Nach zwei Jahren Rezession zeichnet sich in der deutschen Wirtschaft noch immer keine nachhaltige Erholung ab. In der neuen Konjunkturumfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) zeigen zwar einzelne Indikatoren leichte Verbesserungen, doch die Stimmung bei den Unternehmen bleibt überwiegend schlecht.
Der aktuelle DIHK-Stimmungsindex, der die Einschätzungen von mehr als 23.000 Betrieben aus nahezu allen Branchen und Regionen erfasst, verharrt mit 94,9 Punkten im pessimistischen Bereich.
DIHK-Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov warnte bei der Vorstellung der Konjunkturumfrage Frühsommer 2025 in Berlin: "Keiner unserer Indikatoren ist positiv. Der wirtschaftliche Aufbruch, den wir alle wünschen und den unser Land braucht, ist noch nicht in Sicht. Die Risiken, denen die Unternehmen begegnen, verdeutlichen den dringenden Handlungsbedarf in der Wirtschaftspolitik."
Trotz eines aufgrund von Vorzieheffekten erfreulichen ersten Quartals ist die Gefahr einer Rezession leider nicht gebannt. Die DIHK rechnet deshalb insgesamt weiterhin für 2025 mit einem leichten Rückgang des Bruttoinlandsproduktes um 0,3 Prozent.
2025 darf kein verlorenes Jahr werden
"Damit verdichtet sich unsere Befürchtung, dass erstmals in der deutschen Nachkriegsgeschichte die Wirtschaftsleistung das dritte Jahr in Folge sinkt", so Melnikov. "Wir müssen alles dafür tun, dass es kein verlorenes Jahr wird."
Die Umfrage fand im Zeitraum von Ende März bis Ende April statt – also noch vor dem Amtsantritt der schwarz-roten Regierung. "Die neue Bundesregierung kann sich jetzt beweisen", sagte die DIHK-Hauptgeschäftsführerin. "Der versprochene Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik muss nun auch in den Betrieben ankommen. Bislang spüren die Unternehmen noch nichts davon. Deshalb müssen schnell – noch vor der Sommerpause – positive Impulse für die Wirtschaft kommen, die Unternehmen warten darauf."
Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen weiterhin Top-Risiko
Wie wichtig diese Signale sind, zeigen die Geschäftsrisiken. "Das Vertrauen der Wirtschaft in die Politik ist kein Selbstläufer", warnte Melnikov. Bei den Risiken sehen die Unternehmen mit 59 Prozent die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen erneut als ihr größtes Hindernis – ein Wert, der Anfang des Jahres mit 60 Prozent den Höchststand erreicht hatte.
Weitere Geschäftsrisiken sind die Inlandsnachfrage (57 Prozent) und Arbeitskosten (56 Prozent, Höchststand). "Hohe Arbeitskosten betreffen nicht nur Branchen mit überdurchschnittlichen Gehältern wie die Industrie, sondern auch solche mit hohem Personaleinsatz, wie das Gastgewerbe", erläuterte die DIHK-Hauptgeschäftsführerin. "Dabei spielen auch steigende Sozialabgaben und der gesetzliche Mindestlohn mit seinen Folgewirkungen eine Rolle." Die Energie- und Rohstoffpreise verschärfen die Lage zusätzlich. Bei den energieintensiven Unternehmen sagen das 71 Prozent.
"Obwohl die Geschäftserwartungen der Unternehmen sich leicht aufhellen, bleiben sie unter dem Strich pessimistisch", sagte Melnikov. Der Anteil der Firmen, die negativ in die Zukunft blicken, sinkt von 31 auf 26 Prozent, während die Zahl der optimistisch gestimmten Unternehmen von 14 auf 16 Prozent zunimmt.
Bei der Geschäftslage ist die Stimmung durchwachsen. Ein Viertel der Betriebe bewertet seine Lage als gut, ebenso viele als schlecht. "Das ist die schlechteste Lageeinschätzung seit der Corona-Pandemie", warnte Melnikov. "Die Unsicherheit über den wirtschaftspolitischen Kurs sorgte für Zurückhaltung bei den Unternehmen. Hinzu kommen eine schwache Konjunktur im Inland, eine gedämpfte Nachfrage aus dem Ausland und strukturelle Probleme wie Fachkräftemangel, steigende Arbeitskosten und weiter hohe Energie- und Rohstoffpreise."
Ein Hoffnungsschimmer bleibt: Besonders die Industrie und das Baugewerbe zeigen Anzeichen einer Erholung und könnten wieder zu treibenden Kräften für die deutsche Wirtschaft werden – vorausgesetzt, die Politik setzt alles daran, den Standort Deutschland durch Strukturreformen zu stärken. Insbesondere gilt es, die Planungs- und Genehmigungsverfahren in allen Bereichen zu beschleunigen.
Exporte verlieren an Zugkraft – Investitionsabsichten bleiben schwach
Die aktuelle DIHK-Umfrage zeigt, dass sich die Erwartungen deutscher Betriebe an das Auslandsgeschäft im Frühsommer 2025 gehörig verschlechtern. Helena Melnikov erklärt: "Die deutsche Industrie verliert international an Wettbewerbsfähigkeit und sieht sich mit einer schwierigen Gemengelage konfrontiert. Besonders die US-Zollpolitik hat dem Welthandel und den deutschen Exportaussichten einen herben Dämpfer versetzt."
Angesichts der unsicheren Gesamtsituation bleiben die Unternehmen bei ihren Investitionsabsichten in Deutschland weiterhin zurückhaltend. Fast jeder dritte Betrieb plant, Investitionen zurückzufahren, während nur ein knappes Viertel die Investitionen erhöhen will. Der resultierende Saldo der Investitionspläne von minus 7 Punkten verbessert sich zwar leicht gegenüber dem Niveau zu Jahresbeginn (minus 10 Punkte), bleibt aber weiterhin negativ und liegt deutlich unter dem langjährigen Schnitt (plus 3 Punkte).
"Die Investitionen der Unternehmen kommen nicht in Schwung", so Melnikov. "Ohne dass wir hier positive Veränderungen sehen, wird es auch keinen sich selbst tragenden Aufschwung geben. Denn von den 900 Milliarden Euro an jährlichen Investitionen hierzulande kommen fast 90 Prozent aus der privaten Wirtschaft."
Gemeinsame Kraftanstrengung nötig
Vor diesem Hintergrund seien klare Signale aus der Politik umso wichtiger. "Wir brauchen dringend konkrete Maßnahmen, die auf eine Beschleunigung der Verfahren, Senkung der Kosten und internationale Partnerschaften einzahlen", forderte Melnikov. "Bis zur Sommerpause wäre es etwa möglich, die Stromsteuer auf das europäische Mindestniveau zu senken, die One-in-two-out-Regelung direkt einzuführen, um Bürokratie konkret und wirkungsvoll zu bekämpfen, die erleichterte Abschreibung rückwirkend umzusetzen und eine Halbierung der Übertragungsnetzentgelte zu beschließen."
Ihr Fazit: "Nur mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung können wir aus dieser Talsohle herauskommen und die Wende schaffen. Die neue Bundesregierung hat es jetzt in der Hand."
Die gesamten Ergebnisse der Erhebung gibt es hier zum Download: