Brasilianische G20-Präsidentschaft 2024
Besonderer Schwerpunkt der brasilianischen G20-Präsidentschaft 2024 war die Bekämpfung von Hunger, Armut, den Folgen der Klimaerwärmung und der globalen Ungerechtigkeit („globaler Süden“). Die hierzu erforderlichen finanziellen Mittel könnten, so der Vorschlag des brasilianischen Staatspräsidenten Luiz Inácio Lula da Silva und des Finanzministers Fernando Haddad, durch eine sogenannte Milliardärssteuer generiert werden, die auch Unternehmer treffen könnte.
Billionaire Tax
Das Konzept eines „Coordinated Minimum Effective Taxation Standard for Ultra-High-Net-Worth Individuals“ wurde von Gabriel Zucman, Professor an der Paris School for Economics (PSL) und der University of California, Berkely entwickelt. Zucman ist zugleich Direktor des im Jahr 2021 gegründeten EU-Tax Observatory (EUTO) in Paris und forscht insbesondere zu den Auswirkungen der weltweiten Vermögens- und Einkommensungleichheit.
Der am 25. Juni 2024 vorgestellte Bericht (Blueprint) (LINK EUTO) schlägt die Einführung eines internationalen Besteuerungsstandards für vermögende Privatpersonen vor: diese sollen jährlich eine Steuerzahlung von mindestens 2 Prozent ihres Vermögens leisten.
- Dem neuen Besteuerungsregime sollen Privatpersonen mit einem Gesamtvermögen (Vermögensgegenstände, Grundbesitz, Gesellschaftsanteile, Wertpapiere etc.) von mindestens 1 Milliarden USD („Ultra-High-Net-Worth Individuals“ - UHNWI) unterliegen.
- Diese sollen einer effektiven jährlichen Mindestbesteuerung von mindestens 2 Prozent ihres Vermögens unterworfen werden („minimum effective taxation“).
- Den teilnehmenden Staaten bliebe es freigestellt, diese effektive Steuerbelastung entweder im Wege der regulären nationalen Einkommens- beziehungsweise Vermögensbesteuerung oder einer zusätzlich erhobenen Ergänzungssteuer (Top-up Tax) herzustellen.
- Nach Berechnungen von Zucman würden weltweit ca. 2.900 – 3.000 Personen mit einem Vermögen von mindestens 1 Milliarden USD erfasst. Basierend auf einem Steuersatz von 2 Prozent könnten ca. 200 – 250 Milliarden USD an zusätzlichen Steuereinnahmen p.a. erzielt werden.
- Zur Erhebung einer derartigen (nationalen) Ergänzungssteuer wäre ein koordinierter Informationsaustausch der Steuerverwaltungen erforderlich, um eine breite Erfassung des Vermögens (auch versteckten Vermögens) vornehmen zu können. Hierzu könnte ein neuer Reporting Standard for Ultra-High-Net-Worth Individuals etabliert werden, der Bankkonten, Aktienbesitz, Grundbesitz etc. umfasst. Vermögenswerte wie Boote, Kunstgegenstände etc. werden hingegen als vernachlässigbare Größen angesehen. Bei der Umsetzung könnte auf Erfahrungen aus dem internationalen Besteuerungsprojekt zur Globalen Mindestbesteuerung von Unternehmen (GloBE/Pillar Two) aufgebaut werden, an dem bislang über 130 Staaten teilnehmen.
Dem Vorschlag liegt die These zugrunde, dass superreiche („super-rich“) Privatpersonen einem geringeren Einkommensteuersatz als Bezieher geringer beziehungsweise mittlerer Einkommen unterliegen, da diese in der Lage sind, steuerpflichtiges Einkommen durch die Nutzung von Holdinggesellschaft und ähnlicher Strukturen zu vermeiden.
Keine Einigung der G20-Staaten
Auf dem G20-Summit am 18./19. November 2024 verständigten sich die Staats- und Regierungschefs in ihrem Abschlusscommuniqué („Leaders‘ Declaration“ LINK ) nicht auf diesen Vorschlag, sondern auf gemeinsame Anstrengungen zur Sicherstellung einer effektive Besteuerung von entsprechenden Personen [„20. With full respect to tax sovereignty, we will seek to engage cooperatively to ensure that ultra-high-net-worth individuals are effectively taxed. … ]“ .Es ist zu erwarten, dass dieses Dossier von der am 1. Dezember 2024 beginnenden südafrikanischen G20-Ratspräsidentschaft weitergeführt wird.
Greenpeace
Die Umweltorganisation Greenpeace hat am 6. Dezember 2024 ein – an den G20-Bericht angelehntes – Steuerkonzept veröffentlicht („BILLIONS FOR MILLIONS - Eine Milliardärssteuer mit ökologischer Lenkungswirkung für eine gerechte Zukunft“, LINK ). Dieses sieht eine Steuer von 2 Prozent auf Vermögen ab 100 Millionen Euro vor und würde ca. 4.700 sogenannte „Superreiche“ in Deutschland betreffen. Investiertes Vermögen, das nicht den Pariser Klimazielen entspricht, soll zudem mit 0,5 Prozent höher besteuert werden. Zwischen 2025 und 2030 könnten nach Angaben von Greenpeace ca. 200 Milliarden Euro an Mehreinnahmen generiert werden, wobei die Studie Vorschläge zur konkreten Mittelverwendung unterbreitet.
Hohe administrative Voraussetzungen
- Für die avisierte Besteuerung wäre eine konkrete und rechtssichere Zuordnung von Vermögenswerten zu einem Steuersubjekt zwingend erforderlich. Dieses kann sich jedoch zum Beispiel bei einem Abweichen der juristischen von der wirtschaftlichen Berechtigung (beneficial ownership) oder der Zwischenschaltung von Beteiligungsgesellschaften schwierig gestalten.
- Der Besteuerungszugriff müsste mit den vorhandenen Ressourcen der Finanzverwaltung bewältigt und für die in Frage kommenden Steuerpflichtigen ein weltweites Verzeichnis der ihm zuzuordnenden Vermögenswerte erstellt und ständig aktualisiert werden.
Hierzu müssten alle beteiligten Finanzverwaltungen ein gemeinsames Vermögensregister erstellen, um die Vermögensgegenstände vollständig zu erfassen. - Überdies müsste eine Einigung der Staaten erzielt werden, welcher Staat (oder mehrere Staaten in welchem Verhältnis) die Besteuerung vornehmen dürfen, wie eine Betriebsprüfung ablaufen und vor welchen (nationalen) Gerichten der Rechtsweg beschritten werden könnte.