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Deutschland drohen die Unternehmerinnen und Unternehmer auszugehen

DIHK-Report zeigt: Lücke in der Nachfolge seit 2019 fast verdoppelt
Nachfolge - Senior und junge Frau auf Fabrikgelände

Dass der Generationenwechsel an der Führungsspitze klappt, wird zunehmend zum Glücksfall

© Westend61 / Getty Images

Noch nie wollten in Deutschland so viele Unternehmensinhaberinnen und -inhaber ihr Lebenswerk in andere Hände übergeben oder – falls das nicht gelingt – den Betrieb im Zweifel schließen. Das zeigt der Report Unternehmensnachfolge 2025 der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK).

Der Erhebung zufolge, die auf mehr als 50.000 persönlichen Kontakten, Beratungs- und Informationsgesprächen der Industrie- und Handelskammern (IHKs) beruht, sind passende Nachfolgerinnen und Nachfolger insgesamt Mangelware: Seit dem Vorkrisenjahr 2019 hat sich die Lücke zwischen Altinhabern und potenziellen Nachfolgern fast verdoppelt. Aktuell besteht sogar die Gefahr, dass mehr als die Hälfte der Nachfolgesuchen erfolglos bleiben. 

Grafik Nachfolgereport 2025 Interessierte

© DIHK

In den Beratungen der IHKs stehen deutschlandweit gut 9.600 fortzuführenden Unternehmen lediglich 4.000 Interessenten gegenüber. Mehr als ein Viertel der betroffenen Unternehmer und Unternehmerinnen denkt bereits an eine komplette Schließung. Hochgerechnet stehen demnach in den nächsten zehn Jahren bis zu 250.000 Betriebe auf der Kippe. 

Wirtschaftliche Basis bricht weg

DIHK-Präsident Peter Adrian

Peter Adrian

© DIHK / Werner Schuering

"Dabei geht es auch um Tausende gesunde, erfolgreiche Unternehmen. Das macht mich besonders betroffen", sagt DIHK-Präsident Peter Adrian anlässlich der Vorstellung des Reports.

 "In Deutschland bricht uns damit immer mehr von unserer wirtschaftlichen Basis weg", warnt er. "Das können wir uns nicht leisten. Wir verlieren dadurch Innovationsimpulse und Wachstumskraft. Wir müssen endlich das Ruder herumreißen, damit Unternehmertum wieder attraktiv wird."   

Im Gastgewerbe und im Handel ist die Lage besonders angespannt. Hier übersteigt das Angebot an Unternehmen die Nachfrage sogar um mehr als das Dreifache, in der Verkehrsbranche sogar um das Vierfache. Aber auch bei den Dienstleistern und in der IT-Branche sind gut doppelt so viele Unternehmen im Angebot, wie sich Interessenten in der IHK-Beratung melden.  

Grafik Nachfolgereport 2024 Branchen Quoten

© DIHK

Werden keine Nachfolger gefunden, gehen die negativen Folgen häufig deutlich über den Betrieb hinaus: Verschwindet ein Industriebetrieb mit Spezialangeboten in Ermangelung eines Nachfolgers vom Markt, kann darunter eine ganze Wertschöpfungskette leiden. Etliche IHKs sehen durch die schwierige Situation in Handel und Gastgewerbe die Gefahr von immer mehr Leerständen und verwaisten Lagen in Innenstädten. Und wenn etwa ein eigentlich gut gehender Gasthof auf dem Lande schließt, geht auch ein Ort der Begegnung verloren. Durch das Wegbrechen solcher Strukturen kann am Ende die Standortqualität einer ganzen Region leiden.  

Rezession hinterlässt Spuren

Eine große Rolle für die Nachfolgeprobleme spielt die demografische Entwicklung in Deutschland. Allerdings lässt sich damit allein die immer größere Übernahmelücke nicht erklären. Mittlerweile mehr als zwei Jahre Rezession hinterlassen immer deutlicher ihre Spuren auch im Mittelstand. Die schleppende Konjunktur und ein schwieriges Geschäftsumfeld machen es den Unternehmen vielfach schwieriger, Nachfolgende zu finden. Höhere Preise für Energie, Beschäftigte und Rohstoffe treiben die Gesamtkosten. 

Hinzu kommen steigende Belastungen durch komplizierte Regelungen und Bürokratie und die Verunsicherung über die wirtschaftliche Zukunft. Und: Der Mangel an Fachkräften erschwert nicht nur die Neuausrichtung von Unternehmen, er macht es auch für eigentlich geeignete Nachfolge-Interessierte einfacher, gute Konditionen in risikoärmeren Arbeitnehmertätigkeiten auszuhandeln.  

Grafik Nachfolgereport 2025 Schließungsgründe

© DIHK

IHK-Engagement wirkt 

Perspektivisch gibt es einen Hoffnungsschimmer. Das intensive Engagement der IHKs vor Ort lohnt sich. Es kommen zuletzt wieder etwas mehr Interessenten für eine Unternehmensübernahme in die Beratung. Die IHKs berichteten zudem vermehrt von Nachfolgekandidatinnen und -kandidaten aus der Industrie, die aktuell eine Alternative zum Angestelltenverhältnis in krisengeplagten Branchen suchen. "Das alles kann jedoch gute wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen als Push-Faktoren für Unternehmertum in unserem Land nicht ersetzen", betont Peter Adrian.  

Grafik Nachfolgereport 2025 Trends

© DIHK

Die Weichen richtig stellen 

Der DIHK-Präsident plädiert zudem dafür, unmittelbar bei den Prozessen zur Unternehmensnachfolge anzusetzen. "Wer ein Unternehmen übernimmt, braucht Zeit für den Betrieb, Geschäftspartner und Kunden. Daher müssen alle mit der Unternehmensnachfolge verbundenen Regelungen und Verwaltungsprozesse so einfach wie möglich sein." 

Künftig sollten "beide Seiten den Betriebsübergang nur noch bei einer einzigen staatlichen Stelle anzeigen müssen", so sein Vorschlag. "Auch für bauliche Veränderungen und die Weiternutzung von Kunden- und Lieferantendaten brauchen wir praxisgerechte, einfache Lösungen."

Und: "Ein befristeter genereller Bestandsschutz bei gerade übernommen Unternehmen – analog zur Idee von 'Gründerschutzzonen' – würde an vielen Stellen helfen", ist der DIHK-Präsident sicher. "Dann kann sich die Neuinhaberin beziehungsweise der Neuinhaber erst einmal ganz auf die Neuausrichtung des Unternehmens konzentrieren, anstatt sich um einen Wust an Genehmigungen, Neukonzessionierungen und Bauanträgen zu kümmern." 

Den kompletten Report gibt es hier zum Download:

DIHK-Report Unternehmensnachfolge 2025 (PDF, 1 MB)

 

Nachfolgend finden Sie einen Blick in einzelne Branchen:

In der IHK-Beratung sind fast dreieinhalb Mal so viele Hotel- und Gastronomie-Unternehmen, wie sich Nachfragende dafür finden würden. In der personalintensiven Branche berichten viele Betriebe, dass sie kaum Personal rekrutieren können – während der Pandemie haben viele Fachkräfte der Branche den Rücken gekehrt. Oftmals fehlt zudem die Bereitschaft zum entsprechenden Arbeits- und Zeiteinsatz. Investitionsstaus und die Notwendigkeit, viele staatliche Auflagen wie etwa Hygiene- und Brandschutzbestimmungen zu erfüllen und auch oft bauliche Veränderungen vorzunehmen, erhöhen die bürokratischen und finanziellen Belastungen. 

Zudem müssen oft hohe Mieten gezahlt oder die Übernahme von Immobilien finanziert werden, was in der Summe Nachfolgerinnen und Nachfolger finanziell oft überfordert. Zudem berichten die Betriebe von weniger Gästen und Kaufzurückhaltung. Die Gewinnmargen reichen häufig nicht aus, um Investitionsstaus aufzulösen. Gerade auch in ländlichen Regionen können Gastronomiebetriebe bisweilen kein auskömmliches Kundenaufkommen generieren. 

Häufig fehlen darüber hinaus die Mittel, um Konzepte an (neue) Zielgruppen anzupassen (Nachhaltigkeit, Zero Waste, Mehrwegpflicht für die Gastronomie, Chatbots für die Online-Kundeninteraktion, Online-Lieferservice-Portale et cetera). 

Fast 2.500 der von den IHKs beratenen Nachfolgeunternehmen entstammen dem Handel, der mit 25 Prozent den höchsten Anteil an abzugebenden Betrieben ausmacht. Der stationäre Handel ist stark von der Attraktivität der Innenstädte geprägt, hier berichten viele IHKs von Problemen. Viele haben überdies Schwierigkeiten, geeignetes Fachpersonal zu finden. Hinzu kommen Kaufzurückhaltung breiter Kundenschichten und wachsender Wettbewerbsdruck durch den Online-Handel. 

All das dämpft die Attraktivität vieler Läden und Geschäfte für potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger. Auch der Online-Handel ist kein Selbstläufer – für Werbung und Marketing muss inzwischen häufig ein sehr hoher Aufwand betrieben werden, um genug potenzielle Kunden zu erreichen. Investitionsstaus auch mangels ausreichender Digitalisierung und Renovierungsbedarfe erschweren die Finanzierung und erhöhen das Risiko für Nachfolger. Die Problemlagen werden erschwert, wenn das Unternehmen es vernachlässigt hat, auf geänderte Kundenbedürfnisse einzugehen oder zeitgemäße Prozesse einzuführen (beispielsweise moderne Bezahlsysteme oder Warenwirtschaftssysteme). 

Weitere Hürden stellen Bürokratie und regulatorische Anforderungen dar. Die wirtschaftliche Unsicherheit führt dazu, dass potenzielle Nachfolger zögern, ein Unternehmen zu übernehmen. Etliche IHKs sehen mithin die Gefahr, dass immer mehr Läden und Geschäfte nicht übernommen werden, mit der Folge, dass Leerstände und verwaiste Lagen in Innenstädten zunehmen.

Unter den Nachfolgeinteressenten ist das Verarbeitende Gewerbe am beliebtesten – 32 Prozent suchen einen Industriebetrieb. Auf einen potenziellen Nachfolgenden kommen im Mittel 1,3 zu übergebende Betriebe – im Branchenvergleich ist das nur ein moderater Überhang. Das darf jedoch nicht über Matching-Probleme auch hier hinwegtäuschen.

Gerade in der Industrie, die entweder direkt auf ausländischen Märkten oder indirekt als Zulieferer in internationale Wertschöpfungsketten eingebunden ist, schlagen neben der Unsicherheit in der Binnenwirtschaft auch die Unwägbarkeiten der globalen Märkte (etwa Zollkosten, Lieferengpässe) auf die Unternehmen durch. Das lässt viele Interessierte zögern. 

Zudem: Die Führung eines Industrieunternehmens erfordert häufig hohes technisches Know-how – etwa beim Maschinenpark, beim Labor wie auch bei behördlichen Auflagen (beispielsweise Normen, Produktkennzeichnungen, Emissionen, Qualitätssicherung, Beschaffung). Das engt den Kreis geeigneter Kandidatinnen und Kandidaten ein. Und: Teure Maschinen oder Labore und auch notwendige Immobilien etwa für Produktionsstätten machen oft erhebliche Kaufpreise erforderlich. Die Anforderungen an die Finanzierung sind daher hoch, ebenso wie die finanziellen Risiken, die die Nachfolgenden damit eingehen. 

In energieintensiven Branchen sind die zu stemmemden hohen Energiekosten eine weitere Herausforderung. Zudem machen oftmals große Investitions- und Modernisierungserfordernisse wie etwa bei der Digitalisierung und der damit einhergehende Kapitalbedarf so manche Nachfolgeverhandlung nicht einfach. Bei manchen Industriebetrieben sind die Strukturen häufig stark auf den alten Inhaber oder die alte Inhaberin ausgerichtet. Von Problemen berichten IHKs auch, wenn bei Unternehmen eine hohe Abhängigkeit von wenigen Kunden vorliegt.

Können Industriebetriebe aufgrund gescheiterter Nachfolge nicht weitergeführt werden, so kann dies Auswirkungen auf die vor- und nachgelagerte Wertschöpfungskette haben, wenn etwa eine Zwischenproduktionsstufe wegfällt. Auch wertvolles technisches Know-how droht dann verlorenzugehen. 

In der Logistikbranche suchen vier Mal mehr Unternehmen als potenzielle Nachfolger die IHKs auf. Ein wichtiger Grund für die schwierige Suche nach Nachfolgen ist der hohe Fachkräftemangel in dieser Branche. Viele Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer stehen vor ihrem Ruhestand, neue qualifizierte Fachkräfte sind in dieser wettbewerbsintensiven Branche mit häufig unattraktiven Arbeitsbedingungen schwer zu finden. Die Margen sind oftmals gering, der Wettbewerbsdruck hoch. 

Steigende Personal-, Maut-, Fahrzeug-, Energie- und Treibstoffkosten, Engpässe und marode Verkehrswege, hoher Termindruck, Digitalisierung, GreenLogistics-Anforderungen sowie Unsicherheiten bei der Umsetzung der Antriebswende erschweren die Suche nach interessierten Nachfolgerinnen und Nachfolgern. 

Bei den Dienstleistungen stehen gut doppelt so viele Unternehmen im Angebot, wie sich Interessenten in der IHK-Beratung melden (personenbezogene Dienstleistungen: Faktor 2,3, unternehmensbezogene Dienstleistungen: Faktor 2,0). 

Bei den personenbezogenen Dienstleistern berichten die IHKs häufig von einer starken Inhaberbezogenheit des Unternehmens. Persönliche Netzwerke und langjährige Kundenbeziehungen sind oftmals nur schwer übertragbar, was den Übergang und die Bindung der Kunden durch neue Inhaberinnen und Inhaber erschwert. Hinzu kommen der Mangel an Fachkräften und oftmals ein hoher Wettbewerbsdruck. 

Viele unternehmensbezogene Dienstleistungen sind maßgeschneidert auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten, was die Übertragung des erforderlichen Wissens und der spezifischen Fähigkeiten an die Nachfolge oftmals komplex macht. Auch hier besteht die Herausforderung, dass der enge Kundenkontakt und die persönliche Vertrauensbasis, die häufig über Jahre aufgebaut wurde, bei einem Nachfolgewechsel schwer zu übertragen sind. 

Darüber hinaus erfordern diese Tätigkeiten, ähnlich wie in der Industrie, ein hohes fachliches Know-how sowie ein ausgeprägtes Verständnis für branchenspezifische Prozesse und Kundenanforderungen. Nicht zuletzt sind viele unternehmensbezogene Dienstleistungen stark von der Entwicklung und der konjunkturellen Lage anderer Branchen, etwa der Industrie, abhängig. Diese Abhängigkeiten sowie wirtschaftliche Unsicherheiten und ein teils hoher Wettbewerbsdruck können die Attraktivität und Planungssicherheit einer Unternehmensübernahme in diesem Segment zusätzlich mindern. 

Der Innovationsdruck in der Finanzbranche und die Anforderungen an das jeweils aktuelle Know-how sind hoch. Entsprechend anspruchsvoll sind auch die Anforderungen an die Nachfolgerinnen und Nachfolger. Überdies ist das Geschäft von engmaschiger Regulierung geprägt. 

Die Branche wandelt sich rasch etwa mit neuen Finanztechnologien via KI, Bots, Robo-Advisors und Blockchain. Unterbleiben entsprechende und rechtzeitige Modernisierungen, fällt die Suche nach Nachfolgen umso schwerer. Zudem wächst die Konkurrenz etwa durch Fin-Techs. Die Relation von Unternehmen zu Interessierten beträgt in der Finanzbranche 3,1. 

In der IT-Branche gestaltet sich die Unternehmensnachfolge ebenfalls schwierig. Die IHKs melden fast doppelt so viele zur Übernahme anstehende IT-Betriebe wie Nachfolgeinteressenten (Relation: 1,9). 

Dies ist unter anderem auf den hohen Fachkräftebedarf in der IT-Branche zurückzuführen, der durch den internationalen Wettbewerb weiter verschärft wird. Qualifizierte IT-Fachkräfte sind stark nachgefragt. Das begrenzt einerseits die Auswahl an geeigneten Nachfolgern und macht es andererseits Firmenübernehmenden schwer, geeignete Fachkräfte zu gewinnen. 

Zudem verkompliziert der rasante technologische Wandel in der IT-Branche eine langfristige Nachfolgeplanung und stellt hohe Anforderungen an das fachliche und unternehmerische Know-how der potenziellen Inhaberinnen und Inhaber. 

Nicht zuletzt tendieren einige IT-Talente aufgrund der vielfältigen Karrierechancen und der hohen Nachfrage eher zu technischen Spezialistenrollen, etwa in der Entwicklung, statt eine Führungsposition mit oftmals als belastend wahrgenommenen Aufgaben zu übernehmen. 

Grafik Nachfolgereport 2024 Industrieunternehmen gesucht

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Grafik Nachfolgereport 2025 Branchen

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Evers, Marc_neu
Dr. Marc Evers Referatsleiter Mittelstand, Existenzgründung, Unternehmensnachfolge

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Porträtbild Petra Blum, Pressesprecherin
Petra Blum Pressesprecherin