Angesichts der derzeit hohen Inflationsraten ist in einigen Staaten eine Diskussion um eine Einführung von Sondersteuern für solche Unternehmen aufgekommen, die von den gestiegenen Preisniveaus „besonders profitieren“ und „besondere Ertragszuwächse“ verzeichnen (Taxes on „Windfall-Profits“). Nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) würden die hohen Energiepreise in diesem Jahr bis zu 200 Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen bei Energieanbietern generieren. Mit Hilfe solcher Steuern sollte – so deren Befürworter – zumindest ein Teil der staatlichen Hilfsmaßnahmen zur Stabilisierung der ökonomischen Entwicklung und der aufgrund des Ukrainekriegs implementierten Hilfsmaßnahmen finanziert werden.
Erstmals erwähnt wurden solche Steuern von der EU-Kommission in ihren „Leitlinien für die Anwendung steuerlicher Maßnahmen auf übermäßige Gewinne“ im Rahmen des am 8. März 2022 vorgestellten „REPower EU-Plan". Der Plan beinhaltet ein gemeinsames europäisches Vorgehen zur Sicherung einer erschwinglichen, sicheren und nachhaltigen Energie. Danach können die Mitgliedsstaaten hohe Einnahmen des Energiesektors und des Emissionshandels an die Verbraucher umverteilen. Steuereinnahmen aus „übermäßigen Erlösen“, die bestimmte Stromerzeuger erzielen, sollen an Strom-Endverbraucher umverteilt werden, ohne eine effiziente Preisbildung zu beeinträchtigen und Marktverzerrungen zu verursachen.
Einführung in einigen Staaten avisiert
Einige Staaten haben bereits besondere Steuern auf Windfall-Profits eingeführt beziehungsweise deren Einführung avisiert:
- Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat Ende Mai die Einführung von neuen Sondersteuern auf sogenannte “Extra-Profite” von Banken, Versicherungen, Energieunternehmen, Handelsketten, Telekom-Unternehmen, Fluggesellschaften, Pharma-Unternehmen und die Werbewirtschaft angekündigt. Die Sondersteuern würden bereits im Jahr 2022 und zudem im Jahr 2023 erhoben. Die Regierung rechnet mit zusätzlichen Einnahmen in Höhe von umgerechnet etwa 2,1 Milliarden Euro), wobei circa 780 Millionen Euro auf Banken entfallen sollen. Im Jahr 2020 betrug das Gesamtsteueraufkommen in Ungarn 44,3 Milliarden Euro. Mit Hilfe der Einnahmen sollen unter anderem die seit 2021 eingefrorenen Gaspreise sowie der Ausbau der ungarischen Streitkräfte finanziert werden.
- Auch die britische Regierung plant, Energieunternehmen mit einer „Energy Profits Levy“ zu belasten und Verbraucher zu entlasten. Finanzminister Rishi Sunak legte ebenfalls Ende Mai dem Parlament einen Plan vor, Öl- und Gasunternehmen (nicht Stromerzeuger) ab sofort mit einer vorübergehenden Abgabe von 25 Prozent des Gewinnes zu belasten. Hierdurch sollen zusätzlich umgerechnet ca. 5,9 Milliarden Euro an Steuereinnahmen eingenommen werden. Zugleich sollen die höher besteuerten Unternehmen mit einem neuen Investitionsfreibetrag (Investment Allowance) zu weitergehenden Investitionen motiviert werden. Die Steuererleichterungen sieht für jedes investierte Pfund eine staatliche Unterstützung in Höhe von 91 Pence vor. Die Steuer soll so lange erhoben werden, bis die Energiepreise wieder ein „normales Niveau“ erreichen und spätestens zum 31. Dezember 2025 auslaufen. Das Gesamtsteueraufkommen in Großbritannien für das Jahr 2020 betrug ca. 685 Milliarden Euro. Im Gegenzug sollen private Haushalte in diesem Jahr um 400 Pfund entlastet und circa 8 Millionen Rentner darüber hinaus mit 300 Pfund unterstützt werden. Für bestimmte Sozialhilfeempfänger soll es eine weitere Entlastung in Höhe von 650 Pfund geben.
- Italien hat am 22. März 2022 als Reaktion auf die Auswirkungen des Ukraine-Krieges eine einmalig im Jahr 2022 zu erhebende „Außerordentliche Solidaritätsabgabe“ für Unternehmen des Energiesektors eingeführt. Technisch handelt es sich aufgrund der Anknüpfung an die Umsätze um eine „Über-Umsatzsteuer“. Die Steuer wird einmalig im Jahr 2022 erhoben und soll „Übergewinne“ in Höhe von etwa knapp 40 Milliarden Euro erfassen, was bei einem Steuersatz von 10 Prozent zu einem Steueraufkommen von rund 4 Milliarden Euro führen soll. Die konkrete Bemessungsgrundlage soll sich aus einem Vergleich ergeben: Verglichen werden die Differenz zwischen dem Saldo aus Ausgangs- und Eingangsumsätzen für den Zeitraum vom 1. Oktober 2021 bis 31. März 2022 und dem Saldo aus Ausgangs- und Eingangsumsätzen von Oktober 2020 bis 31. März 2021.
- Bereits am 29. Oktober 2021 hatte das rumänische Parlament eine Ausgleichsregelung für den Strom- und Erdgasverbrauch für private Haushalte verabschiedet. Neben einer Preisdeckelung wurde auch eine Sondersteuer für Stromerzeuger eingeführt. Dabei sollen die zusätzlichen Einnahmen, die sich daraus ergeben, dass der tatsächlich erzielte Stromverkaufspreis den behördlich festgelegten Referenzwert von 450 RON (ca. 91 Euro) /MWh übersteigt, mit 80 Prozent besteuert werden.
- Die griechische Regierung hat ebenfalls angekündigt, eine einmalige Abgabe in Höhe von 90 Prozent auf die zwischen Oktober 2021 und März 2022 angefallenen, zusätzlichen Gewinne von griechischen Stromerzeugern zu erheben. Nach Angaben der Energieregulierungsbehörde RAE werden diese Gewinne auf mehr als 900 Millionen Euro geschätzt.
Zweifel an Verfassungskonformität und Durchführbarkeit
In Deutschland wurde der Vorschlag einer Übergewinnsteuer erstmals von der Parteivorsitzenden von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Ricarda Lang, in die Diskussion gebracht. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat allerdings gleichzeitig vor Schwierigkeiten bei der Umsetzung gewarnt. Die Länder Thüringen und Bremen haben sich für eine befristete Erhebung einer „Übergewinnsteuer“ ausgesprochen, ohne jedoch Details zu nennen. Ebenfalls hat sich der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil dafür ausgesprochen, „Krisen- und Kriegsgewinner» stärker besteuern“. Das FDP-geführte Bundesfinanzministerium sieht hingegen eine solche Steuer kritisch, da Probleme bei der Abgrenzung und weniger Investitionsanreize befürchtet werden: Die Festlegung, welche Gewinnhöhe „üblich“ ist und für welche Anwendungsfälle diese Besteuerung greift, sei schwer ermittelbar und höchst umstritten. Eine derartige Sonderbesteuerung von bestimmten Sachverhalten wäre zudem ein neues, systemfremdes Element im deutschen Steuerrecht. Auch verfassungsrechtliche Probleme werden gesehen. Gerade die Ertragsteuern würden dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit folgen, wobei höhere Gewinne im Zusammenhang mit Energieprodukten bereits mit einer höheren Besteuerung verbunden seien, heißt es im Finanzministerium.