Der Vorschlag sieht konkret vor, dass sowohl die Stromerzeugung aus Erdgas als auch aus Kernkraft im Rahmen der EU-Taxonomie unter bestimmten Voraussetzungen als nachhaltig im Sinne des Klimaschutzes eingestuft werden können. Beide Stromerzeugungsarten werden in der Taxonomie als Übergangstechnologien klassifiziert.
Das Europäische Parlament wird voraussichtlich Anfang Juli über die Annahme der Ausschussberichte als Gesamtposition abstimmen. Bis zum 11. Juli haben sowohl das EU-Parlament als auch der Rat für eine mögliche Ablehnung des Vorschlags der EU-Kommission Zeit. Während dies im Rat eine verstärkte qualifizierte Mehrheit voraussetzt (20 Mitgliedstaaten, die über 65 Prozent der EU-Bevölkerung vereinen), kommt es im Europäischen Parlament lediglich auf eine einfache Mehrheit an.
Für die deutsche Wirtschaft ergibt sich eine Relevanz der Einordnung aus der andauernden Abhängigkeit Deutschlands von der Erdgas-Verstromung. Dieser basiert wiederum auf dem Ausstieg aus Kernenergie und Kohle sowie aus einem stark beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien. Eine mögliche Einstufung der Kernkraft als nachhaltige Stromerzeugungstechnologie würde sich ebenfalls auf die deutsche Wirtschaft auswirken. Damit ginge etwa die nachhaltige Klassifizierung von mit Kernkraft erzeugtem Wasserstoff einher. Auch die Wettbewerbssituation deutscher Energieversorger steht unter dem Einfluss dieser Entwicklung.
Die Taxonomie-Verordnung stellt ein auf verschiedenen Nachhaltigkeitszielen beruhendes Klassifizierungssystem wirtschaftlicher Tätigkeiten dar. Über die Finanzmärkte und die Unternehmensfinanzierung sollen damit Klimaziele aus dem Green Deal erreicht werden. Für die Realwirtschaft hat die Verordnung deshalb eine hohe Bedeutung. Praktisch zum Beispiel in Form weitreichender Berichterstattungspflichten und durch Beeinflussung von unternehmerischen Finanzierungsbedingungen. Die für die Energiewirtschaft geltenden Regeln und Nachhaltigkeitskriterien dürften darüber hinaus einen erheblichen Einfluss auf die Energiewende haben.