Statt mit Pauken und Trompeten fing vor zehn Jahren alles mit einem Tenorhorn an. Zu einer der ersten Veranstaltungen der IHK Cottbus als Netzwerkpartner der "Stiftung Kinder forschen" brachte der damalige Schirmherr Professor Dr. Martin Neumann nämlich sein Blasinstrument mit in eine Cottbusser Kita. Zusammen mit den Knirpsen wollte der frühere Bundestagsabgeordnete und FDP-Politiker erkunden, wie Töne entstehen und was passiert, wenn man das Blasinstrument mit Wasser füllt. Die Begeisterung der kleinen Forscher war groß.
Heute, knapp ein Jahrzehnt nach der Veranstaltung, stehen die Jungen und Mädchen von damals kurz vor dem Schulabschluss und der Entscheidung, wie es beruflich für sie weitergehen soll. Die Hoffnung ist, dass viele ihre Faszination für das Forschen bewahrt haben und sich für eine Ausbildung in den Fachrichtungen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften oder Technik (MINT) entscheiden. Unwahrscheinlich ist das zumindest in der brandenburgischen Metropole nicht. Denn wer möchte, kann in Cottbus von der Kita über die Grundschule und den Hort bis zum Gymnasium und die Universität auf dem MINT-Pfad bleiben.
Die Neugier ist da, ganz natürlich
Das Engagement der IHKs bei der frühen MINT-Bildung spielt eine wichtige Rolle für die Fachkräftegewinnung. "Unser Wirtschaftsstandort hängt maßgeblich davon ab, dass wir zum Beispiel Innovationen und wirtschaftliches Wachstum generieren. Dazu brauchen wir dringend gut ausgebildete Fachkräfte", erklärt Jana Heiberger von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Vor allem im MINT-Bereich wird durch Innovationen technologischer Fortschritt erzielt. "Erst zwei Jahre vor Schulabschluss um die jungen Leute zu werben, ist häufig zu spät", weiß Heiberger. In der Kita mit der MINT-Förderung zu beginnen, sei ideal: "Die Neugier für Naturphänomene ist da noch ganz natürlich ausgeprägt."
Davon ist auch Mita Roß überzeugt. "Wenn die Begeisterung für MINT schon im frühen Alter geweckt wird, ist eine Grundlage für eine naturwissenschaftliche oder technische Ausbildung gelegt", so die Netzwerk-Koordinatorin der IHK Cottbus. In den zurückliegenden zehn Jahren hat sie 173 Fortbildungen für pädagogische Lehr- und Fachkräfte organisiert. "Bei den Workshops vermittle ich, dass man für ein spannendes MINT-Projekt weder einen teuren Experimentierkasten braucht noch alles wissen muss", so die Diplom-Ingenieurin. "Man kann sich gemeinsam mit den Kindern auf den Weg machen und zusammen mit ihnen die Antworten zu ihren Fragen suchen. Dass Forschung einfach sein kann und Spaß machen darf, ist für viele Teilnehmende ein wichtiger Aha-Moment."
Plaketten als Zeichen der Wertschätzung
Darüber hinaus unterstützt Mita Roß die Einrichtungen dabei, die Zertifizierung als "Haus, in dem Kinder forschen" zu erlangen. Kitas, Schulen und Horte, in denen mathematische, informatische, naturwissenschaftliche und technische Bildungsinhalte fester Bestandteil im Alltag der Kinder sind und deren Mitarbeiter sich regelmäßig im MINT-Bereich fortbilden, erhalten eine Urkunde. Außerdem wird – meist im feierlichen Rahmen – eine Plakette an das Gebäude angebracht. Die Zertifizierung ist ein Zeichen der Wertschätzung für die Arbeit der Pädagogen und spricht für die Bildungsqualität der Einrichtung. Eltern können sicher sein, dass ihre Kinder in der Einrichtung aktiv gefördert statt nur betreut werden.
In Cottbus sind aktuell eine Grundschule, drei Horte und 13 Kitas zertifiziert. Die Einrichtungen tauschen sich aus und bilden sich gemeinsam fort. Eine der zertifizierten Kitas sind die "Kleinen Spreeperlen". Hier stehen Forschen, Entdecken, Ausprobieren, Selbermachen, zukunftsfähiges Denken und nachhaltiges Handeln auf der Tagesordnung. "Wir unterstützen die Kinder dabei, naturwissenschaftliche Phänomene zu verstehen", erklärt Kita-Leiterin Marie Penk. Ausgangspunkt für alle Projekte und Experimente ist die kindliche Neugier. "Wir begleiten und regen die Kinder an, aktiv Sachen auszutesten. Das Material, das die Stiftung und die IHK in den Workshops zur Verfügung stellen, ist dabei sehr hilfreich. Man bekommt viele Impulse für Projekte, die man einfach umsetzen kann."
Kooperationen mit Gleichgesinnten
Dass eine fundierte MINT-Bildung unerlässlich für das Leben ist, steht auch für Martina Theunert außer Frage. "Gesellschaft, Natur und Klima verändern sich. Alles um uns herum ist in Bewegung. Das geht auch an Schulen nicht vorbei", so die Direktorin der Erich-Kästner-Grundschule. Ihre Schule war die erste in Cottbus, die sich als "Haus, in dem Kinder forschen" zertifiziert hat. MINT-Themen werden im Sachunterricht, in Naturwissenschaft und in Wirtschaft/Arbeit/Technik behandelt. Aber auch im Ganztagsangebot werden Projekte umgesetzt. Aktuell beschäftigen sich die Grundschüler der Klassen 1 bis 6 viel mit dem Programmieren.
Von Anfang an war der Schulleiterin die Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten ein Anliegen. Deshalb hat sie Kitas wie die "Kleinen Spreeperlen" besucht und sich angeschaut, wie MINT-Bildung im Vorschulbereich abläuft. Bis heute versucht sie einmal pro Jahr die Partner-Kitas zu besuchen, sich alle Bereiche anzuschauen und darüber auszutauschen, was im Bildungsplan steht. Zum alljährlichen Forschertag werden Vorschulgruppen der Kitas eingeladen. Auch mit einer weiterführenden Schule und der Universität kooperiert die Grundschule.
Aha-Moment: Physik macht Spaß
So nehmen einige Grundschüler bereits an der "Science-AG" im Max-Steenbeck-Gymnasium teil. Die weiterführende Schule gehört zum nationalen Excellence-Netzwerk von Schulen mit Sekundarstufe II und ausgeprägtem Profil in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Die Nachwuchsforscher haben bereits viele Preise gewonnen und schneiden bei Bundeswettbewerben zuverlässig gut ab. Für Grundschüler veranstaltet das Gymnasium alljährlich einen "Science Day". An dem Tag können Viert- bis Sechstklässler herausfinden, ob ein Gymnasium mit Naturwissenschaftlich-technischem Fokus zu ihnen passt. Außerdem wird jeden Monat für Grundschüler eine neue MINT-Aufgabe zum Knobeln auf die Homepage der Schule gestellt.
Ob Oberschüler oder Gymnasiast – fast alle Nachwuchsforscher aus Cottbus waren schon mal im Schülerlabor "UNEX" der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus – Senftenberg (BTU). Die Experimente, die Dr. Olaf Gutschker Schülern dort zeigt, sind altersgerecht, praxisnah und kurzweilig. Der promovierte Physiker leitet das Physik-Labor, ein Kollege den Chemie-Bereich. "Wir wollen in die Breite fördern. Es soll hängen bleiben, dass Physik und Chemie wichtig sind und Spaß machen." Das funktioniert offenbar gut. "Im Herbst leite ich die Physik-Vorkurse für die Universität", berichtet Dr. Gutschker. "Da sehe ich das eine oder andere Gesicht aus dem Schülerlabor wieder."
Auch die Statistik belegt den Erfolg des Engagements: In den vergangenen Jahren hat sich mehr als ein Drittel aller Auszubildenden für die Ausbildung in einem der MINT-Berufe entschieden. Mittelfristig sieht Jana Heiberger von der DIHK sogar die Chance für ein wachsendes Interesse: "Ab 2026 gibt es einen Anspruch auf Ganztagsbetreuung. Dann gäbe es mehr Zeit für weitere MINT-Projekte." Der Bedarf ist auf jeden Fall da.