Seine Schulzeugnisse waren nicht besonders gut. "Mir fehlte die Motivation", erinnert sich Mario Treinies. "Noten haben schließlich viel mit der Einstellung zu tun und wenig mit der Intelligenz." Immerhin reichte es zum Werkrealschulabschluss.
In die Lehre zum Fachlageristen ist er danach "zufällig reingerutscht", wie er erzählt. Doch der erste Versuch erwies sich als Fehlschlag, denn im Betrieb fühlte er sich nicht wohl. Die Arbeit machte darum keinen Spaß, die Leistung war schlecht.
Erst Aushilfsjobber, dann Bundesbester
Um sich neu zu orientieren, jobbte Treinies erst einmal, bis ihn eine Bekannte auf einen Aushilfsjob im Lager der Huober Brezel GmbH & Co vermittelte. Die "Erste Württembergische Brezelfabrik" ist Spezialistin für ökologisch produzierte Dauerbackwaren. Hier in Erdmannhausen fühlte sich Treinies wohl, anerkannt und unterstützt. Entsprechend konnte er sein Potenzial abrufen und in Leistung ummünzen. Dies blieb wiederum den Verantwortlichen des Familienbetriebes nicht verborgen. Sie boten ihm eine Lehrstelle an.
Warenannahme, Kommissionierung, Ein- und Ausgangskontrollen, Erstellung von Frachtpapieren: eigentlich die komplette Begleitung des internen Materialflusses lernte er hier in zwei Jahren. Und zwar in Perfektion: Von den 5.283 Fachlageristen, die 2019 deutschlandweit ihre Abschlussprüfung ablegten, war er die Nummer 1! Für alle Zeiten kann man seinen Namen seither auf dem bronzenen Stern lesen, der zu seinen Ehren im "Walk of Fame" vor dem IHK-Gebäude in der Stuttgarter Jägerstraße eingelassen wurde.
Der Erfolg motivierte Treinies, ein drittes Ausbildungsjahr draufzusatteln, um als Fachkraft für Lagerlogistik abzuschließen. Diesmal fehlte nur ein Quentchen bei der Prüfung, sonst hätte er wieder ganz oben auf dem Treppchen gestanden.
Mit Führungsqualitäten zum Lager-Chef
Ordentlich weit nach oben geklettert ist er danach auf der Huober-Karriereleiter. Seit knapp zwei Jahren ist Treinies Chef des gesamten Lagers mit 30 Mitarbeitern. Viele davon sind älter als er. Wie geht er damit um?
"Als sich abzeichnete, dass die Entwicklung auf mich hinausläuft, haben das ein paar nicht so gefeiert", erinnert sich der junge Mann. Er habe dann aber Veränderungen angestoßen, die allen Mitarbeitern gefallen haben. Sein Vorteil sei außerdem, dass er als "digital Native" in Sachen Digitalisierung einen Kompetenzvorsprung gegenüber älteren Kollegen hat. Geholfen hat seiner Einschätzung nach auch, "dass ich mir schon während der Lehre gewisse Sympathien erworben habe, auch weil ich die Älteren immer respektvoll behandelt habe", erklärt er.
Das machte den Start andererseits aber auch schwieriger. Treinies musste lernen, auch mal härter durchzugreifen: "Privat bin ich immer noch respektvoll gegenüber Älteren, aber bei der Arbeit ist das nicht so hilfreich", hat er festgestellt.
Tattoos richten den Blick nach vorn
Heute sitzt einem ein selbstbewusster, aber doch bescheidener 24-Jähriger gegenüber. Auf Nachfrage räumt er ein, "natürlich bin ich stolz, dass sich das so prächtig entwickelt hat". Aber endgültig zufrieden? "Nein! Es soll ja noch weitergehen."
Kein Zweifel, ein junger Mann, der seine Chancen nutzt und weiß, was er will. Damit er das nie vergisst, hat er sich zwei Tattoos stechen lassen: "Trust the process" (Vertraue auf eine gute Entwicklung) und die Hausnummer des Obdachlosenheims, in dem er drei Jahre lebte. Dick durchgestrichen.