Nach einem über fünfjährigen Verhandlungsprozess hatten sich am 8. Oktober 2021 insgesamt 137 Staaten des sog. Inclusive Framework on BEPS (IF) über die wichtigsten Eckpunkte einer Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung verständigt. Neben einer Neuverteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Staaten ist auch die Einführung einer globalen Mindestbesteuerung i. H. v. effektiv 15 Prozent ab dem Jahr 2023 vorgesehen. Damit soll den durch die Globalisierung und Digitalisierung der Wirtschaft eingetretenen Veränderungen Rechnung getragen und die internationale Steuerarchitektur „in das 21. Jahrhundert“ geführt werden.
Musterregelungen (Model Rules) zur Umsetzung der Mindestbesteuerung
Das Inclusive Framework hat nun am 20. Dezember 2021 auf 70 Seiten die ersten detaillierten Regelungen zu den sog. GloBE-Maßnahmen (Global Anti-Base Erosion) als wesentliches Element zur Erreichung einer globalen Mindestbesteuerung veröffentlicht. Diese beinhalten sowohl eine Income Inclusion Rule (IIR) als auch eine Undertaxed Payment Rule (UTPR). Das jetzt vorgelegte Regelwerk gliedert sich in insgesamt 10 Kapitel (Chapter), wobei Kapitel 10 eine Definitionsbeschreibung der im Dokument verwendeten Begriffe beinhaltet.
- Kapitel 1 (Scope) regelt den Anwendungsbereich, in den grenzüberschreitende Gruppen (MNE) mit einem Gruppenumsatz oberhalb 750 Millionen Euro (Konzernabschluss) in mindestens zwei der vier vorhergehenden Wirtschaftsjahre fallen. Staaten sind jedoch berechtigt, auf nationale MNEs einen niedrigeren Schwellenwert anzuwenden.
- Kapitel 2 (Charging Provisions) bestimmt die Steuertatbestände. Konkret werden die einzubeziehenden Unternehmenseinheiten (constituent entities) festgelegt, die für eine Zusatzsteuer (top-up tax) in Betracht kommen.
- Kapitel 3 (Computation of GloBE Income or Loss) bestimmt Details für die Berechnung des relevanten GloBE-Einkommens bzw. GloBE-Verlustes. Ausgangspunkt ist dabei die handelsrechtliche Konzernrechnungsregelung (financial accounting), sofern diese nach allgemein anerkannten Standards erfolgt. Diese sind z.B. US-GAAP, Japanese GAAP, IFRS sowie Rechnungslegungen, die auf der EU-Bilanzrichtlinie basieren (z. B. das HGB). Im Anschluss werden in limitiertem Umfang gewisse steuerliche Adjustierungen vorgenommen (Dividenden, Veräußerungsgewinne, Bestechungsgelder etc.).
- Kapitel 4 (Computation of Adjusted Covered Taxes) regelt die Berechnung der bereits gezahlten Steuern (werden hier als Covered Taxes bezeichnet), die den GloBE-Einkünften zuzuordnen sind. Einzubeziehen sind demnach Gewinnsteuern, nicht jedoch Umsatzsteuern oder Lohnsteuern etc. Dabei sind jedoch zeitliche Differenzen zwischen handelsrechtlicher Rechnungslegung und Steuererhebung zu berücksichtigen (latente Steuern für maximal fünf Jahre).
- Kapitel 5 (Computation of Effective Tax Rate and Top-up Tax) umfasst die Berechnung der effektiven Steuerbelastung aller im selben Gebiet ansässigen Unternehmenseinheiten und die Bestimmung der Aufstockungssteuer für dieses Land (jurisdictional basis). Wenn der effektive Steuersatz unter dem Mindestsatz liegt, ergibt sich aus der Differenz die Aufstockungssteuer. Unter Umständen wird diese jedoch noch um substanzabhängige Elemente (Lohnsummen, Buchwert der materiellen Wirtschaftsgüter) korrigiert.
- Kapitel 6 (M&A) enthält Regelungen zu Umstrukturierungen, Akquisitionen, Veräußerungen, Joint Ventures und Holding-Strukturen.
- Kapitel 7 (Tax neutrality and distribution regimes) befasst sich mit der Anwendung der GloBE-Regeln auf bestimmte Steuerneutralitäts- und andere Ausschüttungssteuersysteme (die in den Staaten sehr unterschiedlich ausgestaltet sein können).
- Kapitel 8 (Administration) behandelt verwaltungstechnische Verfahrensaspekte der GloBE-Regeln, einschließlich der Erklärungspflichten für Unternehmen sowie die Anwendung etwaiger Safe-Harbour-Regelungen. Letztere sollen noch im Verlauf des Jahres 2022 finalisiert werden.
- Kapitel 9 (Transition rules) enthält bestimmte Übergangsregeln, z. B. für Altverluste (pre-existing tax losses), die vor dem Eintritt eines MNE in den GloBE-Anwendungsbereich entstanden sind. Gleiches gilt für den Abschmelzungspfad bei den Substanz-Regelungen (s. Kap. 5).
- Kapitel 10 (Definitions) enthält Definitionsbeschreibungen.
Die Model Rules werden voraussichtlich im Februar 2022 um einen weiteren Passus zur Integration der US-amerikanischen GILTI (Global Intangible Low-Taxed Income) ergänzt werden.
Weitergehende Detailbestimmungen sollen Ende Februar 2022 in einem Kommentar (von etwa 200 Seiten) und Mitte 2022 in sog. Administrative Guidelines vorgelegt werden.
Die Europäische Kommission strebt an, dass die von OECD/IF festgelegten Regelungen möglichst einheitlich von den EU-Mitgliedstaaten übernommen werden. Hierzu hat sie am 22. Dezember 2021 einen entsprechenden Richtlinienvorschlag veröffentlicht (siehe auch unseren gesonderten Artikel). Nach Verabschiedung der EU-Richtlinie wird voraussichtlich ab Mitte des Jahres 2022 das innerstaatliche Gesetzgebungsverfahren eingeleitet, mit dem die Regelungen in das deutsche Steuerrecht überführt werden. Dieses muss bis Jahresende 2022 abgeschlossen sein, damit die globale Mindestbesteuerung zum 1.1.2023 in Kraft treten kann.