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Betriebsstätten begründen keine Arbeitgebereigenschaft i. S. v. Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)

Bundesfinanzhof bestätigt Verwaltungsauffassung
Doppelbesteuerungsabkommen

© Westend61 / Westend61 / Getty Images

Der BFH hat bekräftigt, dass die ausländische Betriebsstätte einer im Inland ansässigen rechtlich selbständigen Person nicht Arbeitgeber im Sinne des Abkommensrechts sein kann.

Die Klägerin, eine in Deutschland ansässige Europäische Gesellschaft (SE), unterhält zahlreiche Zweigniederlassungen im Ausland. Deren Mitarbeiter reisten regelmäßig für kurzfristige Einsätze – etwa Schulungen oder Projektarbeiten – nach Deutschland. Die Vergütung sowie die Reisekosten wurden vollständig von den jeweiligen ausländischen Niederlassungen übernommen. Streitpunkt war, ob die Klägerin verpflichtet war, für den auf diese Inlandsdienstreisen entfallenden Arbeitslohn Lohnsteuer in Deutschland einzubehalten.

Grundsätze des OECD-Musterabkommens

Nach Artikel 15 Absatz 1 des OECD-Musterabkommens (OECD-MA) ist grundsätzlich der Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers für die Besteuerung des Arbeitslohns zuständig. Wird die Tätigkeit jedoch im Ausland ausgeübt, steht dem Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zu – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen gemäß Absatz 2:

a) Der Arbeitnehmer hält sich mehr als 183 Tage im Tätigkeitsstaat auf,

b) die Vergütung wird von einem Arbeitgeber gezahlt, der im Tätigkeitsstaat ansässig ist, oder

c) die Vergütung wird von einer Betriebsstätte oder festen Einrichtung getragen, die der 
    Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat unterhält.

Im vorliegenden Fall hielten sich die Mitarbeiter der ausländischen Niederlassungen jeweils weniger als 183 Tage in Deutschland auf. Die Vergütung wurde von den ausländischen Betriebsstätten getragen. Umstritten war allein, ob die Zahlungen der ausländischen Niederlassungen als Vergütung „für“ die in Deutschland ansässige SE als Arbeitgeberin oder „für“ die ausländische Betriebsstätte als eigenständigen Arbeitgeber im Sinne des Abkommens zu werten sind.

Entscheidung des Bundesfinanzhofs

Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied, dass eine ausländische Betriebsstätte nicht als eigenständiger Arbeitgeber im Sinne der Doppelbesteuerungsabkommen gelten kann. Eine Betriebsstätte sei keine eigenständige juristische Person, sondern rechtlich unselbständig. Daher könne sie nicht als abkommensrechtlicher Arbeitgeber angesehen werden. Folglich besteht trotz der kurzen Aufenthaltsdauer und der Kostenübernahme durch die ausländische Niederlassung ein deutsches Besteuerungsrecht. Die Vergütung wird der in Deutschland ansässigen SE als Arbeitgeberin zugerechnet. Für die Tage, an denen sich die Arbeitnehmer in Deutschland aufhielten, war daher Lohnsteuer einzubehalten.

Folgen für die Praxis

Die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung wurde damit höchstrichterlich bestätigt. Für international tätige Unternehmen bedeutet dies, dass bei der lohnsteuerlichen Behandlung von Dienstreisen besondere Sorgfalt erforderlich ist. Reisen Mitarbeiter ausländischer Niederlassungen für kurzfristige Einsätze – etwa Schulungen oder Seminare – nach Deutschland, ist die auf diesen Zeitraum entfallende Vergütung in Deutschland lohnsteuerpflichtig und entsprechend abzuführen.

Beispiel: Kurzfristige Schulung in Deutschland

Unternehmen: 
Die „TechGlobal SE“ hat ihren Hauptsitz in Berlin und eine Zweigniederlassung in Madrid, Spanien.

Situation: 
Ein Mitarbeiter aus Madrid wird für eine einwöchige Schulung nach Berlin geschickt.

Dauer des Aufenthalts: 5 Tage

Gehalt und Reisekosten: werden komplett von der Niederlassung in Madrid gezahlt

Frage: 
Muss TechGlobal SE in Deutschland Lohnsteuer für diese 5 Tage einbehalten?

Antwort laut BFH: 
Ja. Auch wenn die spanische Niederlassung das Gehalt zahlt, gilt rechtlich die deutsche Muttergesellschaft als Arbeitgeber. Die spanische Niederlassung ist keine eigenständige juristische Person. Deshalb muss TechGlobal SE für die 5 Tage, die der Mitarbeiter in Deutschland arbeitet, Lohnsteuer einbehalten und an das deutsche Finanzamt abführen.

Kontakt

 Christian Lebrecht, Referatsleiter Lohn-, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Abgabenordnung
Christian Lebrecht Referatsleiter Arbeitnehmerbesteuerung, Reisekosten, Erbschaft- und Schenkungsteuer