Das Sekretariat der OECD hat einen sogenannten „Progress Report“ zu Säule 1 des OECD/G20-Projektes zur Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft vorgelegt, in dem der aktuelle Stand der Arbeiten der beteiligten 141 Staates im sogenannten Inclusive Framework (IF) dargestellt wird. Auf knapp 100 Seiten werden der Mechanismus des neuen Umverteilungsregimes sowie zahlreiche Detailbestimmungen (wie zum Beispiel Anwendungsbereich, Nexus, Zuweisung an Marktjurisdiktionen) erläutert. Allerdings liegen noch keine weitergehenden Arbeitsergebnisse zu den Bereichen „Administration der Umverteilungsbeträge (Amount A)“ und „Tax Certainty“, das heißt Rechtsschutzmöglichkeiten, vor.
Anwendung der Besteuerungsregeln erst ab 2024
Zudem wurde in einer „Cover Note“ ein nunmehr überarbeiteter Zeitrahmen veröffentlicht, der eine Erstanwendung der neuen Besteuerungsregeln für 2024, mithin ein Jahr nach dem ursprünglich avisierten Inkrafttreten zum 1. Januar 2023, vorsieht. Die Verschiebung ist dem Umstand geschuldet, dass die technischen Arbeiten noch fortgeführt werden müssen und die erforderliche Unterzeichnung einer multilateralen Konvention (Multilateral Convention – MLC) durch eine kritische Masse an Mitgliedsstaaten des Inclusive Framework erst in der ersten Jahreshälfte 2023 stattfinden kann.
Annahme durch G20-Finanzminister
Der nun vorliegende Fortschrittsbericht des OECD-Sekretariates beinhaltet den aktuellen Stand der Arbeiten des Inclusive Framework und stellt noch keinen Konsens der beteiligten 141 Staaten dar. Der Bericht wurde jedoch von den G20-Finanzministern auf ihrem Treffen am 15./16. Juli 2022 in Bali positiv zur Kenntnis genommen, was als politisches Signal an die anderen Mitgliedsstaaten des IF gewertet werden kann.
DIHK-Stellungnahme im Konsultationsverfahren
Angesichts der Vielzahl der noch offenen Detailfragen hat das OECD-Sekretariat die Ergebnisse des Fortschrittsbericht zur Konsultation gestellt und um Hinweise und Ergänzungsvorschläge gebeten.
In unserer Stellungnahme haben wir am 19. August 2022 die wichtigsten Punkte adressiert, die für die betroffenen Unternehmen von besonderer Relevanz sind und die im Laufe der weiteren OECD-Arbeiten noch berücksichtigt werden sollten.
Aus Sicht unserer Unternehmen ist es von entscheidender Bedeutung, dass die neuen Regeln für die Ermittlung von Amount A und für alle anderen Bereiche von Säule 1 den betroffenen international tätigen Unternehmen (MNE) auch tatsächlich Rechtssicherheit geben. Die neuen Vorschriften und Begrifflichkeiten müssen klar, präzise und verständlich sein und dürfen keinen Raum für unterschiedliche Auslegungen lassen. Doppelbesteuerung oder Rechtsstreitigkeiten müssen vermieden werden.
Wir haben zudem darauf hingewiesen, dass die von Amount A erfassten Unternehmensgruppen durch das neue Besteuerungsverfahren mit hohen, komplexen und kostspieligen Anforderungen konfrontiert sind. Die im Fortschrittsbericht veröffentlichten Verfahren sollten daher dringend vereinfacht werden. Hierzu haben wir konkrete Vorschläge gemacht. Als Ausgangspunkt für die Berechnung des Amount A halten wir es für angemessen, auf die Regelungen der Finanzbuchhaltung zurückzugreifen. Allerdings sollten die vorgesehenen steuerlichen Anpassungen weiter reduziert und damit die Komplexität minimiert werden.
Angesichts der erheblichen Umsetzungsschwierigkeiten, die die Kapazitäten der betroffenen Unternehmen stark belasten werden, ist die angekündigte Verschiebung der Erstanwendung auf das Jahr 2024 zwar positiv zu bewerten, der Umsetzungszeitraum ist aber aus unserer Sicht noch immer zu knapp bemessen. Deshalb ist aus Sicht der Unternehmen eine weitere Verschiebung erforderlich.
Abschaffung aller Digitalsteuern erforderlich
Mit der Einführung eines Umverteilungsmechanismus hin zu den Kunden-/Markstaaten sollten die bereits von einigen Staaten interimsweise eingeführten nationalen Digitalsteuern (Digital Service Taxes, DSTs) abgeschafft werden. Für derartige nationale Sonderlösungen besteht dann keine Notwendigkeit mehr, da die Besteuerung nunmehr in diesen Staaten liegt.
Auch wenn durch den Fortschrittsbericht bereits Vorschläge für einige Regelungsbereiche (hier: Amount A) veröffentlicht wurden, fehlen weiterhin noch wichtige Bausteine von Säule 1. Es ist daher von größter Bedeutung, die Arbeit etwa in den Bereichen Administration/Durchführungsbestimmungen oder Steuersicherheit voranzutreiben. Dabei sollten mit genügend zeitlichem Spielraum unter Einbeziehung der Wirtschaft gute und für Unternehmen wie Finanzverwaltungen praktikable Lösungen erarbeitet werden.
Beteiligung aller Industrienationen
Eine Umsetzung der globalen Steuerreform ist letztlich nur dann sinnvoll, wenn alle betroffenen Volkswirtschaften das neue Regelwerk gleichzeitig und einheitlich anwenden. Bei der Bestimmung der so genannten „kritischen Masse“ an Staaten sollte daher besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, dass sich die großen Industrienationen in vollem Umfang am Umverteilungsprozess beteiligen.