Internationalisierung ist für deutsche Unternehmen Alltag. Neben großen nutzen auch kleine und mittelgroße Unternehmen, vielfach eigentümergeführt, Produktions- und Absatzmärkte im Ausland und sichern dadurch ihre Marktposition. Umgekehrt investieren ausländische Unternehmen in Deutschland, schaffen Arbeits- und Ausbildungsplätze und tragen zu Wohlstand und Wachstum bei. Die zunehmende internationale Arbeitsteilung, die durch die Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine nochmals modifiziert wurde, bedarf jedoch neuer steuerlicher Rahmenbedingungen, welche die grenzüberschreitenden Aktivitäten der Unternehmen unterstützen – und nicht behindern.
Internationale Unternehmensbesteuerung ist jedoch keine nationale Angelegenheit (mehr): Vielmehr handelt es sich um ein komplexes Zusammenspiel sowohl der beteiligten nationalen Steuerrechtsordnungen, der Europäischen Richtlinien und Verordnungen als auch der internationalen Regelungen auf Ebene der OECD beziehungsweise des Inclusive Framework.
In unserem Positionspapier haben wir uns daher für einen kohärenten multilateralen Ansatz ausgesprochen, der auf allen Regelungsebenen unternehmensfreundliche Maßnahmen vorsieht, damit Unternehmen ohne das Risiko von Doppelbesteuerungen und übermäßigen Befolgungskosten im globalen Wettbewerb ressourceneffektiv agieren können.
OECD als Standardsetzer
Besonderes Augenmerk haben wir auf die aktuellen OECD/IF-Aktivitäten gelegt: Zurzeit arbeiten die Finanzverwaltungen von 141 Staaten unter dem Dach der OECD an einer grundlegenden Reform der internationalen Steuerarchitektur, welche unter dem Namen „2-Säulen-Projekt“ großes internationales Aufsehen hervorgerufen hat. Mit Blick auf den avisierten Start der neuen Regelungen im Jahr 2024 haben wir die wichtigsten Petita der IHK-Organisation herausgearbeitet, die für unsere Unternehmen von Bedeutung sind.
Europäische Union als relevanter, bindender Gesetzgeber
Die Gesetzgebung der Europäischen Union ist von besonderer Bedeutung, da der deutsche Gesetzgeber diese ohne Änderungsmöglichkeit in deutsches Recht überführen muss. Aufgrund des geltenden Einstimmigkeitsprinzip ist eine aktive Mitarbeit der deutschen Bundesregierung im Vorfeld der EU-Beschlüsse notwendig, um unternehmensfreundliche Rahmendbedingungen zu schaffen. Leider standen in der Vergangenheit eher fiskalpolitisch ausgerichtete Regelungen im Vordergrund (zum Beispiel „ATAD-Richtlinien“) der EU-Aktivitäten. In unserem Positionspapier fordern wir daher einen Paradigmenwechsel, der die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen der Unternehmen im Binnenmarkt in den Vordergrund stellt.
Nationale Steuerregelungen modernisieren und Investitionshürden beseitigen
Gerade bei grenzüberschreitenden Investitionsvorhaben (Inbound wie Outbound) ist ein hinreichendes Maß an Planungssicherheit und Verlässlichkeit (sog. Tax Certainty) unerlässlich. Planbarkeit und Verlässlichkeit des deutschen Steuerrechts sind jedoch nicht zuletzt durch etliche „Anti-Missbrauchsnormen“ zurückgegangen, mit denen vermeintliche Steuerschlupflöcher geschlossen werden sollen. Diese Maßnahmen haben die Komplexität der Steuerregeln stark erhöht und dazu beigetragen, dass diese für Unternehmen und Finanzverwaltung kaum mehr zu handhaben sind.
In unserem Positionspapier haben wir die wichtigsten Druckstellen benannt, die unsere Unternehmen behindern. Zugleich haben wir wichtige Vorschläge unterbreitet, wie die grenzüberschreitenden Aktivitäten durch „gute“ steuerliche Regelungen unterstützt werden können. Neben der für unsere Familienunternehmen wichtigen Wegzugsbesteuerung fordern wir auch eine Reformierung der Hinzurechnungsbesteuerung sowie weiterer sogenannter „Anti-Missbrauchsvorschriften“. Zugleich adressieren wir das wichtige Thema der Betriebsprüfung und der zunehmenden Melde- und Befolgungspflichten, welche unsere Unternehmen belasten. Ebenfalls sollte das Netz der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen verbessert und ausgebaut werden; hierbei kann die IHK-Organisation mit ihren Auslandshandelskammern, Delegationen und Repräsentanzen an rund 150 Standorten in 93 Staaten unterstützen und wichtige Impulse geben.