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Berliner Prozess: Der westliche Balkan auf dem Weg in die EU

DIHK und AHKs zeigen Erfolge und Herausforderungen auf
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Brücken zwischen den Westbalkan-Staaten möchte der Berliner Prozess stärken

© Donyanedomam / iStock / Getty Images Plus

Anlässlich des Westbalkanforums am 24. September im Bundeswirtschaftsministerium ziehen die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) und die deutschen Auslandshandelskammern (AHKs) der Region eine erste Zwischenbilanz zum 10. Jahrestag des Berliner Prozesses.

Am Westbalkan-Forum in Berlin nehmen neben Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Vertreter der DIHK, der AHKs in der Region, des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft sowie des Western Balkan 6 Chambers Investment Forums teil.

Nach Einschätzung der DIHK hat der Berliner Prozess, der die Zusammenarbeit in der Region untereinander und mit der EU fördern soll, in den vergangenen zehn Jahren die regionale Integration der sechs Partner (WB6) – Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien – in vielen Punkten vorangebracht. Die Wachstumsdynamik des Wirtschaftsraums unterstreicht diese Entwicklung. Im Jahr 2023 wuchs der bilaterale Handel Deutschlands mit den WB6 im Vergleich zum Vorjahr um knapp sechs Prozent.  

Volker Treier erklärend 2022

Volker Treier

© DIHK / Werner Schuering

"Wir haben in den vergangenen Jahren viele Fortschritte erreicht. Die dynamisch wachsenden Handelszahlen sind ein guter Beleg dafür", betont DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Der Berliner Prozess könne und müsse in den nächsten Jahren eine zentrale Rolle dabei spielen, die wirtschaftliche Integration fortzuschreiben und die Verständigung in der Region zu fördern. Ein intensiver Dialog mit der Wirtschaft müsse dazu genauso geführt und weiterentwickelt werden, wie die Harmonisierung hin zu einem Wirtschaftsraum vorangetrieben werden.

Vieles hat sich schon bewegt ...

In den vergangenen zehn Jahren gab es vielfältige Aktivitäten. Unter anderem ist damit begonnen worden, Grundlagen für einen Regionalen Wirtschaftsraum (Regional Economic Area) zu schaffen, in der sich Waren, Dienstleistungen, Investitionen und Arbeitskräfte frei bewegen können beziehungsweise frei bewegt werden können. Die Transportgemeinschaft (Transport Community) wurde als Institution etabliert, und mit dem Chamber Investment Forum als regionalem Zusammenschluss der nationalen Wirtschaftskammern entstand eine Plattform, auf der sich die Akteure der verfassten sowie der privaten Wirtschaft besser vernetzen können.

Gleichzeitig haben die AHKs in den WB6 die Zusammenarbeit untereinander sowie mit den bilateralen Wirtschaftsvereinigungen mit Deutschlandbezug vor Ort intensiviert. Nahezu jedes größere AHK-Projekt in der Region wird mittlerweile mit Bezug zum Westbalkan oder in Kooperation mit anderen AHK-Standorten in den WB6 durchgeführt.

Dank gilt auch den deutschen Industrie- und Handelskammern und Germany Trade and Invest, die regelmäßig Initiativen aus den WB6 unterstützen und Veranstaltungen durchführen, um die deutsche Wirtschaft über die Region zu informieren und ihre Potentiale aufzuzeigen.

Darüber hinaus werden durch das Western Balkan Investment Framework der Europäischen Union, die EU-Vorbeitrittshilfen und den New Growth Plan Aktivitäten zur regionalen Integration finanziell unterstützt.

... aber Unternehmen stehen weiter vor Herausforderungen

Trotz dieser Fortschritte stehen nationale und internationale Unternehmen in der Region vor Herausforderungen, die zentral für die Aktivitäten des Wirtschaftsstandorts sind.

Dazu zählen geopolitische Spannungen, die Frage der Umsetzung des Acquis Communautaire in den WB6, der Fortschritt beim EU-Beitritt, der Wettbewerbsfähigkeit der lokalen Wirtschaft im Vergleich zu europäischen und internationalen Märkten sowie die Migration über die Balkanroute sowie die Arbeitskräfteabwanderung.

Es sei von entscheidender Bedeutung, dass die Regierungen vor Ort Perspektiven für die junge Generation schaffen, um die Abwanderung qualifizierter Fachkräfte ("Brain Drain") zu begrenzen, so der DIHK-Außenwirtschaftschef. Treier unterstreicht auch hier die Rolle deutscher Unternehmen: "Investitionen und Partnerschaften sind nur dann möglich, wenn die Attraktivität der Region gestärkt wird. Das ist entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung der WB6." Deutsche Unternehmen leisteten ihren Beitrag dafür, schafften Arbeitsplätze und seien auch in Zukunft ein verlässlicher Partner für diesen Prozess.

Ein Knackpunkt stelle auch der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) dar, der in der WB6-Region noch wenig bekannt sei. "Hier ist dringend Aufklärungsarbeit erforderlich", so Treier. "Nur so können Widerstände abgebaut und wirtschaftliche Chancen entwickelt werden."

Für die kommenden Jahre sehen DIHK und AHKs folgende Schwerpunkte:

In den WB6 sollte das Bewusstsein für die EU als Wertegemeinschaft gestärkt werden. Investoren vor Ort, aus der EU sowie die verfasste Wirtschaft der WB6 können eine wichtige Rolle dabei spielen, die Vorteile eines EU-Beitritts klarer herauszuarbeiten und in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Dazu gehören die Grundfreiheiten des europäischen Binnenmarktes, wie der freie Verkehr von Menschen, Kapital, Dienstleistungen und Gütern.

Wir unterstützen den Ansatz des Berliner Prozesses, den Dialog mit der Wirtschaft zu intensivieren. Zahlreiche Formate und Maßnahmen wurden in den vergangenen Jahren unter Einbeziehung der verfassten Wirtschaft und von Unternehmen durchgeführt. So sollten Formate wie die Digital Summits und regelmäßige Wirtschaftsforen mit thematischem Fokus auf Chancen und Herausforderungen fortgesetzt werden, um die Beteiligung von Wirtschaftsakteuren an politischen Entscheidungsprozessen zu stärken und Lösungen für zukünftige Aufgaben zu erarbeiten.

Wir befürworten die Schaffung gemeinsamer regionaler Formate und Foren, in denen sich Wirtschaftsakteure regelmäßig austauschen können, um wichtige Themen und Projekte zu besprechen. Damit wird das Ziel, die WB6 weiter zu einem starken und zusammenhängenden Wirtschaftsraum zu entwickeln unterstützt und forciert. Diese Formate bieten die Möglichkeit, länderübergreifende Projekte anzustoßen und bestehende Hürden abzubauen.

Die erfolgreiche Ansiedlung vieler deutscher und internationaler Unternehmen in der Region in den vergangenen Jahren zeigt, dass der Standort bereits jetzt für Investoren attraktiv ist. Die erfolgreiche Einkaufsinitiative Westbalkan beweist seit zehn Jahren, dass Unternehmen der Region in die Lieferketten europäischer Firmen gut integriert sind. Hier wurden viele langlebige Partnerschaften entwickelt. Internationale Praktikanten- und Stipendienprogramme tragen ebenfalls zur Integration bei. Regierungen sollten ihren Beitrag leisten, Fachkräfte in der Region zu halten und das regulatorische Umfeld so zu gestalten, dass sich ein industrieller Mittelstand erfolgreich entwickeln kann. Dazu zählen unter anderem qualitativ hochwertige Bildungs- und Gesundheitssysteme sowie eine transparente und effiziente Verwaltung.

Angesichts der langen Wartezeiten an den EU-Grenzübergängen für den Lkw-Verkehr aus den WB6 sollte der Ausbau der Infrastruktur und die Ausstattung der Zollbehörden vorangetrieben werden:

Die Abfertigungskapazitäten für Authorised Economic Operators (AEO) und deren Fahrzeuge sollten stetig erweitert werden, da derzeit stunden- oder tagelange Wartezeiten auf den Anfahrtsstraßen, die oft nur einspurig sind, an der Tagesordnung sind.

Kontrollen sollten, wo möglich, gemeinsam durch die staatlichen Organe beider Seiten durchgeführt werden, um die Abwicklungsdauer deutlich zu verkürzen.

Die technische Ausstattung an Zollstellen muss weiter verbessert werden, zum Beispiel durch mehr Fracht- respektive LKW-Scanner.

Besonderes Augenmerk sollte auf den Ausbau des grenzüberschreitenden Eisenbahntransports sowie auf den Ausbau des Schienennetzes in den WB6-Staaten gelegt werden.

CBAM ist in der WB6-Region noch weitgehend unbekannt, obwohl zahlreiche Informationsangebote durch die AHKs vor Ort, die nationalen Kammern sowie andere Akteure wie verschiedene europäische und nationale Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt werden.

Eine unzureichende Vorbereitung der Unternehmen und Verwaltungen in den WB6-Staaten könnte die Wettbewerbsfähigkeit lokaler Firmen erheblich beeinträchtigen, sobald der Mechanismus kostenwirksam umgesetzt wird. Dies könnte zu einer weiteren ablehnenden Haltung gegenüber der Annäherung an den EU-Binnenmarkt führen, da der europäische CBAM-Mechanismus in anderen Teilen der Welt nicht in gleicher Konsequenz eingeführt wird.

Das Thema Abwanderung oder "brain drain" ist von strategischer Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung der WB6. Es beeinflusst die Attraktivität der Region als Standort für Investitionen und Partnerschaften.

Unternehmen, das AHK-Netzwerk und andere Akteure sollten aktiv in Initiativen und Konsultationen eingebunden werden, um Lösungen zu entwickeln. Das AHK-Netzwerk kann mit seinem breiten Unternehmensnetzwerk in den WB6 wertvolles Know-how und Lösungskompetenz einbringen. Gleichzeitig müssen die Regierungen und Verwaltungen vor Ort attraktive Perspektiven schaffen, um die Abwanderung zu begrenzen.

Die Umsetzung von Reformen in Verwaltung, Gesundheitswesen, Infrastruktur und Bildungswesen sowie transparente Entscheidungsprozesse sind der beste Weg, junge Menschen von der Zukunftsfähigkeit ihres Landes zu überzeugen.

Eine Blaupause für so einen Weg bietet der EU-Beitrittsprozess, der die WB6 bereits heute in vielen der genannten Bereiche maßgeblich unterstützt.


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Stefan Kägebein Referatsleiter Ost- und Südosteuropa

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