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Rede zur Lage der EU: Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit

Kommissionspräsidentin fordert Unabhängigkeit, Einheit und Stärke
Ursula von der Leyen am Mikrofon

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hat in Straßburg ihre fünfte Rede zur Lage der Europäischen Union gehalten

© Dati Bendo, European Union, 2025

Am 10. September hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihre erste Rede zur Lage der Europäischen Union (SOTEU) in ihrer zweiten Amtszeit gehalten. Sie benannte die obersten politischen Prioritäten der EU-Kommission, Leitinitiativen für das kommende Jahr und zog auch Bilanz des vergangenen Jahres.

Zentrale Themen ihrer Rede in Straßburg waren unter anderem die Wettbewerbsfähigkeit der EU, die Unterstützung der Ukraine und die Verteidigungsbereitschaft Europas.

Neue Schwerpunkte bei den Finanzen

Gerade die Ukraine-Hilfe ist mit dem Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) inhaltlich verknüpft, für dessen Neuauflage für die Zeit zwischen 2028 und 2034 die Kommissionspräsidentin in zwei Teilen - direkt vor und nach der Sommerpause – ihre Vorschläge vorgestellt hatte. Sie möchte erreichen, dass die Ukraine mit 100 Milliarden Euro finanziell unterstützt wird, und zwar außerhalb der Ausgabenobergrenzen des MFR. Was den Wiederaufbau des Landes anbelangt, zum Teil noch während laufender Kampfhandlungen, setzt von der Leyen auf eine stärkere Haftung des russischen Auslandsvermögens. Ihr Vorschlag ist vor allem ein politisches Signal, denn entscheiden können das nur die Mitgliedstaaten. Ganz allgemein bedeutet die neue Schwerpunktsetzung im Finanzrahmen: "mehr Forschungsförderung, mehr Wettbewerbsfähigkeit – größere Chancen auf Produktivitätssteigerungen und Wirtschaftskraft".  

Mehr Unabhängigkeit durch Wettbewerbsfähigkeit und Stärkung der Industrie 

"Europa unabhängiger zu machen" war die zentrale Botschaft beim Thema Wettbewerbsfähigkeit. Von der Leyen unterstrich, dass es hierfür notwendig sein werde, massiv in den Bereichen Digitales und Clean Tech zu investieren. Sie merkte an, dass es bereits strategische Dialoge mit wichtigen Industriezweigen gegeben habe, unter anderem mit der Automobil-, der Stahl-, der Chemie- oder der Verteidigungsindustrie. Ein zentrales Ergebnis sei die notwendige Vereinfachung und die Reduzierung von Bürokratie. 

Für die Industrie sieht die Kommissionspräsidentin einen Schlüssel bei der Nachfrage nach "sauberen europäischen Produkten". Zentrales Instrument dafür sollen Leitmärkte sein, um die Preise für diese Produkte langfristig zu senken. Gleichzeitig soll ein "Made in Europe" Kriterium bei der öffentlichen Vergabe eingeführt werden, um die heimische Industrie zu stärken. Zudem möchte die Kommission mit einem "Battery Booster" explizit die europäische Batterieproduktion fördern, während für die Automobilindustrie eine Initiative für kleine, bezahlbare Elektroautos ins Leben gerufen wird. Von der Leyen machte klar, dass "die Zukunft der Autos in Europa geschrieben werden muss." Für strategische Branchen soll es einen Industrial Accelerator Act geben. 

Bekenntnis zu den Energie- und Klimazielen 

 Zu den Themen Energie- und Klimapolitik bekräftigte von der Leyen ihr Bekenntnis zum Ausbau des Energie-Binnenmarkts und setzt mit dem kommenden "Grids Package" sowie der neuen Initiative "Energy Highways" auf eine beschleunigte Infrastrukturmodernisierung. Acht identifizierte Engpässe – von der Øresundstraße bis zum Sizilianischen Kanal – sollen durch koordinierte Maßnahmen mit Regierungen und Netzbetreibern beseitigt werden, um die Energiesouveränität zu stärken und das 2040-Klimaziel (vorgeschlagene 90 Prozent Emissionsreduktion) realistisch und wettbewerbsverträglich zu erreichen. Gleichzeitig soll der Ausstieg aus russischen fossilen Brennstoffen vorangetrieben werden. 

Aus Sicht der Wirtschaft ist der europaweite Ausbau sauberer (unter anderem nuklearer) und erneuerbarer Energien und die Binnenmarktintegration unterstützenswert, jedoch stehen viele Unternehmen vor erheblichen kurz- und mittelfristigen Transformationsrisiken, insbesondere die energieintensive Industrie. Während die CO2-Bepreisung als zentrales Instrument gilt und marktbasierte Anreize setzt, sollten weitere konkrete Lösungen für das sogenannte "Carbon Leakage" – eine Standortverlegung aufgrund von weniger ambitionierten Klimapolitiken – gefunden werden. Bei dem europäischen CO2-Ausgleichsmechanismus (CBAM) gilt es, unter anderem Exportlösungen zu finden, um Wettbewerbsnachteile gegenüber Drittstaaten auf den Weltmärkten zu adressieren.  

Wichtige Rolle von Forschung & Innovation 

Die Kommissionspräsidentin ging in puncto Wettbewerbsfähigkeit auch auf die wirtschaftliche Rolle von disruptiven Innovationen, insbesondere im Deep-Tech-Bereich (KI, Quanten, Biotechnologie), ein. Dabei hob sie erneut den bereits angekündigten Scale-up Europe Fonds hervor, der gemeinsam mit privaten Investoren jungen Wachstumsunternehmen in kapitalintensiven Schlüsseltechnologien den Zugang zur Finanzierung erleichtern soll. Ziel ist es, Abwanderungen innovativer Firmen auf Grund mangelnder Skalierungsfinanzierung zu verhindern und Europas technologische Souveränität zu sichern. Zudem kündigte sie an, die Attraktivität des Forschungsstandorts Europa mit der neuen Choose Europe-Initiative zur Anwerbung internationaler Forschender zu erhöhen. Mit Blick auf das Forschungsförderprogramm Horizon Europe sprach sich von der Leyen deutlich dafür aus, die Einbeziehung Israels zu beenden und hierfür eine Einigung unter den Mitgliedstaaten anzustreben. 

Internationaler Handel in unruhigen Zeiten

Die Kommissionspräsidentin betonte die Bedeutung der Handelseinigung mit den USA, um weitere US-Zollerhöhungen zu verhindern. Dabei stellte sie klar, dass die regulatorische Autonomie der EU nicht wegverhandelbar sei. Teil der Handelseinigung sind die Zollsenkungen auf EU-Seite, denen der Rat und das Europaparlament noch zustimmen müssen. Zudem plant die EU ihre Handelsbeziehungen mit Handelsabkommen wie Mercosur und Mexico zu diversifizieren und mit Partnern wie der Transpazifischen Partnerschaft (CPTPP) das Welthandelssystem zu reformieren. 

Digitalpolitik essenziell für Unabhängigkeit

Ursula von der Leyen hob die Wichtigkeit technologischer Souveränität hervor. Eine europäische KI sei für die Unabhängigkeit von entscheidender Bedeutung. Deshalb werde in KI-Gigafabriken investiert und an dem Rechtsakt zur Cloud- und KI-Entwicklung (CAIDA) sowie an Reallaboren für Quantentechnologie gearbeitet. Von der Leyen machte deutlich, dass die EU bei der Digitalregulierung ihre eigenen Standards und Regeln setze. Sie berichtete außerdem, dass sich die Omnibusvorschläge im Bereich Digitales in Arbeit befänden. 

Stärkung des Binnenmarktes

Im Binnenmarkt sieht die Kommissionspräsidentin den größten Wert der Union. Dennoch sei er noch immer unvollendet. Die Hindernisse und Barrieren im Binnenmarkt kämen nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds einem Zoll von 45 Prozent bei Gütern sowie einem Zoll von 110 Prozent bei Dienstleistungen gleich.  Mit Verweis auf den Bericht Enrico Lettas zur Lage des Binnenmarktes von 2024 seien vor allem die Bereiche Finanzen, Energie und Telekommunikation weit von einer Vollendung entfernt. Daher beabsichtige die EU-Kommission, einen Fahrplan für den Binnenmarkt bis 2028 vorzulegen. Die "Single Market Roadmap" solle sich insbesondere auf die Bereiche Kapital, Dienstleistungen, Energie, Telekommunikation, das 28. Regime und eine sogenannte fünfte Grundfreiheit für Wissen und Innovation fokussieren. 

Auch aus Sicht der gewerblichen Wirtschaft ist der Binnenmarkt nach mehr als drei Jahrzehnten noch immer nicht vollendet. In der DIHK-Umfrage zu Binnenmarkthindernissen 2024: Dienstleistungen, Waren und Investitionen berichten viele Unternehmen von unverhältnismäßigen bürokratischen Lasten, von einer hohen Regulierungsdichte und rechtlichen Unsicherheiten. Gerade KMU werden so von der Wahrnehmung ihrer Grundfreiheiten vielfach abgeschreckt. Grundlegende Reformen des EU-Binnenmarktes sind geboten, damit sein volles Potential ausgeschöpft werden kann. Aber: Unvollendet ist der Binnenmarkt vor allem im klassischen Bereich der vier Grundfreiheiten: dem freien Verkehr von Waren, Personen, Kapital. Und insbesondere die Dienstleistungsfreiheit ist stark von Barrieren und Hindernissen betroffen.  

Zudem erarbeite die EU-Kommission nach Angaben der EU-Kommissionspräsidentin für sogenannte innovative Unternehmen ein 28. Regime. Dieses wurde bereits in der am 21. Mai 2025 vorgestellten Binnenmarktstrategie als Antwort der EU-Kommission auf komplizierte Unternehmensgründungen und Operationen angekündigt. Denn diese zählen nach Angaben der EU-Kommission zu den zehn schädlichsten Hindernissen im EU-Binnenmarkt. Aus DIHK-Sicht wichtig ist, dass die Nutzung eines 28. Regimes im Gesellschaftsrecht grundsätzlich für alle Unternehmen, auch für KMU, möglich sein sollte und es nicht auf sogenannte innovative Unternehmen beziehungsweise "Start-ups and Scale-ups" beschränkt wird. 

Weitere Vereinfachungen auf dem Weg

Die Kommissionspräsidentin verspricht acht Milliarden Euro durch Bürokratieabbau einzusparen. Das gewählte Vehikel sind nach wie vor die sogenannten Omnibus-Pakete, die seit Februar angelaufen sind. Weitere Pakete sind auf dem Weg, wie beispielsweise ein Digitalomnibus oder ein Paket für die militärische Mobilität. Sie fordert, dass das Wirtschaften in Europa einfacher werden müsse. 

Global Gateway soll europäischer werden

Ein großer Fokus der Rede lag auf der auswärtigen Perspektive. Damit einher geht, dass der Vorschlag unterbreitet wurde, eine qualifizierte Mehrheitsentscheidung im Rat zu ermöglichen, wenn es um auswärtige Politik geht. Global Gateway wurde im Zusammenhang mit der Einführung von "Made in Europe-Criteria" und dem "Buy-European-Ansatz" bei Global-Gateway-Ausschreibungen genannt. "Wir müssen europäischer werden", war der Tenor. Gleichzeitig sollen weiterhin Lösungen für Partnerländer angeboten werden. 

Stärkerer Fokus auf Verteidigung & Sicherheit 

Angesichts der geopolitischen Lage hat die Kommissionpräsidentin auch verschiedene Maßnahmen im Bereich der Verteidigung angekündigt. Mithilfe eines neuen Programms, das den Namen "Qualitative Military Edge" trägt, fließen Investitionen in die Fähigkeiten der ukrainischen Streitkräfte. Zudem möchte die Kommission 6 Milliarden Euro aus dem sogenannten ERA-Darlehen (Einnahmen aus immobilisierten staatlichen russischen Vermögenswerten im Rahmen einer Initiative zur außergewöhnlichen Einnahmenbeschleunigung) vorziehen und eine Drohnen-Allianz mit der Ukraine eingehen. Eine neue, neben bereits bekannten Maßnahmen, ist eine weltraumgestützte Echtzeit-Überwachung genannt "Eastern Flank Watch". Außerdem sollen beim nächsten Europäischen Rat im Oktober Roadmaps für neue gemeinsame Verteidigungsprojekte vorgestellt werden. Eingebettet werden diese in ein neues "Europäisches Semester der Verteidigung".  

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Porträtfoto Malte Weisshaar
Malte Weisshaar Referatsleiter Steuern in der EU | EU-Haushalt | Energiesteuern

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Petri, Thorben_quer
Thorben Petri Referatsleiter Europäische Wirtschaftspolitik

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Hilden, Marlon
Marlon Hilden Referatsleiter europäische und internationale Energie- und Klimapolitik

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Kramer, Lorenz
Lorenz Kramer Referatsleiter Wirtschaft in Europa

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Mann im Haus der Deutschen Wirtschaft
Klemens Kober Referatsleiter Handelspolitik, transatlantische Beziehungen und EU-Zollfragen

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Siefert, Arian
Arian Siefert Referatsleiter Wirtschaft digital

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Porträtfoto Dr. Julia Schmidt
Dr. Julia Schmidt Referatsleiterin Europäisches Wirtschaftsrecht

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Porträtbild Annika Böhm, Referatsleiterin Gesellschafts- und Bilanzrecht
Annika Böhm Referatsleiterin Gesellschafts- und Bilanzrecht

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Zwick, Sandra
Sandra Zwick Referatsleiterin Europapolitik, EU-Finanzierungsinstrumente, EU-Außenwirtschaftsförderung