In starren Zeitleisten und Strukturen gedacht, war Norman Tschorsnyg ziemlich spät dran. Eigentlich sogar zu spät, immerhin hatte das Ausbildungsjahr längst begonnen, als der heute 20-Jährige Ende 2018 bei Christian Blödner und Ronny Keppler aufschlug. Doch was sollten sie machen?
Blödner, Personalleiter bei der Silbitz Group, und Keppler, Ausbildungsleiter des Unternehmens, suchten damals noch immer Nachwuchs. Tschorsnyg suchte eine Lehrstelle, nachdem ihm klar geworden war, dass es ihm in seinem ersten Ausbildungsunternehmen als angehender Industriemechaniker nicht gefiel. "Die Arbeitszeiten …", sagt Tschorsnyg. Was also sollten sie machen?
Blödner, Keppler und Tschorsnyg dachten nicht in starren Zeitleisten und Strukturen und schlossen einen Ausbildungsvertrag. Am 1. Januar 2019 fing Tschorsnyg in der Silbitz-Gießerei in Ostthüringen als Lehrling an. Statt sich zum Industriemechaniker ausbilden zu lassen, absolvierte er schließlich eine Ausbildung zum Gießereimechaniker. Ende Januar 2022 hatte er diese Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. "Ich bin sehr zufrieden hier", sagt er heute.
Die Motivation muss stimmen
Blödner und Keppler hatten Tschorsnyg unterjährig eingestellt, viele Wochen, nachdem das Ausbildungsjahr damals begonnen hatte. Alle zwei bis drei Jahre, sagt Keppler, gewinne man auf diese Weise Nachwuchs für die Silbitz-Gießerei. "Das kann schiefgehen, aber es ist auch oft genug gutgegangen."
Dabei entscheiden aus Sicht von Blödner und Keppler weder Noten noch Bewerbungsunterlagen darüber, ob es bei einem jungen Menschen mit einem flexiblen Ausbildungsstart klappen kann oder nicht – auch, wenn beide beides nicht für völlig irrelevant halten. Vor allem aber, sagen sie, müsse die Motivation des potenziellen Lehrlings stimmen. Ebenso wie seine Vorkenntnisse, auch mit Blick auf die Berufsschule. Bei Tschorsnyg war das besonders einfach, weil die schulische Grundausbildung eines Industriemechanikers der eines Gießereimechanikers gleicht.
Keine schlechte Zeit für guten Nachwuchs
Die unterjährige Einstellung von Lehrlingen sei, sagt Blödner, nicht einmal mit mehr Papierkram verbunden als Einstellungen am Beginn des Ausbildungsjahres. Wenngleich der Leiter für Aus- und Weiterbildung bei der IHK Ostthüringen, Matthias Säckl, Unternehmen rät, in ersterem Fall frühzeitig das Gespräch mit den Ausbildungsberatern der zuständigen Kammer zu suchen. Manchmal, sagt Säckl, seien dazu bestimmte Vorprüfungen durch die Kammer erforderlich.
So sehr ist Blödner davon überzeugt, dass es eigentlich keine schlechte Zeit gibt, um guten Nachwuchs einzustellen, dass er junge Menschen sogar noch im März oder April an sein Unternehmen binden würde, also etwa ein halbes Jahr nach Ausbildungsbeginn. Falls es dann aus individuellen Gründen vielleicht wirklich schon zu spät für einen direkten Einstieg in die Lehre sei, sagt er, könne man ja auch mit einem Praktikum anfangen. "Wir machen alles möglich, wenn der Bewerber passt."