
Ziel der Kohäsionspolitik ist es, den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt in der EU zu stärken
© Stadtratte / iStock / Getty Images Plus
Ziel der Kohäsionspolitik ist es, den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt in der EU zu stärken
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Bereits in den 1960er-Jahren, mit Einrichtung des Europäischen Sozialfonds (ESF), war den politischen Entscheidungsträgern in Europa klar: Ein gemeinsamer Markt funktioniert nur mit starken Regionen. Diese Grundüberzeugung bildet bis heute das Fundament der EU-Kohäsionspolitik. Ihr Ziel ist es, den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt in den Mitgliedstaaten zu stärken und regionale Ungleichgewichte abzubauen. Heute macht diese Politik fast ein Drittel des EU-Haushalts aus. Mit Spannung blicken viele Akteure deshalb auf den 16. Juli, an dem die EU-Kommission ihre Vorschläge für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) vorstellen wird.
Der MFR definiert, wieviel Geld über einen Zeitraum von sieben Jahren in den verschiedenen Politikbereichen ausgegeben werden kann. Die nächste Periode – 2028 bis 2034 – ist Gegenstand weitreichender Diskussionen. Besonders im Fokus steht hierbei die Zukunft der Kohäsionspolitik – nicht nur wegen möglicher finanzieller Kürzungen, etwa zugunsten gestiegener Bedarfe für Verteidigungsausgaben. Auch die künftige Rolle der Regionen steht auf dem Prüfstand.
Besonders intensiv diskutiert werden dabei vorab bekannt gewordene Überlegungen der Kommission, die Verwaltung der Kohäsionsgelder stärker zu zentralisieren. Eine solche Verlagerung von Zuständigkeiten von der regionalen auf die nationale und europäische Ebene würde jedoch den Handlungsspielraum der Regionen einschränken – ausgerechnet jener Akteure, die ihren eigenen Bedarf am besten kennen. Die Folge: weniger passgenaue und praxisnahe Maßnahmen vor Ort.
Unternehmen, die aus Programmen wie dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), dem ESF oder aus anderen Fonds der Kohäsionspolitik Mittel beziehen möchten, sehen sich bei deren Beantragung häufig mit einem hohen Verwaltungsaufwand konfrontiert. Die Verfahren sollten daher konsequent vereinheitlicht und digitalisiert werden. Nötig sind zudem pragmatische Verbesserungen, mehr Flexibilität und eine gezielte Unterstützung der Unternehmen, um den Zugang zu den Programmen zu erleichtern. Auch die Erfolgskontrollen und Audits in ihrer aktuellen Fassung gehören auf den Prüfstand: Eine wirksame Kontrolle der Mittelverwendung bleibt zwar essenziell – sie sollte jedoch effizient, zielgerichtet und unbürokratisch erfolgen.
Neben strukturellen Reformen braucht es auch eine inhaltliche Neujustierung. In der Vergangenheit wurde die Ausrichtung der Kohäsionspolitik immer breiter – vom reinen Binnenmarktinstrument hin zu einem "Bauchladen" für zahlreiche politische Vorgaben. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, um zu klaren und wirkungsvollen Kernzielen zurückzufinden. Zentrale Ansätze dabei sollten sein, die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft zu stärken, attraktive Standortbedingungen für Unternehmen in den Regionen zu schaffen, gezielt in Infrastruktur zu investieren, Fachkräfte zu fördern sowie Ausbildungsmaßnahmen in den Vordergrund zu stellen. Zudem braucht es eine anpassungsfähigere und damit realitätsnähere Programmplanung. Wichtig bleibt die Balance aus flexibler Krisenreaktion und Planbarkeit für Unternehmen.
Gerade mit Blick auf die Innovationsfähigkeit Europas kann auch die Kohäsionspolitik wichtige Impulse setzen. Eine moderne Infrastruktur und gelingende Fachkräftesicherung schaffen die richtigen Bedingungen für zukunftsfähiges Wirtschaften.
In den kommenden Monaten werden sich europäische, nationale und regionale Akteure intensiv mit dem Thema beschäftigen. Auf die Vorschläge der EU-Kommission folgen Verhandlungen mit dem EU-Parlament und dem Rat. Die finale Einigung muss abschließend einstimmig von den Mitgliedstaaten und in Mehrheitsentscheidung vom EU-Parlament bestätigt werden.
Klar ist: Die Belange der gewerblichen Wirtschaft dürfen dabei nicht aus dem Blick geraten. Starke Regionen sind der Grundpfeiler für erfolgreiche Unternehmen. Die Positionen der DIHK zur Neuausrichtung der Kohäsionspolitik finden sich auch in einem kürzlich veröffentlichten Impulspapier (PDF, 176 KB).