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Aufbruchssignale für Deutschland

DIHK listet den dringendsten wirtschaftspolitischen Handlungsbedarf auf
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© DIHK

Ein halbes Jahr nach dem Bruch der Ampel-Koalition läuft sich eine neue Bundesregierung warm. Sie steht vor großen Aufgaben. Was in der Wirtschaftspolitik am dringendsten angepackt werden muss, hat die Deutsche Industrie- und Handelskammer in einem Brief an die IHK-Organisation zusammengefasst.

Vorschläge für ein 100-Tage-Programm der neuen Bundesregierung

Deutschland steht am Beginn einer neuen Legislaturperiode – und an einem entscheidenden Wendepunkt. Inmitten von zunehmenden geopolitischen Spannungen, beschleunigtem technologischen Wandel und intensivem internationalen Standortwettbewerb ist entschlossenes Handeln gefragt. Die neue Bundesregierung hat jetzt die Chance, ein starkes Aufbruchssignal zu senden: für mehr Planungssicherheit, für mehr Innovationen und Investitionen – und für mehr unternehmerische Freiheit.  

Viele zentrale Maßnahmen, die dafür notwendig sind, stehen bereits im Koalitionsvertrag. Umso wichtiger ist es jetzt, schnell die richtigen Prioritäten zu setzen. Aus Sicht der Wirtschaft müssen nun die Vorhaben angegangen werden, die den größten positiven Effekt für Wachstum, Beschäftigung und Investitionsdynamik entfalten können. Unsere Vorschläge für ein 100-Tage-Programm geben dafür eine klare Orientierung. 

  • Aufschwung-Gesetz 2025: Überbordende Bürokratie muss systematisch abgebaut werden. Hunderte Vorschläge der Wirtschaft liegen vor. Die Einführung eines umfassenden "Aufschwung-Gesetzes" zur Reduzierung von bürokratischen Belastungen der Wirtschaft um mindestens 25 Prozent wäre ein sichtbares Signal. Die "One-in-two-out"-Regel sollte zudem zur Begrenzung neuer Pflichten schnell eingeführt werden – und dabei auch für Umsetzungsakte von EU-Recht gelten. 
  • Beschleunigungspakt von Bund und Ländern umsetzen: Alle 150 Maßnahmen zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sollten in einem Artikelgesetz gesetzlich verankert werden. Fristverkürzungen, Stichtagsregelungen, Digitalisierung und Verfahrensvereinfachungen braucht es für alle Infrastrukturen sowie für industrielle und gewerbliche Anlagen. Dabei sollten nicht nur erneuerbare Energien von "überragendem öffentlichen Interesse" sein, sondern beispielsweise auch der Ausbau der Glasfaser- und Mobilfunknetze. 
  • Deutsches Lieferkettengesetz abschaffen: Aufgrund der EU-Regelungen sollte das nationale Lieferkettengesetz entfallen, um Wettbewerbsnachteile zu verhindern. 
  • EU-Vorgaben reduzieren: Parallel sollte sich die Bundesregierung für weitreichende Entlastungen für die Unternehmen in der Breite bei den EU-Regelungen zu Berichtspflichten und bei Sorgfaltspflichten einsetzen – Schwellenwerte, Ausnahmen für Zulieferer in der EU und Vermeidung von Trickle-down-Effekten, also von mittelbaren Belastungen auch für den breiten Mittelstand in Deutschland, sind unbedingt erforderlich. 
  • Energieeffizienz-, Energiedienstleistungs- und Gebäudeenergiegesetz entschlacken: Die Gesetze sollten auf die europäischen Mindestvorgaben bzw. den früheren Stand zurückgeführt werden. Komplizierte Umsetzungspläne, Abwärme-Meldepflichten und praxisuntaugliche Einsparvorgaben müssen wegfallen.  
  • Stromsteuer auf europäisches Minimum senken: Die hohen Energiekosten belasten die deutsche Wirtschaft. Die Senkung der Stromsteuer muss daher schnell auf alle Branchen ausgeweitet werden und zum 1. Juli 2025 in Kraft treten. 
  • Übertragungsnetzentgelte halbieren: Die Bundesregierung muss den drastischen Anstieg der Netzentgelte durch einen staatlichen Zuschuss zu diesen Infrastrukturkosten abfedern – sie sollte kurzfristig beschlossen und zum 1. Januar 2026 wirksam werden. 
  • CO₂-Abscheidung und -Speicherung (CCUS) ermöglichen: Die Bundesregierung sollte kurzfristig CCUS ermöglichen und CO₂-Exporte erlauben. Beides ist unabdingbar, damit vor allem energieintensive Unternehmen die vorgeschriebenen klimapolitischen Ziele erreichen können. 
  • Degressive Abschreibung rückwirkend zum 1. Januar 2025 einführen: 30 Prozent degressive AfA für Ausrüstungsinvestitionen erhöhen die Liquidität in den Unternehmen und ermöglichen eine deutliche Zunahme bei den privaten Investitionen. 
  • Körperschaftsteuer senken: Die schrittweise Senkung ab 2028 um insgesamt fünf Prozentpunkte kommt zwar erst später, sie sollte aber wie angekündigt schon jetzt Gesetz werden, um das Vertrauen in zukünftige Steuerentlastungen zu stärken. 
  • Thesaurierungsbegünstigung verbessern: Parallel sollten auch erste Schritte zur vereinfachten Besteuerung von im Unternehmen einbehaltenen Gewinne erfolgen. Das wäre für Personenunternehmen, die in Deutschland rund 90 Prozent aller Unternehmen ausmachen, ein wichtiges Signal. 
  • Digitalisierung muss sicher sein: Die praxisnahe Umsetzung der NIS2-Richtlinie zur Stärkung der Cybersicherheit muss bürokratiearm erfolgen. Betriebe müssen frühzeitig unterstützt werden, um Cyberrisiken zu minimieren. 
  • Mehr künstliche Intelligenz wagen: Die Bundesregierung sollte kurzfristig die verantwortliche Behörde für den AI-Act benennen, die eine praxistaugliche und einheitliche Auslegung sicherstellt. Die Unternehmen brauchen schnell einen klaren rechtlichen Rahmen für KI-Anwendungen. Für kleine und mittlere Unternehmen sind außerdem Reallabore wichtig, in denen sie neue Anwendungen sicher ausprobieren können.
  • Sicheren Datenaustausch fördern: Die Bundesregierung sollte ein Pilotprojekt initiieren, in dem über Vermittler der sichere und vertrauenswürdige Austausch von Daten erprobt wird – was zugleich neue digitale Geschäftsmodelle ermöglicht. 
  • Ältere Erwerbstätige stärken: Eine unkomplizierte befristete Weiterbeschäftigung im Rentenalter beim bisherigen Arbeitgeber sollte umgehend in Kraft treten. 
  • Arbeitszeit flexibler gestalten: Die wöchentliche statt täglicher Höchstarbeitszeit und eine Vertrauensarbeitszeit ohne Erfassungspflichten sollten sofort umgesetzt werden. 
  • Berufliche Bildung attraktiver gestalten: Das Aufstiegs-BAföG als Anreiz für die Höhere Berufsbildung sollte zügig weiter verbessert werden – durch eine zweite Förderung auf derselben Fortbildungsstufe sowie schlankere Antragsverfahren.  
  • Zuwanderung erleichtern: Nach erfolgreicher Ausbildung oder Studium sollte ausländischen Absolventen einer Berufsausbildung oder eines Studiums in Deutschland automatisch ein Aufenthaltstitel erteilt werden, der die sofortige Beschäftigung erlaubt.  

Jenseits dieser wichtigen ersten Impulse brauchen die Wirtschaft und das Land insgesamt haushaltspolitische Verlässlichkeit und Solidität. Eine schnelle Verabschiedung des Bundeshaushalts 2025 ist daher ein wichtiges Signal für die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung. Das Gesetz zur Ausgestaltung des kreditfinanzierten Infrastrukturfonds muss ebenfalls schnell in Kraft treten und eine glaubwürdige Ausrichtung auf zusätzliche Infrastrukturinvestitionen haben. 

Die Handlungsfähigkeit der neuen Bundesregierung ist auch mit Blick auf die internationalen Herausforderungen wichtig: Unser Handeln heute entscheidet über unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit von morgen. In Zeiten globaler Unsicherheiten braucht es eine Regierung, die wirtschaftliche Freiheit, Innovationskraft und internationale Offenheit in den Mittelpunkt stellt. Die nächsten 100 Tage bieten die Gelegenheit auch international ein Zeichen zu setzen: Deutschland bleibt ein verlässlicher, dynamischer Partner in einer veränderten Welt. Mutige Entscheidungen sind jetzt gefragt. 

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Mann im Haus der deutschen Wirtschaft
Dr. Rainer Kambeck Bereichsleiter Wirtschafts- und Finanzpolitik, Mittelstand

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Porträtbild Dirk Binding, Bereichsleiter Dienstleistungen | Infrastruktur | Regionalpolitik
Dirk Binding Bereichsleiter Digitale Wirtschaft, Infrastruktur, Regionalpolitik

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Ohlig, Dominik_WEB
Dominik Ohlig Pressesprecher – Chef vom Dienst