Unternehmen stoßen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen in der EU seit Jahren auf hohe bürokratische Hürden, besonders bei der Entsendung von Mitarbeitenden. Ein EU-weit einheitliches Webportal mit Standardformular kann Zeit und Kosten deutlich senken und Rechtssicherheit erhöhen. Die DIHK befürwortet den Ansatz der Kommission, sieht aber die freiwillige Teilnahme der Mitgliedstaaten kritisch. Für spürbare Entlastung braucht es Verbindlichkeit, Mehrsprachigkeit und schlanke Datenanforderungen.
Das Wichtigste in Kürze
- Einheitliches EU-Webportal mit IMI-Anbindung für Entsendemeldungen geplant.
- DIHK befürwortet Standardformular und Mehrsprachigkeit für weniger Bürokratie.
- Freiwillige Nutzung durch Mitgliedstaaten würde Wirkung deutlich begrenzen.
- Integration der A1-Bescheinigung und klare Kurzfristmeldungen sind zentral.
- Spezielle Unterstützung für KMU erhöht Nutzbarkeit und Teilnahme.
Hintergrund
Der EU-Binnenmarkt beruht auf den Grundfreiheiten; dennoch erschweren unterschiedliche nationale Vorgaben die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen. Aktuell müssen Entsendungen in vielen Mitgliedstaaten über jeweils eigene Portale und in unterschiedlichen Sprachen mit abweichenden Angaben gemeldet werden. Die Kommission schlägt eine öffentliche Schnittstelle vor, die an IMI angebunden ist und ein gemeinsames elektronisches Format für Entsendemeldungen bereitstellt. Dazu soll die Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 angepasst werden. Ein mehrsprachiges EU-Portal und ein Standardformular mit nur notwendigen Feldern sollen die Meldeverfahren vereinfachen. Die A1-Bescheinigung zur Sozialversicherung ist derzeit nicht Teil der geplanten Schnittstelle; in der Praxis bestehen hierzu abweichende nationale Anforderungen. Die Teilnahme der Mitgliedstaaten an zentralen Schnittstelle ist im EU-Vorschlag freiwillig.
Was für Unternehmen wichtig ist
- Eigenerklärungen und bestehende Tools (EEE, ECertis) gezielt nutzen; Nachweise erst bei Zuschlagsnähe liefern.
- Frühzeitig digitale Anforderungen klären (eIDAS, Identitätsnachweise), Prozesse und Daten für elektronische Vergaben vorbereiten.
- Preisrisiken in Langfristverträgen adressieren: Stoffpreisgleitklauseln prüfen und fair verhandeln.
- Subunternehmerplanung beachten: Beteiligung von Nachunternehmen ermöglichen, insbesondere für KMU.
- Ausschreibungsunterlagen genau prüfen und Rückfragen stellen; bei überzogenen Anforderungen die Eignungsrelevanz hinterfragen.
Forderungen der DIHK
- EU-weite Verpflichtung aller Mitgliedstaaten zur Nutzung der öffentlichen IMI-Schnittstelle, mit klarer Übergangsfrist; nationale Portale anschließend ablösen.
- Standardformular mit nur zwingend erforderlichen Angaben; zusätzliche Felder optional und eindeutig getrennt, um Dopplungen zu vermeiden.
- Mehrsprachigkeit in allen EU-Amtssprachen und nutzerfreundliches Design für schnelle, kurzfristige Meldungen.
- Einbindung der A1-Bescheinigung in das Portal; europaweit einheitliche Praxis ohne Vorabpflicht, im Einklang mit der EuGH-Rechtsprechung.
- Weiterentwicklung zu einem Single Digital Gateway für administrative Verfahren im Binnenmarkt und Umsetzung des Once-Only-Prinzips; flankierende Schulungen und technischer Support für KMU.
FAQ
Häufig gestellte Fragen
Was ändert sich mit der geplanten EU-Schnittstelle?
Ein zentrales, EU-weit nutzbares Webportal soll Entsendemeldungen nach einem Standardformular ermöglichen. Dadurch sinken Komplexität und Zeitaufwand gegenüber heterogenen nationalen Meldewegen.
Müssen Unternehmen schon jetzt etwas umstellen?
Nein. Solange das Portal nicht verbindlich eingeführt ist, gelten die bisherigen nationalen Verfahren. Unternehmen sollten jedoch ihre Entsendeprozesse prüfen und Datenfelder vorbereiten, um später schnell umsteigen zu können.
Bleibt die A1-Bescheinigung erforderlich?
Die A1-Bescheinigung bleibt als Nachweis der Sozialversicherung grundsätzlich relevant. Der DIHK setzt sich dafür ein, die A1-Beantragung über das EU-Portal zu ermöglichen und keine verpflichtende Vorabbeantragung vorzuschreiben; bis dahin sind nationale Vorgaben zu beachten.
Wie werden kurzfristige Einsätze abgebildet?
Kurzfristige oder spontane Entsendungen sind in vielen Branchen üblich. Das Portal sollte Meldungen mit sehr kurzen Fristen ermöglichen; Unternehmen sollten intern Vorlagen und Zuständigkeiten für Eilfälle definieren.
Ist der Datenschutz gewährleistet?
Die Anbindung an das IMI erfordert hohe Sicherheits- und Datenschutzstandards. Bei Einführung des Portals sollten Unternehmen Zugriffsrechte, Datenspeicherung und Compliance prüfen und entsprechend dokumentieren.
Download
DIHK-Stellungnahme zur EU-Schnittstelle für Entsendemeldungen im Binnenmarkt (PDF, 142 KB)
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Veröffentlicht 29.01.2025
Aktualisiert 17.12.2025
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