Wer an seiner Entscheidung für ein Studium zweifelt oder sich sogar bereits exmatrikuliert hat, für den kann der Einstieg in eine Ausbildung genau das Richtige sein. Dabei entpuppen sich Azubis, die dem Hörsaal den Rücken gekehrt haben, um etwas Praktisches zu machen, oft als Leistungsträger im Unternehmen. Das IHK-Berufsbildungsmagazin "Position" hat Menschen gefragt, die es wissen müssen.
Dieser Artikel erschien erstmals im IHK-Berufsbildungsmagazin "Position" III/2021.
Eine Sache will Hubert Schöffmann gleich am Anfang klarstellen. Das Wort "Studienabbrecher", sagt Schöffmann, sei falsch, wenn man über diejenigen spreche, die ihr angefangenes Studium nicht beenden, sondern sich für eine Ausbildung entscheiden. Vielmehr seien das doch "Spurwechsler", meint der bildungspolitische Sprecher der bayerischen Industrie- und Handelskammern. Denn: "Ein Spurwechsel ist kein Beinbruch, es ist nicht das Ende der Karriere." Dann wird er noch deutlicher: "Viele Studenten, die sich von Klausur zu Klausur durchkämpfen, verschwenden ihr Talent an der Hochschule."
Allerdings muss diese Einschätzung aus Sicht von Schöffmann vor allem zu vielen jungen Menschen noch durchdringen. Er ist überzeugt, dass noch mehr Unternehmen und Auszubildende als bislang von zusätzlicher Motivation in ihren Reihen durch Spurwechsler profitieren könnten: "Das Potenzial ist noch nicht voll ausgeschöpft."
Praxisbeispiel Rohde & Schwarz
Die Auffassung von Hubert Schöffmann kann Alexandra Dissler nur bestätigen. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet sie in ihrer Funktion als kaufmännische Ausbilderin beim Münchner Technologiekonzern Rohde & Schwarz mit Menschen, die sich nach dem Ende ihrer Schulzeit noch einmal neu entschieden haben: weg vom begonnenen Studium. Hin zu einer dualen Ausbildung. "Ich arbeite sehr gerne mit diesen jungen Menschen", sagt sie.
Ausbilderin Alexandra Dissler (l.) hat mit Ex-Azubi Helena Riedel gute Erfahrungen gemacht
Nach den Erfahrungen von Dissler sind es gleich mehrere Gründe, die Spurwechsler zu guten Auszubildenden machen. Manche, die für sie selbst und ihre Beziehung zu ihrem Ausbildungsunternehmen gelten. Manche, die auch für andere Lehrlinge in einer Firma relevant sind.
Besonders reif, selbstständig ...
Zu ersteren Gründen, sagt Dissler, gehöre, dass Spurwechsler in der Regel reifer seien als Auszubildende, die direkt nach der Schule in einem Unternehmen anfangen. "Dadurch sind sie selbstständiger." Das schließe auch mit ein, dass sie durch ihr Studium meist gelernt hätten, sich selbst zu organisieren – unabhängig davon, dass ihnen ihr Studienfach am Ende in der Regel doch fremd geblieben sei.
Vielen Spurwechslern sei der Unterricht an einer Hochschule zu theoretisch, berichtet die Ausbilderin; so wie das auch bei Helena Riedel der Fall war, die bei Dissler schließlich zur Industriekauffrau ausgebildet wurde, nachdem sie ihr BWL-Studium abgebrochen hatte. Dass diese Theorielastigkeit eine zentrale Ursache für Studienabbrüche ist, weiß auch Schöffmann.
... motiviert und motivierend
Laut Dissler sind junge Menschen, die bereits an einer Hochschule waren, in der Lage, ganze Gruppen von Auszubildenden mitzuziehen. "Die sind von den Noten her meist sehr gut", sagt sie. Und weil sie schon ein Studium abgebrochen hätten, seien sie überaus motiviert, ihre Ausbildung zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. In Disslers Verantwortungsbereich gebe es in der Regel Gruppen von etwa zehn Auszubildenden, bei denen sich immer wieder zeige, dass diese Leistungsfähigkeit in Verbindung mit dieser Motivation auch andere Auszubildende ansporne.
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- Ausbildung
Veröffentlicht 16.12.2025
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Sebastian Haak
freie Autorin