
Verpackungssteuer soll Müllflut eindämmen, setzt jedoch kleine Betriebe unter Druck
© Peter Dazeley / Getty Images
Verpackungssteuer soll Müllflut eindämmen, setzt jedoch kleine Betriebe unter Druck
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Der Bürokratieabbau ist ein zentrales Anliegen der Wirtschaft. Auf Bundes- und EU-Ebene wurden jetzt zwar Entlastungen angekündigt, doch gleichzeitig entsteht auf kommunaler Ebene gerade wieder eine neue Belastung: die Verpackungssteuer. Seit 2022 wird sie in der Stadt Tübingen erhoben. Ziel ist es, den Verpackungsmüll in Innenstädten zu reduzieren und die Nutzung von Mehrwegverpackungen zu fördern. Ende 2024 hat das Bundesverfassungsgericht die Rechtmäßigkeit dieser Steuer bestätigt. Weitere Kommunen und Städte, wie etwa Heidelberg und Freiburg, haben sich bereits für die Einführung einer solchen Steuer entschieden oder diskutieren in den Gemeindegremien darüber. Damit drohen den Betrieben zahlreiche verschiedene kommunale Satzungen mit unterschiedlichen Steuersätzen auf Einwegverpackungen.
Besonders kleine und mittlere Betriebe spüren die Auswirkungen der bereits existierenden bürokratischen Belastungen im Alltag seit langem deutlich. Laut einer DIHK-Studie wenden Unternehmen im Gastgewerbe durchschnittlich 14 Stunden pro Woche auf, um rund 100 bis 125 gesetzliche Vorgaben zu erfüllen – darunter Regelungen zur Kassenführung oder zum Datenschutz. Auch im Einzelhandel ist der Aufwand erheblich: Kleine Betriebe mit weniger als 50 Mitarbeitenden investieren laut IHK-ibi-Studie 2024 rund 38 Stunden pro Monat in bürokratische Pflichten.
Die neue Verpackungssteuer betrifft vor allem Verkäufer an Endkunden wie die Gastronomie, den Lebensmitteleinzelhandel, Kantinen und die Veranstaltungsbranche. Die Betriebe müssen für verschiedene Einwegverpackungen – etwa Becher, Schalen oder Besteck – Abgaben entrichten. Die Höhe variiert je nach Kommune: In Tübingen etwa fallen 50 Cent für einen Einwegbecher und 20 Cent für einen Trinkhalm an. Die Steuer kann an die Kundschaft weitergegeben oder vom Betrieb selbst getragen werden.
Klingt grundsätzlich einfach. Die Tübinger Satzung umfasst zwar nur wenige Paragrafen, wird aber durch rund 20 Seiten Auslegungshinweise ergänzt. Diese enthalten zahlreiche Detailregelungen: Ein Pizzakarton ist steuerfrei, wenn die Pizza geliefert wird – bei Selbstabholung hingegen fällt die Steuer an. Sushi mit Besteck ist steuerpflichtig, ohne Besteck nicht. Wer im Drive-in bestellt, zahlt keine Steuer. Wer auf dem Parkplatz parkt, ins Lokal geht und die Ware mitnimmt, schon. Den Nachweis über die Art der Nutzung müssen die Betriebe führen. Im Zweifel prüft und entscheidet die Kommune.
Diese Regelungen führen zu erheblichem Mehraufwand – nicht nur für Unternehmen, sondern auch für die kommunalen Verwaltungen. Sämtliche steuerpflichtigen Unternehmen müssen erfasst, ihre übermittelten Angaben zur Berechnung der Steuerbescheide überprüft und die korrekte Umsetzung der Steuer regelmäßig kontrolliert werden.
Gleichzeitig ist unklar, wie effektiv die Steuer zur Müllvermeidung beiträgt. Zwar sollen die Einnahmen theoretisch die Kosten der Müllbeseitigung mitfinanzieren, doch eine gesetzliche Zweckbindung besteht nicht. Zudem existieren bereits andere Finanzierungsinstrumente, wie der Einwegkunststoff-Fond, Lizenzentgelte im dualen System sowie kommunale Abfall- und Straßenreinigungsgebühren – die Verpackungen werden also gleich mehrfach mit ähnlichen Begründungen belastet.
Weniger Müll und saubere Innenstädte sind ein gutes Ziel. Der Weg dorthin sollte aber praktikabel und verhältnismäßig sein. Es braucht koordinierte Maßnahmen, die Bürokratie vermeiden und gleichzeitig wirksam sind. Statt einer zusätzlichen Steuerlast wäre es besser, auf positive Anreize zu setzen, um den Umstieg auf Mehrwegverpackungen zu fördern. Der Ausbau zentraler Rückgabe- und Reinigungsstrukturen sowie Beratungs- und Schulungsangebote für Unternehmen würden den Umstieg auf nachhaltigere Alternativen erleichtern. Auch "smarte" Lösungen im Abfallmanagement, Clean-up-Aktionen oder Informationskampagnen können Teil eines ganzheitlichen Konzepts sein. Die IHK-Organisation setzt sich hierbei als Ansprechpartner für pragmatische Lösungen im Dialog mit Politik, Verwaltung und Wirtschaft ein.