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Viel Spaß im (vermeintlichen) Männerberuf

"Position" zeichnet den Weg vom Girls' Day zur Mechatroniker-Ausbildung nach
Johanna Sehnert Position

Johanna Sehnert ist mit Leib und Seele Mechatronikerin bei Semikron Danfoss in Nürnberg

© Elke Zapf

Mädchen werden Kauffrau für Büromanagement und Jungen Elektroniker für Betriebstechnik? Von wegen – auch wenn sich die Klischees über klassische Männer- und Frauenberufe immer noch hartnäckig halten. Dass Technik auch etwas für junge Frauen ist, zeigt ein Beispiel aus Nürnberg.

Ihre Freundinnen arbeiten alle in ganz anderen Berufen. Aber das macht Johanna Sehnert nichts aus, denn die 21-Jährige ist Mechatronikerin mit Leib und Seele bei Semikron Danfoss in Nürnberg. Das Unternehmen fertigt innovative Halbleiterprodukte und hat weltweit über 3.500 Beschäftigte, mehr als die Hälfte davon arbeiten in Nürnberg. Hier startete auch Johanna Sehnert vor fünf Jahren als Auszubildende für Mechatronik.

"Ich arbeite schon immer viel und gern mit den Händen und habe von klein auf zuhause meinem Papa dabei geholfen, Lampen zu montieren, Schränke aufzubauen oder die LAN-Dosen neu zu installieren", erzählt die 21-Jährige. "Meine Freundinnen haben mich für mein technisches Wissen immer bewundert. Komisch findet das eigentlich keine." Das liegt vielleicht auch daran, dass sie mit einigen schon zusammen an der Maria-Ward-Schule war. Die katholische Mädchenschule in Nürnberg wirbt mit dem Slogan "Für die starken Frauen von morgen" und setzt sich aktiv gegen Klischees ein. Wie gut das klappt, zeigt die Erfolgsgeschichte von Johanna Sehnert.

Zwei Jahre nach dem Girls' Day in der Ausbildung

Mit 14 Jahren meldete sich Sehnert für den Girls' Day bei Semikron – wie das Unternehmen damals noch hieß – an. Der Mädchen-Zukunftstag findet regelmäßig am vierten Donnerstag im April statt und will zeigen, wie interessant technische Ausbildungsberufe für junge Frauen sind. Bei Sehnert funktionierte das prima. Ein Jahr nach dem Girls'Day machte sie ein Praktikum bei Semikron und wiederum ein Jahr später begann sie ihre Ausbildung als Mechatronikerin.

Ein voller Erfolg also für den Girls'Day. Das sieht auch Anja Oberndörfer so, Ausbildungsleiterin und HR Business Partnerin bei dem Unternehmen in Nürnberg. "Wir machen seit 2014 mit und seitdem ist der Aktionstag ein fester Bestandteil unseres Azubimarketings", erklärt sie. "Jedes Jahr kommen zehn Schülerinnen ins Unternehmen und stellen in der Lehrwerkstatt ihr handwerkliches Geschick unter Beweis."

Löten ist "richtig meditativ"

Auf einer Platine löten die Mädchen Leuchtdioden, Widerstände oder Kondensatoren, und daraus entsteht an diesem Tag ihr "SEMI-Girl" – eine kleine Figur. "Dabei können sich die Mädchen an unterschiedlichen Stationen ausprobieren und drehen, fräsen, bohren, aussägen, feilen und löten." Den meisten Spaß macht den Schülerinnen immer das Löten. Das weiß Oberndörfer aus den Feedbackbögen und aus den Gesprächen mit Johanna Sehnert. Denn die engagiert sich inzwischen als Betreuerin selbst beim Girls'Day – und gibt da ihre eigene Leidenschaft fürs Löten weiter. "Ich finde das richtig meditativ", sagt sie und lacht. Aber auch alle anderen Tätigkeiten machen ihr Spaß, denn "Mechatronikerin ist einer der abwechslungsreichsten Berufe, die es gibt".

Dass er oft als klassischer Männerberuf bezeichnet wird, gefällt ihr aber nicht. "Es ist zwar ein männerdominiertes Berufsbild", sagt sie selbstbewusst, "aber da muss sich kein Mädchen Sorgen machen." Sie selbst sei sehr herzlich aufgenommen worden und schwärmt von dem tollen Arbeitsklima in den dreieinhalb Jahren ihrer Ausbildung.

Männergruppen profitieren von Frauen

Etwas, was auch Anja Oberndörfer wichtig ist: "Jeder Männer-Azubi-Gruppe tut eine Frau gut", sagt sie. Ihrer Erfahrung nach seien die Fachbereiche sehr offen dafür, aber es gebe oft nicht genügend Bewerbungen von Mädchen. Das kann Jana Heiberger, Referatsleiterin unter anderem für Berufsorientierung bei der DIHK, nur bestätigen: "Das Interesse für technische und naturwissenschaftliche Berufe ist bei Mädchen leider immer noch gering, sollte aber möglichst früh geweckt werden."

Deshalb fördern die IHKs bundesweit vielfältige Projekte in den sogenannten MINT-Bereichen – also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.

Bundesweite IHK-Aktion am Girls'Day – Ich werde Chefin!

Unternehmerinnen gesucht:  Am Vormittag des Girls'Days am 27. April besuchen Schülerinnen ab der 8. Klasse Unternehmerinnen in ihren Betrieben. Dort erhalten sie Einblicke in das "Chefin-Sein" und sollen für die Selbstständigkeit begeistert werden.

Hintergrund: Die Aktion basiert auf einer Initiative der IHK für München und Oberbayern und wird koordiniert von der DIHK und dem Netzwerk "Business Women IHK".

Nächste Schritte: Unternehmerinnen mit Interesse, an der Aktion teilzunehmen, wenden sich bitte an ihre IHK, die bei der konkreten Umsetzung unterstützt.

Ansprechpartnerinnen in der DIHK: Fragen zu dem Thema beantworten auch Julia Arnold (0151-11313041, arnold.julia@dihk.de) und Jana Storbeck (0151-11313438, storbeck.jana@dihk.de).

Porträtfoto Lore Funk

Lore Funk vom Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e.V.

© kompetenzz

Bei der Berufswahl setzen Mädchen immer noch häufig auf "typisch weibliche" Berufe. Wie können Arbeitgeber das ändern und Schülerinnen für technische Ausbildungsberufe begeistern? Was bringt dabei der Girls'Day konkret?

"Position" sprach mit Lore Funk vom Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e.V. (kompetenzz). Auch über Zahlen und Fakten.


Frau Funk, seit 2001 findet in Deutschland einmal im Jahr der Girls'Day statt, der nächste Termin ist am 27. April. Warum lohnt sich die Teilnahme für beide Seiten?

Der Girls'Day zeigt den Mädchen auf, wie interessant Ausbildungsberufe im technischen Bereich sind. Zum Beispiel eine Ausbildung zur Elektronikerin für Betriebstechnik, zur Fachinformatikerin oder zur Mechatronikerin. Das alles sind Berufe, unter denen sich viele Schülerinnen vor dem Aktionstag oft gar nichts vorstellen können.

Und genau das können die Unternehmen beim Girls'Day ändern. Wer die jungen Frauen richtig anspricht, kann dabei nur gewinnen und wertvolle Kontakte aufbauen. Denn unsere Daten zeigen: In zwei von fünf Betrieben erkundigen sich die Mädchen nach dem Aktionstag nach Ausbildungsmöglichkeiten und etwas häufiger sogar nach Praktikumsplätzen.

Mit welchen Aktionen erreichen Ausbildungsunternehmen die Mädchen am besten?

Die Angebote sollten möglichst spannend und praxisnah sein und zum Mitmachen, Mitdiskutieren und Mitgestalten einladen. Zum Einstieg empfehle ich ein Kennenlernspiel oder ein Quiz über das Unternehmen. Danach können Auszubildende den Betrieb vorstellen und erzählen, warum sie sich selbst für diese Ausbildung entschieden haben. Wenn es "Rolemodels" im Unternehmen gibt – also kompetente weibliche Vorbilder – dann sollten die auf jeden Fall den Girls'Day mitgestalten. Und insgesamt ist es immer gut, wenn die jungen Gäste möglichst schnell ins Tun kommen und zum Beispiel wie bei Semikron Danfoss ihr handwerkliches Geschick unter Beweis stellen können.

Wie kommt der Girls'Day bei den Mädchen an?

Sehr gut! Das zeigen unsere Vorher-Nachher-Befragungen zum Girls'Day 2022 bei mehr als 5.000 Schülerinnen. 94 Prozent der Mädchen sind mit ihrer Teilnahme am Aktionstag zufrieden oder sehr zufrieden – und 68 Prozent sagen "Ich habe heute Tätigkeiten oder einen Beruf kennengelernt, die mich interessieren." Durch den Girls'Day werden technische Berufe also attraktiver, und nach dem Aktionstag können sich deutlich mehr Teilnehmerinnen vorstellen, eine Ausbildung in diesen Bereichen zu beginnen: Bei technischen Berufen stieg der Anteil von 6 Prozent vor dem Aktionstag auf 17 Prozent danach. Und 42 Prozent der Schülerinnen haben sogar Lust, später in dem Unternehmen zu arbeiten.

Wie zufrieden sind die Unternehmen mit dem Girls'Day?

Sehr zufrieden! Das zeigt unsere Evaluation zum Girls'Day 2022 bei 952 Unternehmen. In diesem Jahr fanden – nach den rein digitalen Angeboten während der Corona-Pandemie – fast alle Aktionen wieder in Präsenz statt. Und 93 Prozent der Unternehmen und Institutionen waren mit dem Girls'Day sehr zufrieden oder zufrieden und beobachteten bei den Mädchen großes Interesse und Engagement.

Der Girls'Day wirkt also. Tut dasauch der Boys'Day, der seit 2011 Jungen für Berufe aus dem sozialen, erzieherischen und pflegerischen Bereich begeistern will?

Ja, auch der Boys'Day wirkt. Hier haben wir mehr als 900 Schüler ab elf Jahren vor und nach ihrer Teilnahme am Aktionstag 2022 befragt, und 90 Prozent waren mit dem Orientierungstag zufrieden oder sehr zufrieden. Und auch Jungs können sich nach dem Boys'Day deutlich häufiger einen sozialen oder Pflegeberuf für sich vorstellen.

Logo Girls'Day

www.girls-day.de

Hier geht es zum Webauftritt der Aktion mit allen Infos, Materialien, Daten, Fakten, Videos, dem Girls'Day Radar und vielen weiteren Inhalten.

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Porträtfoto Jana Heiberger, Referatsleiterin Fachkräftesicherung | Ausbildung
Jana Heiberger Referatsleiterin Berufsorientierung, Berufsschule, MINT-Förderung

Kontakt

Mann steht vor Gemälde und hat die Arme verschränkt.
Thilo Kunze Referatsleiter Infocenter, Chefredakteur POSITION

IHK-Bildungsmagazin Position

Dieser Beitrag stammt aus dem IHK-Berufsbildungsmagazin "Position". Es erscheint jeweils zum Quartalsanfang und bietet vor allem Ausbildern, Personalverantwortlichen und Prüfern Tipps, Ideen und Tools zur Fachkräftesicherung, Best Practices sowie bildungspolitische Vorschläge. Unter www.ihk-position.de begleiten Hintergründe, Bilderstrecken und Videos online das Printprodukt.

Vier Tipps, wie Ihr Girls'Day gelingt:

1. Binden Sie Ihre Auszubildenden ein, denn die können den Schülerinnen auf Augenhöhe berichten, warum sie sich genau für diese Ausbildung und dieses Unternehmen entschieden haben.

2. Zeigen Sie Vorbilder auf: Junge Menschen suchen nach Orientierung. Zeigen Sie also weibliche Vorbilder in Ihrem Unternehmen oder in Ihrer Branche auf.

3. Starten Sie spielerisch in den Aktionstag, zum Beispiel mit einem Quiz zum Unternehmen oder mit einem "Speed-Dating" mit den Auszubildenden.

4. Halten Sie Kontakt: Nennen Sie den Mädchen eine Ansprechpartnerin, verteilen Sie eine Teilnahmebescheinigung und geben Sie den Schülerinnen kleine Werbegeschenke mit.