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Weiterbildung zahlt sich aus

Berufliche Qualifizierte haben finanziell die Nase vorn, zumindest bis zum 60. Lebensjahr
Familie mit Baby zieht ein

Eine Familie gründen, ins eigene Heim ziehen: Lebensträume, die eine stabile finanzielle Basis benötigen, können sich beruflich Qualifizierte oft früher erfüllen

© Tempura / E+ / Getty Images

Schulabschluss in der Tasche – und dann? Erstmal studieren! So lautet die Antwort vieler junger Menschen, die sich zwischen einem Studium und einer Ausbildung entscheiden müssen. Oft auch deshalb, weil sie gar nicht wissen, dass der Karriereweg der Beruflichen Bildung in vielerlei Hinsicht eine lohnende Alternative darstellt.

Dass der Trend zum Studium geht, spiegelt der Arbeitsmarkt deutlich wider: Jeder fünfte Erwerbstätige hat zuvor an einer Universität, Fachhochschule oder Berufsakademie studiert. Denn, Akademiker verdienen mehr Geld als Nicht-Akademiker.

Wider den "Studier-Reflex"

Aber stimmt das wirklich? Nicht unbedingt. Am Ende ihres Erwerbslebens haben Akademiker und Aus- und Weiterbildungsabsolventen fast gleich viel verdient, nämlich 1,4 Millionen Euro. Das belegt eine aktuelle Studie des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung an der Universität Tübingen (IAW) im Auftrag des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags.

Vergleichende Grafik zum Lebenseinkommen von Akademikern und Weiterbildungsabsolventen

© DIHK

In den Urlaub fahren, ein Auto kaufen, eine Immobilie erwerben oder eine Familie gründen – für Menschen mit abgeschlossener Berufsausbildung und anschließender Weiterbildung finanziell kein Problem.

Während viele Akademiker noch ihren Studienkredit abbezahlen müssen und erst mit Mitte 20 anfangen zu arbeiten, verfügen beruflich Qualifizierte, die direkt nach der Schule angefangen haben zu arbeiten, bereits über einen finanziellen Vorsprung. Hochschulabsolventen gelingt es erst mit circa 60 Jahren, diese Lücke zu schließen.

Einstiegsgehälter von Akademikern variieren stark

Hinzu kommt, dass es in der Gruppe der Akademiker teils erhebliche Einkommensunterschiede gibt: Erhält ein Ingenieur in Luft- und Raumfahrt ein durchschnittliches Einstiegsgehalt von rund 5.800 Euro, so hat ein Architekt zu Beginn seines Arbeitslebens durchschnittlich lediglich 3.000 Euro auf dem Gehaltszettel. Absolventinnen und Absolventen der Sozialpädagogik oder der Geisteswissenschaften müssen beim Arbeitseinkommen meist noch größere Abstriche machen.

Demgegenüber ist das Einstiegsgehalt von ausgebildeten Fachkräften oft höher, als man vielleicht meint: Bankkaufleute können nach ihrer Berufsausbildung mit einem Gehalt von bis zu 3.400 Euro brutto rechnen. Ebenso sind Arbeitskräfte in der Industrie sehr gefragt: Ein ausgelernter Industriemechaniker wird mit bis zu 2.500 Euro brutto monatlich entlohnt. Mit einem Abschluss in der höheren Berufsbildung, wie beispielsweise zum Industriemeister, werden sogar monatliche Einstiegsgehälter in Höhe von bis zu 4.400 Euro brutto erzielt – stets in Abhängigkeit von Branche und Betriebsgröße.

Direkter Einstieg ins Berufsleben oft lukrativer als jahrelanges Studium

Das klassische Vorurteil, dass Akademiker grundsätzlich mehr verdienen als Nicht-Akademiker, stimmt also nur bedingt. Der gute Verdienst von Ärzten und Ingenieuren hebt den Gehaltsdurchschnitt bei den akademisch Qualifizierten an. Absolventen anderer Studiengänge rangieren teils deutlich darunter.

Eine berufliche Ausbildung kann also lukrativer sein als ein jahrelanges Studium. Das gilt insbesondere dann, wenn Hochschulabsolventen dazu gezwungen sind, mit Tätigkeiten ins Berufsleben einzusteigen, die nicht ihrem Qualifikationsniveau entsprechen und daher häufig weniger gut bezahlt sind.

Perspektivisch dürfte sich das Einkommensgefüge sogar insgesamt zugunsten der beruflich Gebildeten verschieben, wenn der Trend zur Akademisierung weiterhin anhält – wie sich am Beispiel der MINT-Berufe eindrucksvoll belegen lässt: Im Herbst 2019 berechnete das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln eine MINT-Arbeitskräftelücke von insgesamt 263.000 Personen, die zu rund zwei Dritteln im Segment der beruflich Qualifizierten verortet ist. Sie setzt sich zusammen aus 122.900 Personen in MINT-Facharbeiterberufen sowie 48.600 im Bereich der Spezialisten-/Meister-/Technikerberufe. Demgegenüber steht eine deutlich kleinere akademische MINT-Arbeitskräftelücke von 91.500 Personen.

Aus- und Weiterbildung schützen vor Arbeitslosigkeit

Im Jahr 2018 lag die Arbeitslosenquote bei Akademikern bei 2,1 Prozent. Bei Fachkräften, die sich zum Meister- oder Techniker weiterqualifiziert haben, betrug die Arbeitslosenquote hingegen lediglich 1,2 Prozent – und war zudem gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 0,3 Prozentpunkte gesunken. Das zeigt: Eine duale Ausbildung mit anschließender Aufstiegsfortbildung schützt besser vor Arbeitslosigkeit als ein Studium.

Wie auch beim Einkommen gibt es auch beim Thema Arbeitslosigkeit von Akademikern große Unterschiede je nach Fachrichtung. Die Arbeitslosenquote für studierte Werbe- und Marketingspezialisten wurde zuletzt mit 4,5 Prozent angegeben – während lediglich 1,3 Prozent der Absolventinnen und Absolventen in der Human- und Zahnmedizin keine Beschäftigung finden, was die Quote insgesamt wieder senkt.

Mehr unbefristete Perspektiven

Menschen mit abgeschlossener Berufsausbildung und anschließender Weiterbildung sind nicht nur seltener arbeitslos, sie erhalten auch leichter einen unbefristeten Vertrag: Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) betrug der Befristungsanteil für Nicht-Akademiker mit einer abgeschlossenen dualen Ausbildung oder gleichwertigem Berufsfachschulabschluss im Jahr 2014 lediglich 6,3 Prozent; für Absolventen einer Meister-/Technikerausbildung nur 5,3 Prozent.

Der Anteil der Akademiker in einem befristeten Beschäftigungsverhältnis rangierte indes mit 11 Prozent deutlich über diesen Werten. Zwar werden Stellen im Wissenschaftsbetrieb, die eher von Akademikern besetzt werden, häufig befristet ausgeschrieben und dann auch oft verlängert. Trotzdem ist der Unterschied zu den beruflich Qualifizierten beachtlich.

Berufliche Bildung lohnt sich, nicht nur finanziell

Abgesehen von den finanziellen Vorteilen und der höheren Jobsicherheit birgt eine Weiterbildung auch persönliche Vorteile: Rund jeder zweite Weiterbildungsabsolvent gibt an, dass er durch die Aufstiegsfortbildung seinen Horizont erweitern konnte (Ergebnisse der IHK-Erfolgsstudie Weiterbildung, Jahrgänge 2012 bis 2017).

Höchste Zeit also, mit den gängigen Vorurteilen aufzuräumen und den Karriereweg der Beruflichen Bildung noch stärker als lohnende Alternative zum Studium ins Bewusstsein zu rücken – im Interesse der Fachkräftesicherung der Wirtschaft.


Welche Vorzüge das Leben als Azubi mit sich bringt, verdeutlicht ein Video aus der Reihe "Like a Boss", in dem die DIHK-Bildungs-gGmbH regelmäßig Ausbildungsthemen aufbereitet.

Kontakt

Porträtbild Julia Flasdick, Referatsleiterin Fachkräftesicherung | Weiterbildung
Julia Flasdick Referatsleiterin Hochschulpolitik, Forschungs- und Strukturfragen