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DIHK- Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf zur Änderung des BImSchG

Mit einer Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes hat sich der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) an der Erarbeitung der Novellierung beteiligt.

Hier finden Sie das am 23. September 2022 vorgelegte Papier im Wortlaut:

Zweite Verordnung zur Änderung der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV)

A. Das Wichtigste in Kürze:

Aufgrund der Energiekrise bereiten sich viele Unternehmen mit Hochdruck auf den Ersatz oder die Einsparung von Erdgas in ihren Feuerungs- oder Produktionsanlagen vor. Häufig stellen sie von Erdgas auf Flüssiggas (LPG), Öl (Heizöl oder Diesel), feste Brennstoffe um oder planen die Anpassung der Nachverbrennung von Abgasen. In der Praxis stoßen sie dabei auf genehmigungsrechtliche Schwierigkeiten, die eine Brennstoffumstellung noch vor dem Winter behindern.

Die in den Referentenentwürfen eingeführten Ausnahmen und Verfahrenserleichterungen werden viele Vorhaben deutlich beschleunigen können. Der DIHK unterstützt dieses gesetzgebungsvorhaben ausdrücklich. Da die Maßnahmen zur Vermeidung eines Gasnotstandes von hoher Dringlichkeit sind, sollten Bundesregierung und Bundestag - wie beim LNG-Beschleunigungsgesetz - das Gesetzgebungsvorhaben möglichst noch im September abschließen.

Folgende Anpassungen in den Referentenentwürfen schlagen wir vor:

  • Sehr häufig scheitern Unternehmen derzeit an der Installation von Flüssiggastanks größer als 3 Tonnen, da diese einer Genehmigungspflicht unterfallen. Deshalb sollte diese Schwelle auf 12 Tonnen im Anhang der 4. BImSchV angehoben werden.
  • Die Behörden sollten die Möglichkeit zu dem befristeten Dulden von Abweichungen erhalten, sofern von den Anlagen keine Gefahren für die Gesundheit oder erhebliche Gefahr für die Umwelt ausgehen.
  • Das formlose Antragsverfahren für Ausnahmen sollte mit einer Frist zur Entscheidung präzisiert und ein Genehmigungsverfahren aufgrund anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften ausgeschlossen werden.
  • Der Betrieb von Notbetriebsanlagen sollte über die zulässigen Betriebszeiten zugelassen werden.

B. Allgemeine Einführung - Allgemeiner Teil

Die deutsche Wirtschaft durchleidet die schlimmste Energiekrise seit Jahrzehnten. Extreme Preissteigerungen treffen die Wirtschaft in ihrer gesamten Breite. Ganze Lieferketten werden stark beeinträchtigt oder unterbrochen. Zudem steigt die Zahl der Firmen rasant, die keine oder nur noch Lieferverträge zu Extrempreisen angeboten bekommen. Abschaltungen aufgrund fehlender Verfügbarkeit von Strom oder Gas im kommenden Winter sind alles andere als unwahrscheinlich.

Zahlreiche Unternehmen berichten deshalb von geplanten oder begonnenen Maßnahmen an ihren Feuerungs- oder Produktionsanlagen, um den Einsatz von Erdgas zu ersetzen oder zu reduzieren. Folgende Maßnahmen werden hierbei in Betracht gezogen:

  • Zur Überbrückung einer Gasmangellage wollen viele Unternehmen Flüssiggastanks (LPG) installieren. Für die Anlagen müssen neben den Tanks Leitungen verlegt und bestehende Brenner, Motoren oder Turbinen umgestellt werden. Meist handelt es sich hierbei um genehmigungsbedürftige Anlagen: Ab 3 Tonnen im vereinfachten, ab 30 Tonnen im förmlichen Verfahren (mit Öffentlichkeitsbeteiligung). Diese Verfahren dauern in der Praxis erfahrungsgemäß mehrere Monate.
  • Viele andere Unternehmen können ihre Feuerungsanlagen statt mit Erdgas mit Heizöl betreiben. Teilweise können sie dafür vorhandene Gasbrenner verwenden oder sie ersetzen vorhandene reine Erdgasbrenner mit bivalenten Brennern. Zur Lagerung werden Heizöltanks oder mobile Tankwagen eingesetzt.

    Sind die Anlagen genehmigungsbedürftig und der Heizölbetrieb nicht Teil einer bestehenden Genehmigung, wird - nach Aussagen einiger Behörden trotz der jüngsten BImSchG-Änderung - häufig eine Änderungsgenehmigung notwendig. Die Genehmigung bei diesen Anlagen wird ab einer Leistung von 20 MW Feuerungsleistung notwendig. Ab 50 MW sind diese Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen.
    Viele Unternehmen besitzen zudem noch alte Heizöltanks, die sie vor einigen Jahren außer Betrieb genommen haben. Für Heizöltanks ist vor der Wiederinbetriebnahme in der Regel eine Sachverständigenprüfung und sechs Wochen zuvor eine Anzeige bei der Wasserbehörde durchzuführen. Ggf. muss eine Baugenehmigung beantragt werden.
  • Viele Unternehmen aus der Energiewirtschaft und dem Gewerbe besitzen Notstromaggregate oder Heizungen für den Notbetrieb. Für diese Anlagen gelten weniger strenge Grenzwerte, ihr Betrieb ist jedoch auf eine bestimmte Stundenzahl im Jahr begrenzt (meist 300). Die Unternehmen könnten durch längere Betriebszeiten schon heute große Mengen Erdgas einsparen.
  • Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe berichten von Möglichkeiten, den Ver- brauch von Erdgas zur Nachverbrennung von Abgasen zu reduzieren. Dies kann etwa durch einen reduzierten Einsatz vor Erdgas, Heizöl oder Flüssiggas realisiert werden. Dabei werden sie jedoch nicht alle Grenzwerte der TA Luft einhalten können. Eine Genehmigung dazu würden sie nicht oder erst nach langen Messreihen und Gutachten erhalten.
  • Unternehmen berichten vereinzelt, dass die Belieferung mit alternativen Brennstoffen nur eingeschränkt möglich ist, da die Immissionsrichtwerte der TA Lärm die Anlieferung insgesamt oder zu bestimmten Zeiten (bspw. nachts zwischen 22.00 – 06.00 Uhr oder an Sonn- und Feiertagen) nicht zulassen. Auch der Betrieb mobiler Feuerungsanlagen kann dadurch verhindert werden.

Diese praktischen Beispiele zeigen, dass weitere materielle und verfahrensrechtliche Ausnahmen dringend notwendig sind, um der Gasmangellage zu begegnen. Die vorgeschlagenen Gesetzes- und Verordnungsentwürfe sollten dazu so schnell wie möglich in Kraft treten.

C. Details - Besonderer Teil

Folgende Änderungen oder Ergänzungen zur Optimierung der Gesetzesentwürfe schlagen wir vor:

Artikel 1 Änderung der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen zu § 31h Abweichungen von der Vierten Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz

Häufig scheitern Unternehmen derzeit an der Installation von Flüssiggastanks größer als 3 Tonnen, da diese einer Genehmigungspflicht unterliegen. Im gewerblichen Bereich werden in der Regel sehr viel größere Tankanlagen benötigt. Um ein langwieriges Genehmigungsverfahren zu vermeiden, weichen Unternehmen deshalb teilweise auf eine Betankung in Kaskaden oder Batterien (Wechsel oder Hintereinanderschalten der Tanks) aus. Genehmigungsrechtlich ist dies allerdings auf maximal 12 Monate begrenzt und rechtlich sehr unsicher. Kleine und mittelständische Unternehmen könnten mit vier hintereinandergeschalteten Tanks längere Zeit Erdgas durch Flüssiggas ersetzen. Größere Anlagen könnten bei einem Gasnotstand ihre wichtigsten Anlagen sichern. Deshalb sollte § 31h des Entwurfs zur Änderung des BImSchG so ergänzt werden, dass Anlagen bis 10 Tonnen für zwei Jahre genehmigungsfrei gestellt werden.

Formulierungsvorschlag
Folgenden Satz nach Satz 2 § 31 h BImSchG einfügen:

Anlagen nach Satz 1 mit einem Fassungsvermögen von nicht mehr als 12 Tonnen bedürfen keiner Genehmigung.

Artikel 1 Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG-E) Nr. 3. Zu § 31e Zulassung vorzeitigen Beginns bei einer Gasmangellage und § 31h Abweichungen von der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft

Der vorzeitige Betriebsbeginn (§ 31e Absatz 5 BImSchG-E) und Ausnahmen von der TA Luft (§ 31h Absatz 2 BImSchG-E) sind die wichtigsten Beschleunigungsmaßnahmen für den Brennstoffwechsel. Sie sollen allerdings nur unter der Voraussetzung gelten, dass die Vorgaben der IE-Richtlinie eingehalten werden. Dies wird Vollzugsbehörden erneut vor große Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung stellen, da sie die Vorgaben der IE-Richtlinie im Einzelfall schwer beurteilen können. Für viele IED Anlagen erwarten wir deshalb weiterhin hohe Hürden beim Fuel-Switch.

Deshalb sollte Behörden auch die Möglichkeit zur Duldung von Abweichungen erhalten, sofern da- von keine Gefahren für die Gesundheit oder erhebliche Gefahr für die Umwelt ausgehen. Dies wäre mit Artikel 8 Absatz 2 Satz 2 der IE-Richtlinie vereinbar. Deshalb schlagen wir folgenden Zusatz vor:

Im Fall einer ernsten oder erheblichen Gasmangellage sieht die zuständige Behörde von einer Untersagung oder Stilllegung der Anlagen nach § 20 Bundesimmissionsschutzgesetz, § 100 Wasserhaushaltsgesetz, § 27 Gesetz über überwachungsbedürftige Anlagen (ÜAnlG) oder anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften ab, sofern die Anlagen keine unmittelbare Gefährdung der menschlichen Gesundheit oder unmittelbare erhebliche Gefährdung der Umwelt darstellen.

Zu § 31g Entbehrlichkeit einer Änderungsanzeige oder Änderungsgenehmigung

Nach § 31g sollen Anträge auf Ausnahmen von den Emissionsgrenzwerten der Immissionsschutzverordnungen und der TA-Luft formlos gestellt werden können. Ein Änderungsgenehmigungsverfahren nach § 16 oder Anzeigeverfahren nach § 15 BImSchG würden damit nicht notwendig. Dieses Verfahren wird den Unternehmen viel Zeit sparen können. Dennoch werden Unternehmen häufig erst nach dem Bescheid der Behörde über die Zulassung der Ausnahmen mit der Brennstoffumstellung beginnen können. Deshalb sollte den Behörden bis zur Entscheidung über die Zulassung eine Frist von zwei Wochen gesetzt werden.

Teilweise vertreten Genehmigungsbehörden zudem die Auffassung, dass Verfahren nach § 16 BIm-SchG notwendig sind, wenn mit der Umstellung betriebstechnische Um- oder Nachrüstmaßnahmen an der Anlage verbunden sind. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn damit Prüfungen der Einhaltung von Regelungen im Gewässerschutz, der Betriebssicherheit, des Emissionshandels oder des Baurechts notwendig würden.

Formulierungsvorschlag:

Über den Antrag ist innerhalb von zwei Wochen zu entscheiden. Andere öffentlich-rechtliche Vorschriften außerhalb dieses Gesetzes bleiben dabei unberücksichtigt.

Verlängerung von Notbetriebszeiten

Viele Feuerungsanlagen für den Notbetrieb (bspw. Notstromaggregate, Notheizungen) dürfen nur für eine maximale Dauer im Jahr betrieben werden. Nach der 13. oder 44. BImSchV sind dies bis zu 300 Stunden im Jahr. Auch im verarbeitenden Gewerbe kann der Betrieb auf bestimmte Zeiträume (bspw. Tag oder Nacht, Wochen- oder Feiertags, Vegetationsperioden) beschränkt sein. Viele dieser Anlagen könnten derzeit bei längeren Betriebszeiten deutlich zur Erdgaseinsparung beitragen. Ihre Emissionen erreichen in der Regel nicht die vorgeschriebenen Grenzwerte, stellen jedoch keine Gefahr für die Umwelt dar. Für die Dauer des Notfallplans Gas sollten Unternehmen sie deshalb unbeschränkt betreiben können.

Formulierungsvorschlag:

Im Fall einer drohenden Knappheit nach § 30 Absatz 2 finden Vorschriften oder Auflagen zur maximalen Betriebsdauer von Anlagen keine Anwendung.


Porträtbild Hauke Dierks, Referatsleiter Umwelt- und Rohstoffpolitik

Hauke Dierks, Referatsleiter Umwelt- und Rohstoffpolitik

© DIHK / Marko Priske