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Verzinsung von Steuerforderungen muss reformiert werden

DIHK legt Reformvorschläge vor
Vo Verzinsung von Steuerforderungen

© Matthias Kulka / The Image Bank / Getty Images

Das Bundesverfassungsgericht hatte die seit über 50 Jahren geltende Zinshöhe von sechs Prozent p.a. für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber eine Anpassung bis spätestens 31. Juli 2022 aufgetragen. Damit wurde eine langjährige Forderung des DIHK aufgegriffen. Und auch bei der gerichtlich geforderten Anpassung wirkt der DIHK tatkräftig mit.

Mit Blick auf eine zeitnahe Umsetzung des Urteils hat der DIHK gemeinsam mit den anderen Spitzenverbänden der Wirtschaft bereits konkrete Reformvorschläge für eine verfassungskonforme Neuregelung der sogenannten Vollverzinsung erarbeitet. Diese wird der DIHK nunmehr mit dem Bundesfinanzministerium und den politischen Akteuren diskutieren und dabei die Interessen der Unternehmen zu Gehör bringen.

Bestehende Zinshöhe ist verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hatte mit einem am 18. August 2021 veröffentlichten Beschluss die Verfassungswidrigkeit der bestehenden Regelungen zur Verzinsung von Steuernachzahlungen und Steuererstattungen (Vollverzinsung, §§ 233a, 238 AO) ab dem Verzinsungszeitraum 2014 festgestellt. Diese beträgt 0,5 Prozent pro Monat, mithin sechs Prozent pro Jahr. Jedoch wurde mit Blick auf die ansonsten drohenden, erheblichen Haushaltsauswirkungen eine Fortgeltungsanordnung für weiter zurückliegende Verzinsungszeiträume bis einschließlich 2018 getroffen. Die bisherigen Bestimmungen dürfen erstmals für den Verzinsungszeitraum 2019 nicht mehr angewendet werden, vielmehr wurde der Gesetzgeber zu einer verfassungskonformen Neuregelung bis spätestens 31. Juli 2022 verpflichtet

Eckpunkte der Wirtschaft für eine verfassungsmäßige Neuregelung vorgelegt

Mit Blick auf die erforderlich werdenden Gesetzgebungsarbeiten hat der DIHK nunmehr ein Leitlinienpapier erarbeitet, welches die aus Sicht der Unternehmen wichtigsten Punkte bei einer verfassungskonformen Neuregelung adressiert und praxisnahe Lösungsmöglichkeiten aufzeigt. Die Vorschläge wurden mit Schreiben vom 2. November 2021 an das Bundesfinanzministerium übermittelt und dabei eine Einbeziehung der Wirtschaft in den weiteren Abstimmungsprozess gefordert.

DIHK wird berechtigte Anliegen der Unternehmen in den Gesetzgebungsprozess einbringen

Angesichts der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten, engen Umsetzungsfrist (31. Juli 2022) werden nunmehr die erforderlichen Abstimmungsprozesse innerhalb der Finanzverwaltungen und auf politischer Ebene Fahrt aufnehmen.

Die Reformvorschläge umfassen u.a. folgende unternehmensrelevante Punkte:

  • Der Sinn und Zweck der Verzinsung von Steuernachforderungen und - erstattungen besteht nicht in einer Sanktionierung von Steuerpflichtigen. Vielmehr soll durch eine Abschöpfung potenzieller Liquiditätsvorteile ausgeglichen werden, dass Steuern bei einzelnen Steuerpflichtigen aus verschiedenen Gründen zu unterschiedlichen Zeiten festgesetzt und fällig werden und diese hierdurch Zinsvorteile oder Zinsnachteile erlangen können (Vorteilsausgleich). Auch faktisch dürfen diese nicht den Charakter eines Strafzuschlages auf nachzuentrichtende Steuern erhalten. Hierzu sieht der Gesetzgeber ausdrücklich den Verspätungs- oder Säumniszuschlag vor.
  • Um das oben genannte Ziel zu erreichen, muss der Zinssatz unter Zugrundelegung des allgemeinen Zinsniveaus realitätsgerecht und möglichst marktnah festgesetzt werden.
  • Negative Zinssätze sollten ausgeschlossen werden.
  • Mit Blick auf die Komplexität der Zinsberechnung sollten keine unterjährigen Anpassungen des Zinssatzes vorgenommen werden.
  • Eine Anpassung sollte nur erfolgen, wenn ein bestimmter Schwellenwert überschritten wird.
  • Es sollte hinsichtlich der Zinshöhe keine Unterscheidung zwischen Nachzahlungs- und Erstattungszinsen vorgenommen werden.
  • Die symmetrische ertragsteuerliche Behandlung von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen sollte wiederhergestellt werden.
  • Die Regelungen sollten für alle Steuerarten gleichermaßen gelten und keine Sonderregelungen für die Gewerbesteuer vorsehen.
  • Die Möglichkeit freiwilliger Anzahlungen durch den Steuerpflichtigen sollte gesetzlich fixiert werden und eine Saldierung über alle Steuerarten („Steuerkonto“) vorgenommen werden. Sämtliche Berechnungen seitens des Finanzamts sollten leicht nachvollziehbar sein.

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Guido Vogt Referatsleiter Internationales Steuerrecht, Verfahrensrecht