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Freiräume für Ideen voller Energie

Das Thema Nachhaltigkeit in der Berufausbildung

Ausbilder Stefan Grundig ist überzeugt, dass sich Themen wie Energiesparen sinnvoll im Ausbildungsalltag unterbringen lassen

© Michael Reichel

Die Energiekrise macht noch deutlicher, was seit Jahren schon klar ist: Auch in der Ausbildung muss thematisiert werden, wie wichtig der schonende Umgang mit Ressourcen ist. Ein Unternehmen in Thüringen setzt dabei auf das Mitmachen der Lehrlinge.

Manchmal sind Dinge ganz offensichtlich – und trotzdem braucht es junge Menschen, um sie zu sehen. Wie etwa die vielen, vielen Leuchtstoffröhren, die seit Jahren in einem hohen Gebäude auf dem Werksgelände von Mercer Rosenthal hängen. In diesem Teil der Zellstofffabrik wird ein Teil des Bleichmittels hergestellt, das in der Anlage benutzt wird. Und bislang leuchten diese nicht mehr neuen Röhren 24 Stunden lang. Jeden Tag. Auch dann, wenn sich niemand in dem Gebäude aufhält.

In Zeiten, in denen Energie ein besonders wertvolles Gut geworden ist, ist das ein Zustand, der so natürlich nicht bleiben sollte. Selbst dann nicht, wenn der Energieverbrauch dieser Lampen gemessen am Gesamtenergiebedarf der Fabrik nicht erheblich ins Gewicht fällt.

Dass ein Teil seiner Auszubildenden nun ein – im Grunde einfaches – Ersatzkonzept für diese Lampen erstellt hat, ist aus Sicht von Stefan Grundig deshalb nicht nur finanziell gut für das Unternehmen. Etwa 15.000 Euro pro Jahr ließen sich sparen, wenn nun bald umgesetzt werde, was seine Auszubildenen sich ausgedacht hätten, sagt der Ausbilder. Mehr noch: Dass die jungen Menschen sich der Lampen angenommen haben, ist aus seiner Sicht ein Beispiel dafür, wie sich der Themenkomplex Nachhaltigkeit und Energiesparen sinnvoll im Ausbildungsalltag unterbringen lässt. Dafür bräuchten die Auszubildenen Freiräume und müssten auch mal über den Tellerrand hinausschauen.

Christian Sörgel in Arbeitskleidung

Christian Sörgel, Geschäftsführer der Mercer Rosenthal GmbH

© Michael Reichel

Insgesamt fünf Papiertechnologen werden derzeit unter der Führung von Grundig bei Mercer Rosenthal ausgebildet. Das Werk steht im Südosten Thüringens, nur einen Steinwurf von der thüringisch-bayerischen Grenze entfernt. Die Berge hier sind dicht bewaldet; oder sie waren es zumindest einmal – eine Entwicklung, die nach Einschätzung von Grundig und Christian Sörgel dabei hilft, junge Menschen dafür zu sensibilisieren, wie wichtig der schonende Umgang mit Ressourcen ist. "Jeder, der in der Region aufwächst, sieht, in welchem Zustand der Wald ist, wie ihm der Klimawandel zusetzt", sagt Sörgel, der Geschäftsführer des Unternehmens. Dazu kämen die massiven Preissteigerungen für Energie im privaten Bereich, die auch die Auszubildenden spürten. Außerdem sei die Klimakrise inzwischen omnipräsent, etwa in den Medien.

An Nachhaltigkeitsbewusstsein fehle es jungen Menschen deshalb nicht, sagen Grundig und Sörgel. Und das sagt auch Matthias Säckl, der den Bereich Aus- und Weiterbildung bei der IHK Ostthüringen zu Gera leitet. "Das Thema brennt der Jugend unter den Nägeln." Womit wir wieder bei der Sache mit den Freiräumen wären. Denn dieses Bewusstsein braucht Platz, damit es sich entfalten kann.

Um diesen Raum zu schaffen, gibt es bei Mercer Rosenthal ein eigenes Managementsystem für die Ideen von Mitarbeitern. Dort können auch die Auszubildenden Vorschläge einreichen. Besonders gute und erfolgreiche Ideen werden sogar prämiert. Das, sagt Grundig, schaffe noch einmal einen zusätzlichen Anreiz für alle Beschäftigten, sich daran zu beteiligen. Ganz abgesehen davon, dass sie sich ernst genommen fühlten, wenn ihre Vorschläge umgesetzt werden. "Das muss kein Riesengeschenk sein", sagt Grundig. Am Ende gehe es um eine Form von Anerkennung für das Mitdenken, für den Blick über den Tellerrand. "Vielleicht einen Tankgutschein", sagt er.

Wie gut dieser Ansatz auch bei den Lehrlingen funktioniert, die sich mit den Leuchtstoffröhren beschäftigt haben, lässt sich auch daran erkennen, wie erkennbar stolz Nico Grünler darauf ist, dass nun wirklich das geschehen soll, was er und einige Mitauszubildenden sich ausgedacht haben: die alten Leuchtstoffröhren durch LED-Lampen austauschen und Bewegungsmelder in dem Gebäude installieren. "Wir sind ja auch viel in der Anlage unterwegs, und da ist uns aufgefallen, dass da immer Licht brennt", sagt er, der gerade sein zweites Lehrjahr als Papiertechnologe absolviert. Es fühle sich gut an, ernst genommen zu werden von seinem Unternehmen. "Auch als junger Mensch".

Krischan Ostenrath, Koordinator des Netzwerks Grüne Arbeitswelt

© Fabian Stuertz, Wila Bonn

Ein Kommentar von Krisch Ostenrath

Der Ausgleich zwischen den ökonomischen, ökologischen und sozialen Dimensionen der Arbeitswelt wird in den letzten Jahren zunehmend stärker unter dem Leitbild der Nachhaltigkeit diskutiert und umgesetzt. Gleichzeitig war es eigentlich immer schon Kern einesverantwortlichen unternehmerischen Handelns. Ob manes nun Nachhaltigkeit oder verantwortlicher Umgang mit ökonomischen, ökologischen und sozialen Grundlagen nennen mag, die Grundidee ist durchaus nicht so neu, wie man es angesichts der aktuellen Debatten um den Nachhaltigkeitsbegriff annehmen könnte. Seit Menschengedenken hat es Unternehmen und Betriebe gegeben, die über den kurzfristigen wirtschaftlichen Erfolg hinaus gedacht und entsprechend gehandelt haben. Allerdings hat es wohl seit Menschengedenken auch solche gegeben, die das nicht getan haben.

Neu allerdings ist die Tatsache, dass Nachhaltigkeit zunehmend stärker auch schon auf der Ausbildungsebene vermittelt wird. Seit kurzem ist das nun auch formal in der Überarbeitung der Standardberufsbildpositionen festgelegt. Seit dieser Neufassung müssen mindestens in allen modernisierten beziehungsweise neu entwickelten Ausbildungsberufen Lehrinhalte der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes verbindlich an die Azubis weitergegeben werden. Auch hier wird es ganz sicher Pioniere geben und solche, bei denen die praktische Umsetzung in der Ausbildung eher etwas schleppend verläuft.

Ein Teil dieser Pioniere hat sich übrigens schon seit einigen Jahren im Netzwerk Grüne Arbeitswelt zusammengeschlossen. Und das nicht ohne Grund. Denn wenn die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit, also der zukunftsfähige Umgang mit unseren natürlichen Grundlagen, insbesondere in der jüngeren Generation eine wichtigere Rolle spielt als früher, dann ist ein überzeugender Auftritt als nachhaltig wirtschaftendes Unternehmen auch ein starkes Instrument in der Ansprache von jungen Fachkräften. Einige Tipps, wie das gelingen kann, bietet der vom Netzwerk erstellte Leitfaden für Unternehmen: "Nachwuchs für die grüne Arbeitswelt". Nachhaltigkeit glaubwürdig in der Ausbildung an den Nachwuchs zu vermitteln, ist also mitnichten nur das Geschäft von Idealisten und Weltverbesserinnen. Der Austausch im Netzwerk Grüne Arbeitswelt und anderen Verbünden zeigt deutlich, dass es eine kluge unternehmerische Entscheidung ist, Nachhaltigkeit nicht nur in der Vorstandsetage zu diskutieren, sondern auch auf der Ausbildungsebene zu vermitteln. Denn wer als Unternehmen schon in diesem Stadium mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über einen möglichst schonenden Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen spricht und ehrlich die immanenten Konflikte benennt, hat gute Karten, die ehemaligen Azubis auch langfristig an sich zu binden.

Energie-Scout-Programm – Bisherige Bilanz

Die IHK-Organisation bietet im Rahmen des Projekts "Unternehmensnetzwerk Klimaschutz" ein Qualifizierungsmodul für Auszubildende an, damit diese in ihren Betrieben dazu beitragen, Einsparpotenziale zu erkennen, erfolgreich zu nutzen und auf der Plattform des Unternehmensnetzwerks zu bilanzieren. Durchschnittlich sparten Unternehmen bislang 10.145 Euro im Jahr durch Ihre Teilnahme am Energie-Scouts-Programm ein.

An dem Programm haben seit dem Jahr 2014 über 10.000 Auszubildende aus über 2.600 Unternehmen teilgenommen.


Die erzielten Einsparungen (durchschnittliche Daten für den Zeitraum Juni 2021 bis August 2022):

•  ~52.154 kWh/a pro Unternehmen (Das entspricht dem Stromverbrauch von knapp elf Drei-Personen-Haushalten.)

•  ~64 t CO2 /a pro Unternehmen

•  ~10.145 €/a pro Unternehmen


Vorteile für Unternehmen:

•  Einsparpotenziale erkennen

•  Azubis motivieren und halten

•  Energie und Kosten sparen


Aufbau des Qualifizierungsprogramms:

• Basis- und Vertiefungsmodule + Praxisprojekt

• mehrtägige Intensivkurse

• regionale Abschlussveranstaltung und Möglichkeit zur Teilnahme an der Bundesbestenehrung in Berlin


Weitere Informationen unter www.klima-plattform.de/angebote/energie-scout-programm.


Kontakt

Stefanie Tornow
Stefanie Tornow Projektreferentin Unternehmensnetzwerk Klimaschutz – eine IHK-Plattform (UNK)

Kontakt

Mann steht vor Gemälde und hat die Arme verschränkt.
Thilo Kunze Referatsleiter Infocenter, Chefredakteur POSITION

IHK-Bildungsmagazin Position

Dieser Beitrag stammt aus dem IHK-Berufsbildungsmagazin "Position". Es erscheint jeweils zum Quartalsanfang und bietet vor allem Ausbildern, Personalverantwortlichen und Prüfern Tipps, Ideen und Tools zur Fachkräftesicherung, Best Practices sowie bildungspolitische Vorschläge. Unter www.ihk-position.de begleiten Hintergründe, Bilderstrecken und Videos online das Printprodukt.

So bauen Sie das Thema Nachhaltigkeit in die Ausbildung ein

Seien Sie praxisnah: Zeigen Sie jungen Menschen ganz konkret, wo sie am Arbeitsplatz sparsam mit Ressourcen wie Energie umgehen können.

Auch an Kleinigkeiten denken: Nehmen Sie jede noch so kleine Möglichkeit zum Energiesparen ernst. Gehen Sie dabei mit gutem Beispiel voran und nutzen Sie zum Einstieg Energiesparmöglichkeiten, die die Lehrlinge auch von zu Hause kennen.

Projektbezogen arbeiten: Nutzen Sie Workshops oder Projekte, um ihre Auszubildenden noch weiter zum Energiesparen zu motivieren, wie etwa das Projekt Energiescouts der Industrie- und Handelskammern. Dabei werden die Auszubildenden speziell geschult, um Energiesparpotenziale entdecken zu können.