Seit dem 1. Juli 2020 müssen sogenannte Intermediäre und Nutzer bestimmte grenzüberschreitende steuerliche Gestaltungen gegenüber den Steuerbehörden melden. Auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat die Bundesregierung nunmehr bekannt gegeben, dass seit Inkrafttreten der Regelung insgesamt 26.921 Meldungen an das Bundesamt für Steuern (BZSt) übermittelt wurden. Nach einer Auswertung wurden nunmehr 24 Gestaltungsmodelle identifiziert, bei denen ein gewisser rechtspolitischer Handlungsbedarf gesehen wird.
Anzeigepflicht von Steuergestaltungen: 26.921 Meldungen seit 1. Juli 2020 erfolgt
Bundeszentralamt für Steuern identifiziert 24 GestaltungsmodelleMit der Europäischen Richtlinie (EU) 2018/822 zur „Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen“ vom 25. Mai 2018 (sogenannte DAC 6-Richtlinie) wurde eine Meldepflicht geschaffen, nach der bestimmte grenzüberschreitende Steuergestaltungen den Finanzbehörden der Mitgliedstaaten mitzuteilen und dann zwischen diesen automatisch auszutauschen sind. Die Meldepflicht gilt ab dem 1. Juli 2020, umfasst aber auch solche Fälle, in denen der erste Umsetzungsschritt nach dem 24. Juli 2018 erfolgt ist. Ziel der Richtlinie ist es, dass Mitgliedstaaten frühzeitig auf unerwünschte Steuergestaltungen reagieren und durch Gesetzesänderungen sogenannte „Schlupflöcher“ schließen können. Auch sollen die Finanzverwaltungen die durch die Mitteilungen erlangten Erkenntnisse im konkreten Veranlagungsverfahren der Nutzer verwenden können, sei es durch allgemeine Verwaltungsanweisungen oder durch individuelle Ermittlungsmaßnahmen.
Deutsche Umsetzung
Die Europarechtlichen Bestimmungen wurden in Deutschland durch das „Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen“ vom 21. Dezember 2019 umgesetzt und hierzu die §§ 138d bis 138k AO ( BGBl 2019 I S. 2875) in die Abgabenordnung aufgenommen. Hierzu hatte das BMF bereits am 29. April 2020 Bestimmungen zur Verwendung eines amtlich vorgeschriebenen Datensatzes erlassen und am 29. März 2021 auf 71 Seiten weitere Anwendungsregeln veröffentlicht.
Nutzen fraglich
Angesicht der komplexen Definitionen und der sich daraus ergebenden Abgrenzungsfragen, welche Sachverhalte nun als „meldepflichtige Steuergestaltung“ (sogenannte Hallmarks“) zu qualifizieren sind, aber auch vor dem Hintergrund der zu erwartenden Flut an Meldungen war offen, ob die Finanzbehörden in der Lage sein werden, die Meldungen auszuwerten und im Weiteren „Gestaltungsmodelle mit rechtspolitischem Handlungsbedarf“ zu identifizieren. Dieses gilt gerade vor dem Hintergrund, dass Unternehmen hierdurch hohe Befolgungskosten entstehen.
Antwort der Bundesregierung
Auf die sogenannte „Kleine Anfrage“ der CDU/CSU-Fraktion (Drucksache 20/6734; LINK ) hat die Bundesregierung am 8. Mai 2023 geantwortet und erstmals genauere Informationen zur Verfügung gestellt.
Demzufolge sind bis zum 31. März 2023 insgesamt 26.921 Mitteilungen über grenzüberschreitende Steuergestaltungen i. S. d. §§ 138d ff. AO beim Bundeszentralamt für Steuern eingegangen. Zusätzlich wurden gemäß § 7 Abs. 14 des EU-Amtshilfegesetzes (EUAHiG) insgesamt 1.967 Mitteilungen aus dem Zentralverzeichnis der Europäischen Union heruntergeladen, die Deutschland als betroffenen Mitgliedstaat kennzeichnen. Diese Mitteilungen wurden vom BZSt gesammelt, sortiert, zugeordnet und nach § 138j Absatz 1 AO unter Einbeziehung und Mitwirkung der Finanzbehörden der Länder ausgewertet.
Insgesamt wurden 206 Gestaltungsmodelle identifiziert, wobei jedoch bestimmte Regelungslücken zwischenzeitlich zum Beispiel durch das Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb vom 25. Juni 2021 (Steueroasen-Abwehrgesetz) geschlossen wurden. Konkret wurden 24 grenzüberschreitende Steuergestaltungsmodelle mit verbleibendem rechtspolitischem Handlungsbedarf identifiziert, welche sich in 4.268 Einzelmeldungen wiederfanden. Zudem wurden 140 Gestaltungsmodelle identifiziert, bei denen jedoch kein (irgendwie gearteter) rechtspolitischer Handlungsbedarf angenommen wird.
Ob und inwieweit die Finanzverwaltung der Länder ihrerseits die Informationen genutzt und darauf aufbauend Außenprüfungen oder Ermittlungsverfahren eingeleitet haben und inwieweit hierdurch Steuermehrergebnisse erzielt wurden, konnte die Bundesregierung aufgrund der Länderzuständigkeit nicht beantworten.
Ausdehnung der Anzeigepflicht auf nationale Steuergestaltungen geplant
Die Koalitionsfraktionen haben vereinbart, in der aktuellen Legislaturperiode die Mitteilungspflicht über grenzüberschreitende Steuergestaltungen hinaus auch auf rein innerstaatliche Steuergestaltungen auszuweiten. Konkrete Gesetzesvorschläge wurden bislang aber noch nicht veröffentlicht.