19.12.2025 - Der aktuelle Fachkräftereport der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) zeigt: Die schwache Wirtschaftslage dämpft den Personalbedarf der Unternehmen, gleichzeitig bleibt die Fachkräftesicherung in vielen Bereichen eine der größten Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft.
Von den fast 22.000 an der Umfrage beteiligten Unternehmen berichten 36 Prozent, dass sie offene Stellen zumindest teilweise nicht besetzen können, weil geeignetes Personal fehlt. Zwar ist dieser Anteil gegenüber dem Vorjahr um sieben Prozentpunkte gesunken, dennoch bleibt die Lage angespannt. Besonders betroffen ist der Mittelstand: Mehr als 40 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen kämpfen mit Stellenbesetzungsschwierigkeiten. Gleichzeitig gibt fast die Hälfte aller Betriebe an, derzeit keinen Personalbedarf zu haben - ein Plus von fünf Prozentpunkten.
„Die vermeintliche Entspannung beim Fachkräftemangel ist trügerisch“, warnt Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der DIHK. „Ein wachsender Anteil der Unternehmen reduziert zwar aktuell seine Personalnachfrage als Folge der strukturellen Wirtschaftsschwäche hierzulande. Vor allem die beschleunigte demografische Entwicklung in den kommenden Jahren durch die ausscheidenden Baby-Boomer stellt die Wirtschaft in der Breite aber zugleich vor enorme Herausforderungen. Fachkräftesicherung muss deshalb weiter ganz oben auf der politischen Agenda stehen. Eine Politik für Wachstum und Wohlstand in Deutschland muss sich auf zwei Säulen stützen – Strukturreformen zur Entlastung der Unternehmen einerseits und eine Strategie für mehr Fachkräfte und Erwerbsbeteiligung andererseits.“
Fachkräfte mit dualer Berufsausbildung gefragt
Nach den Rückmeldungen aus den Unternehmen sind vor allem Fachkräfte mit dualer Berufsausbildung gefragt: 57 Prozent der Unternehmen mit Besetzungsproblemen finden keine geeigneten Bewerberinnen und Bewerber in diesem Segment. Im Unterschied zu den anderen Qualifikationsniveaus hat sich dieser Anteil gegenüber dem Vorjahr sogar leicht erhöht. Auch Personal mit Weiterbildungs- und Hochschulabschlüssen ist rar. „Gerade in den Schlüsselbranchen wie Digitalisierung, Energie und Infrastruktur fehlen häufig die Spezialisten. Das ist für die Energiewende, für Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie für den Einsatz neuer Technologien gleichermaßen eine Wachstumsbremse. Es wird einmal mehr deutlich: Ohne ausreichend Fachkräfte stehen viele – auch politisch und gesellschaftlich gewollte – Ziele auf dünnem Eis.“
Die große Sorge der Unternehmen angesichts des drastischen Rückgangs der Menschen im Erwerbsalter zeigt sich auch in den Antworten zur künftigen Entwicklung: 83 Prozent der Unternehmen erwarten in den kommenden Jahren negative Auswirkungen durch Arbeits- und Fachkräftemangel. Dieser Anteil ist gegenüber 2023 nochmal angestiegen. Damit berichten zwar weniger Betriebe von Engpässen am aktuellen Rand, gleichzeitig erwarten mehr Betriebe künftig zunehmend negative Auswirkungen des Fachkräftemangels auf ihre unternehmerischen Aktivitäten. Dercks: „Die demografische Entwicklung verschärft von Jahr zu Jahr die Herausforderungen für die Betriebe – selbst bei einer schwächeren Personalnachfrage im Fall einer fortgesetzten Wirtschaftsschwäche.“
Steigende Arbeitskosten (63 Prozent) stehen bei den erwarteten Folgen ganz oben: Fachkräfteengpässe erhöhen somit diese Kosten zusätzlich, die die Betriebe vor allem durchhohe Sozialbeiträge ohnehin schon unter Druck setzen. Es folgen die Mehrbelastungen für die Belegschaft (55 Prozent) und befürchtete Einschränkungen des Angebots von Waren und Dienstleistungen (36 Prozent). Zudem droht der Verlust betriebsspezifischen Wissens durch altersbedingtes Ausscheiden erfahrener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Welche Maßnahmen jetzt helfen können
„Wir müssen alle Potenziale heben – von der Weiterbildung über die Zuwanderung bis hin zur Beschäftigung älterer Menschen“, betont Dercks. Ein wesentlicher Baustein zur Fachkräftesicherung ist die stärkere Aktivierung von Frauen im Arbeitsmarkt. Sie stellen eines der größten Potenziale dar – insbesondere Mütter sind überwiegend in Teilzeit mit einer recht geringen Stundenzahl beschäftigt. „Eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf bleibt eine Daueraufgabe. Eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür ist ein gutes und flexibles Kinderbetreuungsangebot“, so Dercks. Derzeit fehlen aber immer noch 300.000 Kitaplätze in Deutschland, in erster Linie in den westlichen Bundesländern. Gesicherte und flexible Öffnungszeiten sowie die Abdeckung von Rand- und Ferienzeiten sind weitere wichtige Aspekte. Und schließlich ist es notwendig, den Ausbau der Ganztagsgrundschulen voranzutreiben, um Eltern nach dem Übergang ihrer Kinder in die Grundschule die Vereinbarkeit weiter zu ermöglichen.
Mit den so genannten Babyboomern gehen in den kommenden Jahren insgesamt mehrere Millionen Fachkräfte in den Ruhestand. Die (Weiter-)Beschäftigung Älterer bietet daher große Chancen für die Fachkräftesicherung. Mit der Aktivrente ist die Bundesregierung jetzt einen ersten Schritt gegangen, weitere müssen aber folgen. „Die Politik sollte dringend weitere Anreize schaffen, damit erfahrene Fachkräfte länger im Erwerbsleben bleiben.“ Dazu gehört dringend die Abschaffung der abschlagsfreien Rente nach 45 Versicherungsjahren.
Arbeits- und Fachkräftezuwanderung aus dem Ausland ist ebenfalls ein wichtiges Instrument der Fachkräftesicherung. „Neben transparenten arbeitsmarktorientierten Zuwanderungsregelungen brauchen wir effiziente, unbürokratische und schnelle Verwaltungsverfahren“, fordert Achim Dercks. Die von der Bundesregierung geplante digitale „Work-and-stay-Agentur“ (WSA) muss zügig umgesetzt werden. Die WSA als „One-Stop-Government“ sollte auch für die Betriebe eine zentrale Anlaufstelle sein, um die gesamte Antragstellung im Zuwanderungsprozess über ein digitales Portal abzuwickeln.
Der DIHK-Fachkräftereport macht deutlich: Der Fachkräftemangel wird in den kommenden Jahren eine zentrale Herausforderung sein. „Die Fachkräftesicherung ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Das muss uns allen bewusst sein. Wenn wir nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen, gefährden wir die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts“, so Dercks abschließend.
Die Umfrageergebnisse stehen hier zum Download bereit:
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Veröffentlicht 19.12.2025
Pressekontakt
Dominik Ohlig
Pressesprecher – Chef vom Dienst