Der Jahresbericht zur Energieunion zeigt, dass sich der Ausbau der erneuerbarer Energien besonders stark entwickelt: Im Jahr 2024 stieg die neu installierte Kapazität auf 77 Gigawatt (12,9 GW Windenergie und 65,5 GW Solarenergie), was einem Zuwachs von 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Dennoch macht die Kommission deutlich, dass dieser Fortschritt nicht ausreicht, um das Ziel von 42,5 Prozent erneuerbarer Energien bis 2030 zu erreichen. Dafür wäre ein jährlicher Anstieg von rund 2,6 Prozentpunkten erforderlich, um den nächsten Referenzwert von 29,7 Prozent im Jahr 2025 zu erreichen.
Positiv hervorgehoben wird die Umsetzung des EU-Aktionsplans für bezahlbare Energie, der im Februar 2025 vorgestellt wurde. Mit diesem Maßnahmenpaket sollen die Energiekosten weiter gesenkt, die Netze modernisiert und die grenzüberschreitenden Verbindungen ausgebaut werden. Gleichzeitig bleibt die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen hoch: Noch im Jahr 2023 stammten rund 70 Prozent des Energieverbrauchs in der EU aus fossilen Energieträgern, überwiegend aus Importen. Der wachsende Anteil erneuerbarer Energien wirkt dieser Abhängigkeit jedoch entgegen, indem er die Importabhängigkeit reduziert, Treibhausgasemissionen senkt und die Energiepreise stabilisiert – Faktoren, die unmittelbar auf Produktionskosten und Standortattraktivität einzahlen.
Deutschland nimmt im europäischen Vergleich eine besondere Rolle ein. Mit einem Anteil von 19,3 Prozent am gesamten Energieverbrauch der EU und einem Verbrauch von 10,7 Millionen Terajoule gehört es zu den größten Energieverbrauchern. Der europäische Durchschnitt der erneuerbaren Energien liegt mit knapp 25 Prozent am Gesamtenergieverbrauch höher als in Deutschland, der im Vergleich circa 22 Prozent beträgt. Dem Bericht zufolge lagen die Erzeugerpreise im Großhandel für Strom 2024 zwar nur leicht über dem europäischen Durchschnitt, jedoch verstärken Netzentgelte sowie weitere Abgaben und Steuern diesen Unterschied.
Auch die Investitionspolitik der EU setzt wichtige Impulse. Während öffentliche Investitionen in saubere Technologien bereits stark sind, sollen künftig private Mittel stärker mobilisiert werden. Das neue EIB-Programm TechEU stellt bis 2027 rund 250 Milliarden Euro bereit, um Innovationen zu fördern, Lieferketten zu sichern und die globale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Für Unternehmen eröffnet dies die Chance, frühzeitig in neue Technologien einzusteigen und von Fördermitteln zu profitieren.
Langfristig verfolgt die EU die Vision, sich zu einem "Electro-Continent" zu entwickeln, der auf heimisch erzeugte saubere Energie setzt. Um dieses Ziel zu erreichen, sollte der Anteil von Strom am Endenergieverbrauch von derzeit 23 Prozent bis 2040 auf rund 50 Prozent verdoppelt werden. Für die Industrie bedeutet dies eine tiefgreifende Transformation: Produktionsprozesse, Lieferketten und Geschäftsmodelle müssten sich der Elektrizität und alternativen Energieträgern anpassen und würden somit unabhängiger von fossilen Energieträgern. Gleichzeitig unterstreicht der Bericht, dass die Stärkung von Energiesicherheit und Resilienz angesichts geopolitischer Unsicherheiten ein entscheidender Standortfaktor sein kann.