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Aktuelle Energiewende-Politik kostet bis zu 5,4 Billionen Euro

DIHK präsentiert Studie und fordert Kurswechsel
Zwei Wege und eine Wasserstraße führen in einen Sonnenaufgang mit Windrädern

Wie könnten alternative Wege für die Energiewende aussehen?

© den-belitsky / iStock / Getty Images Plus

Die Energiewende in ihrer aktuellen Ausgestaltung führt langfristig zu massiven Kostenbelastungen für Unternehmen und Haushalte, die mit der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland nur schwer vereinbar sind. Das geht aus der Studie "Neue Wege für die Energiewende ('Plan B')" hervor.

Bei Fortführung der aktuellen Energiepolitik müssten sich die jährlichen privaten Investitionen in den Sektoren Energie, Industrie, Gebäude und Verkehr mehr als verdoppeln – von rund 82 Milliarden Euro im Mittel der Jahre 2020 bis 2024 auf mindestens 113 bis 316 Milliarden Euro im Jahr 2035. 

Das zeigt die von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) beauftragte Studie, in der die Wirtschaftsberatungsgesellschaft Frontier Economics den derzeitigen Kurs in der Energiepolitik analysiert und Alternativen aufgezeigt hat.

Grafik: Jährliche Investitionsbedarfe der Energiewende auf Basis einer Meta-Analyse von zehn Studien

Grafik Investitionsbedarfe

© Frontier Economics

Peter Adrian dynamisch

Peter Adrian

© DIHK / Werner Schuering

"Die Zahlen zeigen: Mit der aktuellen Politik ist die Energiewende nicht zu stemmen", sagt DIHK-Präsident Peter Adrian. "Dabei funktioniert die Energiewende nur mit einer leistungsfähigen Wirtschaft."

Investitionen in die Energiewende stehe häufig kein direkter Ertrag gegenüber, gibt er zu bedenken. Deshalb müssten diese Gelder erst an anderer Stelle erwirtschaftet werden.  "Die Belastung von Unternehmen und Bevölkerung erreicht jedoch ein Niveau, das unseren Wirtschaftsstandort, unseren Wohlstand und damit auch die Akzeptanz der Energiewende gefährdet."

Zum Vergleich: Die gesamten privaten Investitionen in Deutschland betrugen im Jahr 2024 insgesamt rund 770 Milliarden Euro. Zur Umsetzung der Energiewende müssten sie, wie die Berechnungen aus der Studie zeigen, um 15 bis 41 Prozent steigen.

Hohe Energiesystemkosten belasten Unternehmen

Durch die Energiewende werden auch die Energiesystemkosten in den nächsten Jahren stark zunehmen. Dazu zählen neben Investitionen in die inländische Energieerzeugung und Infrastrukturen auch die laufenden Kosten zum Beispiel für den Betrieb von Netzen und Kraftwerken sowie Ausgaben für Energieimporte. Insgesamt schätzt die Studie diese Kosten auf 4,8 bis 5,4 Billionen Euro für den Zeitraum 2025 bis 2049. Davon entfallen 2,0 bis 2,3 Billionen Euro auf Energieimporte, 1,2 Billionen Euro auf Netzkosten (Investitionen und Betriebskosten), 1,1 bis 1,5 Billionen Euro auf Investitionen in die Energieerzeugung und rund 500 Milliarden Euro auf den Betrieb von Erzeugungsanlagen. 

Grafik: Gesamtkosten des Energiesystems durch die Energiewende bei einer Fortsetzung des Status quo, 2025-2049

Grafik Gesamtkosten Energiewende beim Status quo

© Frontier Economics

 

"Ein zu hoher Transformationsdruck in Form unrealistischer Vorgaben führt zu extrem hohen und weiter steigenden Kosten, Fehlallokationen und Ineffizienzen", sagt Adrian. Die deutsche Wirtschaft ziehe bereits Konsequenzen: "Energieintensive Unternehmen verlagern ihre Produktion und damit Arbeitsplätze schon jetzt verstärkt ins Ausland."

Der DIHK-Präsident warnt: "Wenn wir den aktuellen Weg der Energiepolitik unter diesen Vorgaben weitergehen, gefährden wir nicht nur den Wirtschaftsstandort Deutschland, sondern erweisen auch dem notwendigen Ziel der Klimaneutralität einen Bärendienst." Es brauche dringend ein Umdenken in der Energiepolitik, um die Belastungen durch die Energiewende in Deutschland zu reduzieren.

Studie setzt Denkanstöße für kosteneffizientere Energiewende

Dr. Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer

Achim Dercks

© DIHK / Werner Schuering

Die Studie von Frontier Economics macht hierzu konkrete Vorschläge und skizziert in Teilen einen grundlegenden Kurswechsel in der Energiepolitik. "Die Studie setzt wichtige Impulse. Wir müssen gesamtgesellschaftlich ohne Scheuklappen darüber diskutieren, was möglich ist", sagt Achim Dercks, stellvertretender DIHK-Hauptgeschäftsführer. 

Zentrales Instrument in dem Modell, das die Studie vorschlägt, ist ein umfassender CO2-Zertifikatehandel. Der Zielpfad wird regelmäßig an die Entwicklung einer internationalen Peer Group angepasst, um ambitionierten Klimaschutz zu erreichen, ohne Nachteile durch nationale Alleingänge für den Standort Deutschland zu erzeugen. 

Zudem sieht das Konzept vor, die Regulierung umfassend zu entschlacken, den Technologiewettbewerb zu verstärken sowie die vorhandene Energieinfrastruktur weiter zu nutzen. Letzteres gilt insbesondere für Gasnetze, die künftig Wasserstoff und klimaneutrales Erdgas – dekarbonisiert durch die Abscheidung und Speicherung von CO2 ("Carbon Capture and Storage", CCS) – transportieren können. Ergänzend sollen Investitionen in zertifizierte Klimaschutzprojekte im Ausland auch in Deutschland anrechenbar sein.

Grafik: Reduktion der Systemkosten durch "Plan B" bis 2050

Grafik Systemkosteneinsparung durch Plan B

© Frontier Economics

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich mit dieser Strategie 530 bis 910 Milliarden Euro bis 2050 einsparen ließen. Dies entspricht einer Reduktion von etwa 11 bis 17 Prozent der geschätzten Gesamtkosten der Energiewende. Weitere Kosteneinsparungen von 80 bis 220 Milliarden Euro können durch eine Verschiebung des Ziels der Klimaneutralität um beispielsweise zwei Jahre entstehen. Insgesamt ergeben sich durch das Konzept – je nach Nutzungsgrad der internationalen Kooperation – Einsparmöglichkeiten von potenziell weit über einer Billion Euro bis 2050.

Auch kurzfristige Kostensenkungspotenziale nutzen

"Die Studie enthält Anregungen für eine langfristige Neuausrichtung der Energiewende. Gleichzeitig müssen wir die Vorschläge der Studie auch ganz praktisch kurzfristig nutzen", sagt Dercks. "Aus DIHK-Sicht gehört dazu eine übergreifende Netzplanung, ein Auslaufen der Erneuerbaren-Förderung für bereits wirtschaftliche Anlagen und ein effizienterer Energiemix, der auch den Einsatz von Biomethan, blauem Wasserstoff oder mit CCS dekarbonisiertem Erdgas technologieoffen berücksichtigt." Zudem sei es besser, den Bau neuer Gaskraftwerke nicht über eine staatliche Förderung, sondern über marktwirtschaftliche Anreize zu steuern – wie einer Absicherungspflicht für Stromversorger.

Auch kleinteilige Regulierung, Komplexität und bürokratische Prozesse stehen der Energiewende im Weg und kosten Akzeptanz: "Die Transformation stockt bei Unternehmen und Verbrauchern, weil sie durch energiewendebedingte Regulierung und Bürokratie belastet und zunehmend überfordert sind", erklärt der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer. "Insbesondere auf EU-Ebene ist durch den Green Deal ein Wildwuchs an Bürokratie entstanden, den wir dringend zurückdrängen müssen." Auf nationaler Ebene sollten nach Auffassung der DIHK das Gebäudeenergiegesetz vereinfacht und die Effizienzgesetzgebung verschlankt werden. 

Dercks' Appell: "Noch in diesem Jahr stehen in der Bundesregierung wichtige Richtungsentscheidungen in der Energiepolitik an. Klar ist: Um die Energiewende erfolgreich zu gestalten, muss sie flexibler und einfacher werden. Es braucht eine Energiewende, die technologieoffen ist, Kosten reduziert, Raum für Innovationen schafft und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als Voraussetzung für wirksamen Klimaschutz ernst nimmt."

Die gesamte Studie "Neue Wege für die Energiewende ('Plan B')" gibt es zum Download auf der Website von Frontier Economics.

Diskussion Studie Frontier

Über die Studie diskutierten in Berlin (v. l.) Lars Baumgürtel, ZINQ GmbH & Co. KG, Johanna Reichenbach, Frontier Economics, Achim Dercks, DIHK, Stephanie von Ahlefeldt, Bundeswirtschaftsministerium, und Andreas Löschel, Ruhr-Universität Bochum

© DIHK / Jens Schicke

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Porträtfoto Ulrike Beland
Dr. Ulrike Beland Referatsleiterin ökonomische Fragen der Energie- und Klimapolitik

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Julia Löffelholz
Julia Löffelholz Pressesprecherin

Konkrete Maßnahmen zur Neuausrichtung der Energiewende

Von der sektorübergreifenden Betrachtung der Infrastruktur bis zum Abbau von Komplexität und Regulierung: 
In einem Begleitpapier zur Studie unterbreitet die DIHK