Die Haushalte der Länder und ihrer Gemeinden entwickelten sich im zweiten Jahr der Corona-Pandemie sehr günstig. Sie erzielten 2021 insgesamt einen Überschuss von 5 Milliarden Euro, nach einem Defizit von 32 Milliarden Euro noch 2020. Das gute Ergebnis hing neben stark gestiegenen Steuereinnahmen auch damit zusammen, dass der Bund Pandemielasten weitgehend übernahm.
Die Gesamtheit der Länder inklusive ihrer Gemeinden realisierte in ihren Kernhaushalten ein Defizit von sechs Milliarden Euro. Die Extrahaushalte schlossen mit einem Überschuss von 6,5 Milliarden Euro. Die Gemeinden (Kern- und Extrahaushalte) steuerten einen Überschuss von 4,5 Milliarden Euro bei.
Im Einzelnen meldete die Hälfte der Länder (einschließlich ihrer Extrahaushalte und Gemeinden) 2021 einen Überschuss. Rheinland-Pfalz als Hauptstandort eines Impfstoffherstellers schnitt besonders gut ab. Die ausführlichen, von der Bundesbank aus der Kassenstatistik aufbereiteten Daten finden Sie hier: https://www.bundesbank.de/resource/blob/898986/834c5611f82ca430cbe9acce2ed0c9ff/mL/2022-10-laenderfinanzen-data.pdf
Schuldenbremse wurden überwiegend ausgesetzt
Die Länder haben ihre Schuldenbremsen sehr unterschiedlich ausgestaltet. Die jeweiligen Abrechnungen sind daher nur eingeschränkt vergleichbar. Auch legten bisher nicht alle Länder umfassende Abrechnungen für das Jahr 2021 vor. Unübersichtlich stellt sich nicht zuletzt dar, wie Rücklagen, Sondervermögen und in Folgejahre übertragene Haushaltsermächtigungen mit den Schuldenbremsen zusammenspielen. Diese Zusammenhänge haben sich in der Coronakrise aber als besonders bedeutsam erwiesen: So nahmen die Länder teils umfangreich Notlagenkredite auf, um Rücklagen und Sondervermögen zu befüllen. Teilweise werden darüber hinaus Kreditermächtigungen auf künftige Jahre geschoben.
Im Rahmen ihrer jeweiligen Schuldenbremsen griffen die Länder trotz guter Haushaltslage auf Notlagenkredite von insgesamt 18 Milliarden Euro zurück. Rein rechnerisch benötigten sie nach Angaben der Bundesbank nur einen kleinen Teil davon, um Finanzierungslücken in ihren Kern- und Extrahaushalten zu schließen. Mit dem Großteil stockten sie demnach Reserven auf, mit denen sie künftige Haushalte finanzieren können. Einzig Rheinland-Pfalz tilgte bereits alle im Jahr 2020 aufgenommenen Notlagenkredite.
Allein Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Thüringen verzichteten auf eine erneute Aktivierung der Ausnahmeklausel der Schuldenbremse. Diese Länder planten, zum Ausgleich ihrer Haushalte Reserven einzusetzen. Eine Ausnahme stellte Rheinland-Pfalz dar, das in seinem Haushaltsplan allein eine konjunkturbedingte Nettokreditaufnahme auswies.
Selten waren Notlagenkredite erforderlich
In einem ausdifferenzierten Verfahren versucht die Bundesbank in ihrer Analyse nachzuvollziehen, inwieweit Kreditaufnahmen über die Ausnahmeklausel gegebenenfalls erforderlich gewesen wären (oder ein Rückgriff auf vorhandene Reserven), um ein 2021 entstandenes strukturelles Defizit zu finanzieren. Dieser „Schuldenbremsen-angenäherte“ strukturelle Finanzierungsbedarf wird dann den von den Ländern gemeldeten Notlagenkrediten gegenübergestellt. Die Differenz bietet einen Anhaltspunkt dafür, inwieweit Reserven aus Notlagenkrediten gebildet oder aber Reserven eingesetzt wurden, um Notlagenkredite zu begrenzen. Fünf Länder schlossen das Jahr 2021 im Ergebnis ohne neue Notlagenkredite ab. Bei denen, die Notlagenkredite aufnahmen, wurden damit auch zu einem erheblichen Teil Rücklagen aufgebaut. Dazu zählen nach den Berechnungen der Bundesbank insbesondere Bremen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg, aber auch Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, das Saarland und Hamburg. In Baden-Württemberg, Hessen und Sachsen fiel die Kreditaufnahme geringer aus.
Einige Stellungnahmen von Landesrechnungshöfen und dem Bundesrechnungshof weisen seit einiger Zeit darauf hin, welche problematischen Folgen eine hohe Reservebildung in den öffentlichen Haushalten, und dann auch noch mit Krediten, hat. Die Transparenz der Haushalte leidet erheblich, das Jährlichkeitsprinzip wird geschwächt, spätere Umwidmungen in nicht-intendierte Verwendungen werden häufiger. Das Wirkprinzip der Schuldenbremse setzt aber im Gegenteil darauf, in finanziell auskömmlichen Phasen die Neuverschuldung sehr stark zu begrenzen oder die Notlagenkredite zu tilgen. Jede neue Notlage erfordert eine neue Feststellung durch die Parlamente, und eine entsprechende Zielfunktion für dann notwendige Notlagenkredite.
Reservebestände der Länder zum Jahresende 2021 betrugen 110 Milliarden Euro
Ein vollständiger Überblick über den Reservebestand der Länder liegt nicht vor. Die Bundesbank hat mit verfügbaren Daten und einer Umfrage unter den Ländern versucht, sich einen Überblick zu verschaffen. Die gemeldeten allgemeinen Rücklagen nahmen etwas zu und beliefen sich Ende 2021 auf 33 Milliarden Euro. Besonders hoch ist die allgemeine Rücklage pro Kopf in Bremen und Berlin. Aus den kumulierten Überschüssen der Jahre 2020 und 2021 errechnen sich Reserven der Corona- Sondervermögen von 12 Milliarden Euro. Zur Absicherung der Beamtenversorgung legten die Länder für diese Lasten die insgesamt höchsten Beträge zurück. Der gemeldete Bestand stieg deutlich um ein Zehntel auf 49 Milliarden Euro. Sachsen weist bevölkerungsbezogen die mit Abstand höchste Vorsorge auf. Andere Länder stellten die Zuführungen in den letzten Jahren ein und greifen – wie etwa das Saarland und Bremen – teilweise schon spürbar auf die Mittel zurück.
Weiterhin große Unterschiede in der Pro-Kopf-Verschuldung
Für die Gesamtheit der Länder inklusive ihrer Gemeinden lagen die Schulden pro Kopf 2021 bei 10.000 Euro. Den mit großem Abstand höchsten Wert verzeichnete Bremen mit gut 54.000 Euro, vor Hamburg mit gut 21.000 Euro. Am anderen Ende der Spanne meldeten Bayern und Sachsen etwa 2.800 Euro.
Obwohl die Haushalte insgesamt einen Überschuss auswiesen, stiegen die Schulden um 110 Euro pro Kopf (gesamt: neun Milliarden Euro). Bei einzelnen Ländern liefen Finanzierungssaldo und Schuldenstandsänderung deutlich auseinander: Unter den Flächenländern wuchsen die Schulden pro Kopf am stärksten in Nordrhein-Westfalen (+ 640 Euro). Gleichzeitig schloss das Land das Jahr aber mit einem moderaten Finanzierungsüberschuss ab. Bremen wies zwar ein leichtes Defizit auf, die Schulden pro Kopf sanken aber vom hohen Niveau aus am kräftigsten (– 4.180 Euro). Dabei führte Bremen Kredite im Zusammenhang mit Zinsderivaten zurück. Diese Derivate sichern langfristige Zinskonditionen ab.
Bundesbank: Intransparente Buchungspraktiken erschweren genaue Analyse
Nach wie vor sind die Finanzen der einzelnen Länder in der Bewertung der Bundesbank zu wenig transparent. Dazu kommen verschiedene Buchungspraktiken, die grundsätzliche bekannte Haushaltsdaten nicht vergleichbar machen. So haben die Länder die bundesfinanzierten Unternehmenshilfen in der Corona-Pandemie unterschiedlich verbucht, und bei einigen schlugen sich Beträge aus den Hilfen trotz des Konzepts der reinen Durchleitung auch in den Finanzierungssalden nieder. Ähnlich auch bei der Einschätzung des Gesamtumfangs der Staatsausgaben: Das liegt nach Analyse der Bundesbank insbesondere an Salden bei Transfers innerhalb des Staatssektors. Diese Salden entstehen, wenn empfangende und zahlende Einheiten nicht korrespondierend buchen. Nach der Kassenstatistik vereinnahmten Extrahaushalte der Länder im letzten Jahr zum Beispiel laufende Zuweisungen von 43 Milliarden Euro aus Kernhaushalten der Länder. Diese zahlten aber nur 21 Milliarden Euro aus.
Stabilitätsrat soll sich für bessere Vergleichbarkeit der Länderfinanzen einsetzen
Die Regelvielfalt der länderspezifischen Schuldenbremsen erschwert es, die strukturellen Finanzlagen der Länder untereinander zu vergleichen. Zudem werden wichtige Haushaltsdaten teilweise erst sehr spät veröffentlicht. Insbesondere der Stabilitätsrat bleibt gefordert, auf deutliche Fortschritte bei Transparenz, Vergleichbarkeit und zeitnaher Veröffentlichung hinzuwirken.
Um Haushalte effektiv überwachen zu können, braucht es aussagekräftiges Datenmaterial zu den Länderergebnissen und -planungen sowie zum Handlungsbedarf. So veröffentlichen bis heute nur wenige Länder die Ergebnisse ihrer regionalisierten Steuerschätzung, mit der angepasste Haushaltsplanungen nachvollzogen werden können. Das gleiche gilt für die Berücksichtigung von zwischenzeitlichen Änderungen des Steuerrechts und die Auswirkungen aktualisierter gesamtwirtschaftlicher Konjunkturprognosen der Bundesregierung. Die vorhandenen Reserven wären übersichtlich darzustellen. Dabei geht es nicht nur um den jeweils laufenden Haushalt, sondern auch um Planungen für die Folgejahre.
Die ersten Erfahrungen mit der Konjunkturbereinigung bei Bund und Ländern legen nahe, die meisten Verfahren zu überarbeiten. Es erscheint zielführend, ein einheitliches Verfahren zur Konjunkturbereinigung der Länder zu prüfen. Die Bundesbank hat dazu einen Vorschlag zur Reform der Konjunkturbereinigung des Bundes vorgelegt.
Länderhaushalte werden auch 2022 mit Überschuss abschließen
Im Ausblick auf die Abrechnung des laufenden Jahres zeichnet sich nach Angaben der Bundesbank erneut ein hoher Überschuss bei den Ländern ab. Bisher zeichnen sich stark steigende unbereinigte Überschüsse ab. Dies liegt an sehr hohen Steuereinnahmen. Diese übersteigen erheblich die letzte Vorkrisen-Steuerschätzung für 2022. Sollte es zum Jahresende noch deutlich schlechter laufen, stehen meist umfangreiche Reserven zur Verfügung. Trotz des derzeit schwierigen Umfelds ist es aus Sicht der Bundesbank vor diesem Hintergrund nicht naheliegend, dass die Länder in diesem Jahr weitere Notlagenkredite aufnehmen. Dabei sollte es die sehr gute Ausgangsposition den Ländern ermöglichen, sich spürbar an den finanziellen Herausforderungen zu beteiligen. Ohnehin wird der Bund den weit überwiegenden Teil der Lasten aus der aktuellen Energiekrise übernehmen.
Ergebnis sind sehr unterschiedliche Haushaltslagen von Bund und Ländern. So dürfte der Bund 2022 immer noch ein hohes strukturelles Defizit verzeichnen. Der strukturelle Länderüberschuss könnte hingegen sogar höher liegen als vor der Coronakrise. Der weitere Ausblick ist infolge des Ukrainekriegs und der damit verbundenen Energiekrise von erheblichen Unsicherheiten geprägt. Das reale Wachstum schwächt sich ab, aber die Preisdynamik erhöht die staatlichen Einnahmen. Die Länder starten insgesamt von einer guten strukturellen Ausgangslage in das neue Jahr.