
"Lasst uns Brücken bauen" hatten Künstler vor deren Sprengung im Mai 2023 auf die Rahmedetalbrücke geschrieben. Gute Idee! Bitte schnell!
© Sascha Schuermann / Getty Images News
"Lasst uns Brücken bauen" hatten Künstler vor deren Sprengung im Mai 2023 auf die Rahmedetalbrücke geschrieben. Gute Idee! Bitte schnell!
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Auf dem Weg zu den Koalitionsverhandlungen in Berlin konnten die Mitglieder der Arbeitsgruppen von Union und SPD die Dringlichkeit des 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögens für die Infrastruktur live erleben: Die dreispurige Ringbahnbrücke des Berliner Stadtrings, über die jeden Tag fast 100.000 Fahrzeuge fahren, wurde aufgrund akuter Einsturzgefahr zunächst komplett gesperrt und war später nur eingeschränkt befahrbar. Politiker stehen hier seitdem genauso im Stau wie viele Pendler und Lastkraftwagenfahrer.
Die Ringbahnbrücke steht sinnbildlich für den desolaten Zustand der gesamten Infrastruktur in Deutschland. Große Teile des Autobahnnetzes sowie der Schienen- und Wasserwege sind stark sanierungsbedürftig und müssen aufgrund des gestiegenen Verkehrsaufkommens ausgebaut werden. Gleichzeitig gilt es, neue Übertragungsnetze und Wasserstoffpipelines für die Energiewende zu verlegen, Mobilfunkmasten aufzustellen oder Breitbandkabel für die Digitalisierung zu ziehen. Wesentliche Gründe für den immensen Ausbau- und Sanierungsstau sind die zum Teil jahrzehntelangen Planungs- und Genehmigungsverfahren.
Zu überregionaler Bekanntheit gelangte auch eine Autobahnbrücke bei Lüdenscheid auf der Sauerlandlinie A45. Die Sperrung der 453 Meter langen Talbrücke Rahmede im Jahr 2021 kappte die Lebensader einer ganzen Region. Unternehmen müssen bis heute lange Ausweichrouten in Kauf nehmen und verlieren Aufträge, Fachkräfte und Kunden. Für den Bau einer neuen Brücke mit Fahrspurerweiterung drohte ein jahrelanges Planfeststellungsverfahren.
Die Industrie- und Handelskammern sowie Unternehmen der Region liefen Sturm, um die Genehmigung und den Bau der Brücke zu beschleunigen. Mit Erfolg: Nach längerer Prüfung entschied die Genehmigungsbehörde Anfang 2023, dass ein förmliches Planfeststellungsverfahren vermeidbar sei. Auch bei der öffentlichen Auftragsvergabe stand der Faktor Zeit im Zentrum der Ausschreibung. Statt wie ursprünglich geplant nach fünf Jahren, also Ende 2026, könnte der erste Abschnitt nun im Frühjahr 2026 freigegeben werden. Damit würde der anvisierte Termin nicht nur eingehalten, was schon ungewöhnlich genug wäre, sondern die Frist sogar unterschritten.
Im Bund stand die Talbrücke Rahmede Pate für ein Verkehrsbeschleunigungsgesetz. Es räumt sogenannten Ersatzneubauten mit Fahrspurerweiterung weitreichende Ausnahmen ein – sowohl vom langwierigen Planfeststellungsverfahren als auch von der aufwendigen Umweltverträglichkeitsprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung. Gleichzeitig wurden Anforderungen für die öffentliche Auftragsvergabe erleichtert. Mit dieser auch "Lex Rahmede" genannten Regelung sollen Brückenneubauten künftig früher realisiert werden können als bislang.
Der Neubau der Talbrücke Rahmede zeigt, dass die Freistellung bestimmter Vorhaben von zeitraubenden Verfahrensvorschriften Investitionen in die Infrastruktur beschleunigen kann. Dennoch sind viereinhalb Jahre für den Neubau derart wichtiger Brücken wie in Lüdenscheid oder Berlin zu lang. Das Problem: Auch ohne Planfeststellungsverfahren müssen immer noch Ausnahmegenehmigungen von den Naturschutzbehörden eingeholt, umfangreiche Ausschreibungsverfahren vorgenommen und Hunderte Anträge für Einzelgenehmigungen von Brückenbauteilen, Zufahrtsstraßen oder Leitungen gestellt werden. Jeder einzelne Schritt birgt das Risiko einer Klage und möglicher jahrelanger Verzögerungen.
Die Rahmedetal- und Ringbahnbrücke dürften den Koalitionären von SPD und CDU deutlich gemacht haben, dass Geld allein noch keine Brücken baut. Im Koalitionsvertrag haben sie zahlreiche weitere Verfahrenserleichterungen wie Genehmigungsfiktionen, Fristen- und Stichtagsregelungen, Bagatellschwellen oder schnellere Gerichtsverfahren vereinbart, die sie in einem Infrastruktur-Zukunftsgesetz umsetzen wollen. Gleichzeitig möchten sie im Umwelt- und Baurecht konsequent Bürokratie abbauen und Innovationen wie modulares Bauen im Baukastenprinzip fördern. Hier gilt es nun: Wort halten und die Vorhaben in die Tat umsetzen. Wenn die neue Regierungskoalition diese Beschlüsse konsequent in die Praxis überführt, könnte die Talbrücke Rahmede auch dem Neubau der Ringbahnbrücke zu mehr Tempo verhelfen.