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Zwischen Wohnraumbedarf und Wirtschaftsstandort: Gesetz mit Nebenwirkungen

Bauarbeiter auf Baustelle

Dass Wohnraum entsteht, ist auch für die Wirtschaft wichtig, er darf nur nicht Unternehmen verdrängen

© Getty Images / Drazen_ / E+

Das Bundeskabinett hat am 18. Juni den Regierungsentwurf für das "Gesetz zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung" beschlossen. Ziel ist es – wie der Name sagt –, den Wohnungsbau schneller voranzubringen und Wohnraum zu schaffen. Das ist auch für Unternehmen ein wichtiges Thema, denn ausreichender Wohnraum ist ein zentraler Standortfaktor, um Fachkräfte zu gewinnen. Gleichzeitig befürchtet die IHK-Organisation, die geplanten Regelungen könnten Industrie- und Gewerbebetriebe enorm belasten. Denn ohne genügend Gewerbeflächen bleibt die wirtschaftliche Dynamik aus – doch genau die braucht Deutschland jetzt, um auf den dringend erforderlichen Wachstumskurs zurückzukehren.

Reformen statt Privilegierung

Die im Gesetzentwurf vorgesehene einseitige Bevorzugung des Wohnungsbaus gefährdet das Gleichgewicht zwischen Wohnen, Arbeiten und Versorgung einerseits sowie der Verfügbarkeit von Gewerbeflächen andererseits. Das kann die Zersiedelung fördern und Infrastrukturprobleme verstärken, da die raumordnerische Lenkung fehlt. 

Statt Sonderregelungen für den Wohnungsbau braucht es eine umfassende Reform des Baurechts: Kommunen sollten besser planen können, Verfahren müssen einfacher und eine nachhaltige Stadtentwicklung gefördert werden. So sollten klare Abwägungskriterien formuliert werden, die Nutzungskonflikte vermeiden. Darüber hinaus müssen Lärmschutzregelungen so angepasst werden, dass ein verträgliches Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe ermöglicht wird. Um bauen zu können, benötigen Investoren vor allem klare, praxisnahe und rechtssichere Rahmenbedingungen.

Wohnen im Gewerbegebiet: Ein konfliktträchtiger Kompromiss

Wenn der Lärmschutz gelockert wird, rücken Wohngebiete näher an Gewerbebetriebe heran – mit der Folge, dass Lärmgrenzwerte überschritten werden, sich der Gebietscharakter ändert und die Betriebe nachträglichen Einschränkungen unterworfen werden. Um solche Konflikte zu vermeiden, sollten die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA-Lärm) flexibler gestaltet und der Bestandsschutz für Betriebe gestärkt werden.

Die geplante Änderung im Baugesetzbuch erlaubt Dachaufstockungen in angespannten Wohnungsmärkten auch ohne Bebauungsplanänderung. Das beschleunigt den Bau und ermöglicht dringend benötigten zusätzlichen Wohnraum. Problematisch ist jedoch, dass dadurch Gewerbe verdrängt werden könnte. Denn die Wohnnutzung erhöht die Anforderungen an den Immissionsschutz, was die Betriebe in ihrer Tätigkeit einschränken kann. Zudem steigen dadurch die Grundstückspreise. Um das zu verhindern, braucht es klare Prüfkriterien, transparente Verfahren unter Beteiligung der Wirtschaft und den Erhalt des Gebietscharakters. Statt eine schleichende Umnutzung zuzulassen, sollten Kommunen ihre Bebauungspläne gezielt anpassen.

Auch die geplante Sonderregelung, die Wohnnutzung in Gewerbe- und Industriegebieten zulässt, ist bedenklich: Sie schafft kaum wirksame Entlastung, gefährdet aber wichtige Gewerbeflächen und führt zu Nutzungskonflikten. Wohnnutzung sollte nur in Mischgebieten erlaubt sein – mit klaren Kriterien wie einem Mindestleerstand. Betriebe könnten andernfalls verdrängt und durch strenge Immissionsschutzauflagen eingeschränkt werden. 

An die Stelle von Einzelgenehmigungen sollten transparente Verfahren mit verpflichtender Beteiligung der 79 Industrie- und Handelskammern (IHKs) und der Immissionsschutzbehörden treten. Als Träger öffentlicher Belange vertreten die IHKs die Interessen der Wirtschaft in raumordnerischen Planverfahren und setzen sich dafür ein, dass den Unternehmen die erforderlichen Flächen zur Verfügung stehen. Nur dann können sie ungehindert wirtschaften und Planungssicherheit haben.

Umwandlungsschutz: Hemmnis für Eigentumsbildung und Investition

Kritisch bewerten Betriebe deshalb auch die geplante Verlängerung einer weiteren Sonderregelung um weitere fünf Jahre bis Ende 2030: Diese ermöglicht es den Ländern weiterhin, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten genehmigungspflichtig zu machen. Dieser Umwandlungsschutz erschwert den Erwerb von Eigentumswohnungen erheblich. Gerade in Zeiten, in denen Baukosten hoch und Fertigstellungszahlen von Neubauten gering sind, stellen Bestandswohnungen eine wichtige Alternative dar. Die Regelung hemmt jedoch Investitionen, behindert energetische Sanierungen und hält die Wohneigentumsquote niedrig – und sollte daher aus Sicht der gewerblichen Wirtschaft entfallen.

 

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Kontakt

Porträtfoto Anne-Kathrin Tögel
Anne-Kathrin Tögel Referatsleiterin Stadtentwicklung und Flächenpolitik

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Karoline Preuß Referatsleiterin Bau- und Immobilienwirtschaft

DIHK-Stellungnahme zum Gesetz

Den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung hat die DIHK am 6. Juni 2025 in einer Stellungnahme kommentiert, die hier zum Download bereitsteht.