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Energieeffizienzgesetz im Bundestag beschlossen

Einsparziele, Maßnahmen, Standards: Was auf die Unternehmen zukommt
Mann im Hemd mit Schutzbrille und Wärmebildkamera misst Energieeffizienz im Lager, ein Arbeiter blickt auf die Regale

Messen, Optimieren, Sparen: Die Betriebe hierzulande haben viele Effizienzpotenziale schon ausgeschöpft

© Monty Rakusen / DigitalVision / Getty Images

Am 21. September hat der Bundestag das neue Energieeffizienzgesetz (EnEfG) in einer vom federführenden Ausschuss für Klimaschutz und Energie geänderten Fassung beschlossen. Damit werden erstmalig verbindliche Energieeffizienz- beziehungsweise Energieeinsparziele gesetzlich normiert. Das EnEfG beinhaltet außerdem konkrete Effizienzmaßnahmen für die öffentliche Hand sowie für Unternehmen, und es definiert Effizienzstandards für Rechenzentren.

Mit dem Effizienzgesetz sollen die Vorgaben der überarbeiteten EU-Energieeffizienzrichtlinie umgesetzt werden, dabei geht es aber zum Teil deutlich über die EU-Vorgaben hinaus. Der Bundesrat wird sich voraussichtlich Ende Oktober mit dem Gesetz befassen, im Anschluss soll es zeitnah in Kraft treten.

Auf der Website des Bundestages finden Sie im PDF-Format zum Download den Gesetzesentwurf der Bundesregierung ebenso wie die beschlossene Ausschussfassung.

Immerhin hat die Regierungskoalition – nicht zuletzt auf Drängen der Wirtschaft – klargestellt, dass mit den allgemeinen Einsparzielen keine Begrenzung des individuellen Verbrauchs einhergehen soll und dass die Ziele bei "außergewöhnlichen und unerwarteten" konjunkturellen und Bevölkerungs-Entwicklungen angepasst werden können. Doch es droht erhebliche Rechtsunsicherheit: Werden Gerichte der Bundesregierung eine etwaige Zielverfehlung einfach durchgehen lassen? Und wenn nicht, drohen dann doch Limitierungen der Energieverbraucher durch die Hintertür?

Zielkonflikte zu Wirtschaftsleistung, Flexibilität und Wirkungsgrad

Denn obwohl die deutsche Volkswirtschaft bei der Entkopplung von Energieverbrauch und Wirtschaftsleistung schon weit gekommen ist, steht zu befürchten, dass die einseitige Fokussierung auf eine massive Senkung des Verbrauchs (ohne Berücksichtigung der Wirtschaftsleistung) letztlich nicht ohne eine Begrenzung des betrieblichen Verbrauchs erreicht werden kann. Zudem steht das Dogma einer absoluten Endenergieeinsparung auch den künftig geforderten Flexibilitäten in einem immer volatileren, erneuerbaren Energiesystem entgegen. Auch das Primärenergieeinsparziel ist kritisch, muss doch viel Energie für die Umwandlung von Storm in Wasserstoff (und Derivate) aufgebracht werden – mit den entsprechenden Wirkungsgradverlusten.

Mit den umfangreichen betrieblichen Verpflichtungen erhebt sich EnEfG zudem über die betriebliche Praxis – es legt fest, welche Investitionsmaßnahmen als wirtschaftlich zu bewerten sind, welche Abwärme zu vermeiden und wiederzuverwenden ist oder welche Art von Strom einzusetzen ist. Dass das Gesetz dabei nicht auf Motivation und Freiräume für die Erschließung weiterer Effizienzpotenziale in den Unternehmen setzt, sondern die begrenzten Kapazitäten bei Auditoren oder betrieblichem Energiepersonal prioritär in zusätzlichen Bürokratie- und Berichtspflichten bindet, macht die Sache umso misslicher.

Die wichtigsten Regelungen des EnEfG im Überblick:

Das EnEfG normiert erstmalig verbindliche End- und Primärenergieeinsparziele. Bis 2030 soll der Endenergieverbrauch der BRD um 26,5 Prozent gegenüber 2008 gesenkt werden (2030 maximal 1.867 Terawattstunden Endenergieverbrauch), der Primärenergieverbrauch um 39,3 Prozent (2030 maximal 2.252 Terawattstunden Primärenergieverbrauch). Darüber hinaus wird bis 2045 eine Senkung des Endenergieverbrauchs um 45 Prozent gegenüber 2008 angestrebt. Die beschlossene Fassung stellt klar, dass damit keine Begrenzung des individuellen Verbrauchs einhergehen soll und die Ziele bei "außergewöhnlichen und unerwarteten" konjunkturellen und Bevölkerungs-Entwicklungen angepasst werden können.

Bund und Länder werden verpflichtet, ab 2024 Energieeinsparmaßnahmen zu ergreifen, die bis 2030 jährliche Endenergieeinsparungen von 45 Terawattstunden (Bund) und 3 Terawattstunden (Länder) erbringen. Öffentliche Stellen (dazu zählen auch juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, die mehrheitlich durch institutionelle Zuwendung von Bund/Land finanziert werden) mit einem jährlichen Gesamt-Endenergieverbrauch von mehr als 1 Gigawattstunde sind bis zum Jahr 2045 zu jährlichen Endenergieeinsparungen von 2 Prozent verpflichtet und müssen bis Juni 2026 ein vereinfachtes Energiemanagementsystem (EMS) beziehungsweise ab 3 Gigawattstunden ein umfassendes EMS (50001) oder UMS (EMAS) einführen.

Unternehmen mit einem jährlichen Gesamtendenergieverbrauch von mehr als 7,5 Gigawattstunden müssen binnen 20 Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes (beziehungsweise nach Erreichen des Verbrauchsstatus) ein Energiemanagementsystem nach DIN EN ISO 50001 oder eine Umweltmanagementsystem nach der Verordnung (EG) Nr. 1221/2009 (EMAS) eingeführt haben. Zudem müssen sie zusätzliche Anforderungen hinsichtlich der Energie- und Abwärmeströme, technisch realisierbarer Einspar- und Abwärmemaßnahmen sowie Wirtschaftlichkeitsbewertungen der identifizierten Maßnahmen nach DIN EN 17463 (VALERI) erfüllen.

Zudem werden alle Unternehmen mit einem jährlichen Gesamtendenergieverbrauch von mehr als 2,5 Gigawattstunden verpflichtet, binnen drei Jahren für alle als wirtschaftlich identifizierten Maßnahmen konkrete Umsetzungspläne zu entwickeln und zu veröffentlichen und sich die Vollständigkeit und Richtigkeit der Pläne durch Zertifizierer, Umweltgutachter oder Energieauditoren bestätigen zu lassen. Als wirtschaftlich deklariert der Gesetzgeber dabei Maßnahmen, bei denen sich nach maximal 50 Prozent der Nutzungsdauer (AfA-Tabellen des BMF) ein positiver Kapitalwert ergibt, jedoch begrenzt auf Maßnahmen mit einer Nutzungsdauer von maximal 15 Jahren. Ausgenommen von der Veröffentlichungspflicht sind Informationen, die nationalen oder europäischen Vorschriften zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen oder der Vertraulichkeit unterliegen.

Für externe wie auch für interne Rechenzentren mit einer nicht redundanten Nennanschlussleistung ab 300 Kilowatt gelten umfangreiche und zeitlich gestaffelte Anforderungen zur Energieverbrauchseffektivität, für Rechenzentren, die ab Juli 2026 ihren Betrieb aufnehmen, zudem zum Anteil wiederverwendeter Energie.

Außerdem müssen Rechenzentren ab dem 1. Januar 2024 ihren Stromverbrauch zu 50 Prozent bilanziell durch Strom aus erneuerbaren Energien decken, ab 2027 sind es 100 Prozent. Rechenzentren (sowie "Betreiber von Informationstechnik" mit einer nicht redundanten Nennanschlussleistung ab 50 Kilowattstunden in Rechenzentren) müssen ab dem 1. Juli 2025 ein EMS/UMS betreiben, in Abhängigkeit von Leistungsklasse und/oder Nutzer besteht zudem die Pflicht zur Zertifizierung beziehungsweise Validierung des EMS/UMS ab dem 1. Januar 2026. Betreiber von Rechenzentren müssen außerdem bis März eines jeden Jahres Informationen nach Anlage 3 veröffentlichen und an den Bund übermitteln, der diese in eine europäische Datenbank über Rechenzentren überträgt.

Unternehmen mit einem Gesamt-Endenergieverbrauch von mehr als 2,5 Gigawattstunden haben Abwärme nach dem Stand der Technik zu vermeiden, auf den Anteil technisch unvermeidbarer Abwärme zu reduzieren und nach Möglichkeit durch Abwärmenutzung – auch durch Dritte – kaskadenförmig wiederzuverwenden, soweit dies möglich und zumutbar ist. Im Rahmen der Zumutbarkeit sind technische, wirtschaftliche und betriebliche Belange zu berücksichtigen.

Auf Verlangen von Wärmenetzbetreibern, Fernwärmeversorgern oder sonstigen potenziellen Wärmeabnehmern müssen zudem umfangreiche Informationen zur Abwärme zur Verfügung gestellt werden. Diese Informationen sind außerdem bis zum 31. März eines jeden Jahres an die Bundesstelle für Energieeffizienz (Bafa) zu übermitteln und aktuell zu halten, die diese Infos – unter Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen – auf einer öffentlichen Plattform zur Verfügung stellt. Die notwendigen Informationen umfassen unter anderem Unternehmensdaten, jährliche Wärmemenge und thermische Leistung, Leistungsprofile, Regelungsmöglichkeiten und durchschnittliches Temperaturniveau.

Das EnEfG enthält eine Verordnungsermächtigung zur Definition "klimaneutraler Unternehmen", an das zukünftig Ausnahmen und Befreiungen der gesetzlichen Pflichten geknüpft werden können. Zudem sieht das Gesetz bei Verstößen Bußgelder von bis zu 100.000 Euro vor.

Nachlaufend zum EnEfG wird außerdem das Energiedienstleistungsgesetz (EDL-G) überarbeitet. Mit der Novelle soll die Auslösepflicht für Energieaudits von der europäischen KMU-Definition auf einen jährlichen Energieverbrauch von mindestens 2,5 Gigawattstunden umgestellt werden. Damit findet auch die Verknüpfung zum EnEfG statt – alle Unternehmen mit einem jährlichen Energieverbrauch größer 2,5 Gigawattstunden unterliegen dann der Auditpflicht nach EDL-G (beziehungsweise ab 7,5 Gigawattstunden erweiterten Pflichten für EMS/UMS nach EnEfG) und den anknüpfenden Umsetzungsplan- und Abwärmepflichten nach EnEfG.

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Dr. Sebastian Bolay Bereichsleiter Energie, Umwelt, Industrie

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Porträtfoto von Erik Pfeifer
Erik Pfeifer Referatsleiter Betrieblicher Klimaschutz

DIHK-Stellungnahme zum Energieeffizienzgesetz

Die DIHK hatte zum Entwurf des "Gesetzes zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Änderung des Energiedienstleistungsgesetzes" im Juni 2023 auch eine Stellungnahme veröffentlicht, die Sie hier im PDF-Format abrufen können:

Was bringt "Das neue Energieeffizienzgesetz"? Bei dem gleichnamigen Webinar stellten die DIHK-Experten Sebastian Bolay und Erik Pfeifer am 13. Oktober 2023 den bis dato bekannten Sachstand vor. Hier gibt es die Aufzeichnung.

Was vor allem IT-Betreiber in punkto Energieeffizienz künftig leisten müssen, erläuterten die DIHK-Experten Sebastian Bolay und Erik Pfeifer sowie Kilian Wagner von Bitkom bei einem Webinar am 15. Dezember 2023. Hier können Sie den Mitschnitt abrufen.