaften im Rahmen des Kompetenzpakts der EU durchgeführt werden, um Kompetenzen mit dem Bedarf der KMU auf dem europäischen Arbeitsmarkt in Einklang gebracht werden.

Des Weiteren wird die Kommission bis Ende 2023 einen EU-Talentpool und eine Initiative zur Verbesserung der Anerkennung von Qualifikationen von Drittstaatsangehörigen präsentieren, um Qualifikationslücken auf dem EU-Arbeitsmarkt durch Fachkräfte aus Drittstaaten zu verringern. Sie will außerdem das derzeit unausgeschöpfte unternehmerische Potenzial von bestimmten Personengruppen wie Frauen, jungen Menschen und Menschen mit Behinderungen durch Sensibilisierungs-, Mentoring- und Coaching-Kampagnen stärken.


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Sandra Zwick Referatsleiterin Europapolitik, EU-Finanzierungsinstrumente, EU-Außenwirtschaftsförderung
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Kathrin Riedler, Referatsleiterin EU-Bildungs- und Beschäftigungspolitik, EU-Fachkräftesicherung

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