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"Viele Projekte werden gar nicht erst gestartet"

Welche Hürden er in der Schwäbischen Alb vorfand, schildert Helmut Hertle
Porträtbild von Helmut Hertle

Kann nachvollziehen, wenn andere Investoren Repowering-Projekte auf Eis legen: Helmut Hertle, Geschäftsführer der TWS Netz GmbH

© TWS

Helmut Hertle möchte mit der TWS Netz GmbH für mehr grüne Energie in Baden-Württemberg sorgen. Warum das gar nicht so einfach ist und wie lange er mittlerweile auf eine Genehmigung für sein Projekt wartet, erzählt er im Interview.

Herr Hertle, TWS – welches Unternehmen steckt hinter dieser Abkürzung?

Die Technischen Werke Schussental sind ein kleines Stadtwerk zwischen Ulm und dem Bodensee. Wir haben 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und etwa 150 Millionen Euro Jahresumsatz. Wir versorgen die Region mit Wärme, Gas und Wasser. Seit zehn Jahren erzeugen wir auch Strom – und zwar grünen. Dafür haben wir Beteiligungen an Anlagen erworben und eigene Anlagen in Betrieb genommen. Und wir haben einen Windpark gekauft, der jetzt repowert werden soll.

Was heißt das – "Repowering"?

Ich erkläre das am besten konkret an unserem Windpark Lonsee. Dort stehen vier Windenergieanlagen. Diese Anlagen haben jeweils 47 Meter Rotordurchmesser und eine Nabenhöhe von 75 Metern.

Diese – aus heutiger Sicht – leistungsschwachen Anlagen möchten wir ersetzen. Die neuen Anlagen hätten einen Rotordurchmesser von 115 Metern und eine Nabenhöhe von 149 Metern. Je höher die Anlagen sind, desto mehr Energie wird erzeugt – weil die Windgeschwindigkeit mit der Höhe steigt. Um das in ein Verhältnis zu setzen: Wir könnten auf der gleichen Fläche den Energieertrag durch die neuen Anlagen mehr als verdreifachen.

Klingt nicht verkehrt. Warum wurde das Projekt nicht längst umgesetzt?

In der Nähe der Anlagen, etwa zehn Kilometer entfernt, steht eine Radarstation des Deutschen Wetterdienstes. Dort wird die Umgebung auf unterschiedlichen Höhen mit Radarwellen abgetastet, um Unwetter vorhersagen zu können. Die Betreiber hatten die Sorge, dass die erneuerten Anlagen das Ergebnis unwiederbringlich verfälschen könnte. Wir konnten das mit einem Gutachten widerlegen, das hat aber viel Zeit in Anspruch genommen.

Dann haben wir im Bereich unserer Anlage ein hohes Aufkommen des Rotmilans. Dieser Vogel ist besonders geschützt. Er baut seine Nester im Waldrand und geht auf den Feldern der Landwirtschaft auf Beutejagd. Der Flugweg dorthin führt durch unsere Anlagen. Die Genehmigungsbehörde hatte Bedenken, dass durch die sich drehenden Rotorblätter Vögel zu Schaden kommen könnten und der Bestand gefährdet wird.

Ihr Anliegen steht also im Widerspruch zu Wettervorhersage und Artenschutz?

Überhaupt nicht! Der Windpark steht an dieser Stelle seit nunmehr 20 Jahren. In diesen 20 Jahren gab es zuverlässige Wettervorhersagen. Die sind wichtig für den Flughafen Stuttgart. Hätte es dort Probleme gegeben, wäre das in der Vergangenheit längst thematisiert worden.

Und die Anzahl der Rotmilan-Brutpaare ist seit 2012 stark angewachsen. Das können wir mit unseren Erhebungen belegen. Rund um die Anlagen kam es also nicht zu einer Dezimierung des Bestands – im Gegenteil.

Da frage ich mich: Wenn an einem Ort seit 20 Jahren ein Windpark steht und weder die Wettervorhersage unlösbar erschwert noch dem besonders schützenswerten Vogelbestand geschadet wird – warum werden dann ausgerechnet diese zwei Argumente gegen die Erneuerung des Parks angeführt? Das ist nur schwer zu verstehen, eigentlich gar nicht.

Hand aufs Herz – würden Sie mit dem Wissen von heute das Projekt noch einmal anpacken?

Wir arbeiten jetzt seit 2012 an der Umsetzung des Repowerings. Das sind neun Jahre. Eine lange Zeit. Ein Projektabbruch war mehrmals Thema. Weil wir eine stabile und vor allem niedrige Zinslage hatten und unsere Eigentümer bereit sind, langfristige Zielen zu verfolgen, haben wir dennoch an unserem Vorhaben festgehalten. Doch die Rendite wird mit jedem zusätzlichen Jahr des Genehmigungsverfahrens bescheidener.

Für uns gibt es jetzt zwar endlich Licht am Ende des Tunnels, weil die Genehmigungsbehörde eine Ausnahmeregelung für unseren Windpark in Aussicht gestellt hat. Aber ich kann nachvollziehen, wenn andere Träger oder Investoren Projekte auf Eis legen oder gar nicht erst starten, weil die Verfahren zu teuer, zu langwierig und damit unkalkulierbar sind.

Kontakt

Porträtfoto Urban Comploj
Urban Comploj Referatsleiter Texte und Reden

Zur Person

Helmut Hertle ist seit 2007 Geschäftsführer der TWS Netz GmbH und unter anderem für den Aufbau des Geschäftsfelds "Erneuerbaren Energie" verantwortlich.

Die TWS Netz GmbH ist ein Tochterunternehmen der Technische Werke Schussental GmbH & Co. KG in Ravensburg und Mitglied der IHK Bodensee-Oberschwaben.