Der Steuerschätzung Herbst 2025 zufolge kann sich der Fiskus kurzfristig über höhere Einnahmen freuen. Ab 2027 aber ist die Prognose wenig optimistisch. Gleichzeitig wachsen die Ausgaben. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) bleibt bei ihrer Forderung zu einer wirtschaftspolitischen Kurskorrektur.
Die aktuelle Steuerschätzung zeige einmal mehr, so DIHK-Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov: "Deutschland braucht dringend wieder Wachstum und eine Politik, die das ermöglicht."
Bund, Länder und Kommunen könnten bis 2029 "nicht mit nennenswert steigenden Steuereinnahmen rechnen", stellt sie klar. "Und das, obwohl die Schätzung auf optimistischen Annahmen bezüglich des Wirtschaftswachstums in den kommenden Jahren beruht."
Zwar würden leichte Mehreinnahmen von 1,8 Milliarden Euro im laufenden und knapp 5 Milliarden Euro im kommenden Jahr erwartet, "bis 2029 ergeben sich aber in der Summe keine Mehreinnahmen". Es bleibe demnach bei einer "erheblichen Finanzierungslücke im Bundeshaushalt" spätestens ab 2027.
Ohne Wachstum fehlen auch die Steuereinnahmen
"Die Rechnung ist simpel", so Melnikov: "Wenn die Konjunktur stagniert, fehlen auch die Steuereinnahmen. Und doch erzielt Deutschland 2025 voraussichtlich die höchsten Steuereinnahmen seiner Geschichte – 2026 werden sogar erstmals mehr als 1.000 Milliarden Euro erwartet." Die Steuerquote, also das Verhältnis der Steuereinnahmen zur Wirtschaftskraft, steige weiter und betrage mittlerweile bereits 23,4 Prozent. "Das zeigt, wie stark der Staat in den vergangenen Jahren expandiert ist", betont die DIHK-Hauptgeschäftsführerin.
Hier sieht sie das Kernproblem: "Zwar steigen die Einnahmen in den öffentlichen Haushalten, weil der Staat die Mittel über immer mehr Kanäle eintreibt, die staatlichen Ausgaben wachsen aber noch schneller als die Einnahmen und auch schneller als die Wirtschaftskraft." Die Ausgaben für öffentliche Investitionen nähmen zwar auch zu, doch sie würden überwiegend durch staatliche Kredite finanziert.
"Damit allein lässt sich die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts nicht sichern", sagt die DIHK-Hauptgeschäftsführerin. "Entscheidend ist jetzt, private Investitionen zu erleichtern, Innovationen zu fördern und Bürokratie konsequent abzubauen, flankiert durch gezielte staatliche Investitionen in Verkehr, Energie und Digitalisierung."
Ausgabendisziplin und Wirtschaftsdynamik verbinden
Gerade weil die finanziellen Spielräume des Staates enger würden, müsse der Staat seine Ausgaben klar priorisieren, fordert Melnikov. "Wachstum und Stabilität sind kein Widerspruch, sie bedingen einander. Die Bundesregierung steht vor der Aufgabe, finanzpolitische Disziplin mit wirtschaftlicher Dynamik zu verbinden, durch eine konsequente Reformagenda und effiziente Mittelverwendung."
Die Steuerschätzung sei damit "sehr viel mehr als eine technische Prognose", sagt Melnikov. "Sie ist ein erneuter Weckruf für eine wirtschaftspolitische Kurskorrektur: Nur wenn Wachstum, Investitionen und solide Staatsfinanzen gemeinsam gedacht werden, bleibt Deutschland zukunftsfähig."