Der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) definiert klare Vorgaben für Eckpfeiler der nationalen Haushalts- und Finanzpolitik. Er ist ein regelbasierter Rahmen für die Koordinierung und Überwachung der nationalen Finanzpolitiken in der EU. Der Pakt wurde im Jahr 1997 geschlossen, um solide öffentliche Finanzen als eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) und damit des Euro als gemeinsame Währung zu garantieren.
Zielmarken bleiben nach Reform unverändert
Auch nach seiner maßgeblich durch Deutschland betriebenen Reform gelten zwei wesentliche Kriterien des SWP fort: Zielmarke ist zum einen eine Staatsschuldenquote von maximal 60 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) und zum anderen ein maximal zulässiges strukturelles Defizit von drei Prozent des BIP. Für Deutschland werden für 2024 eine Staatsschuldenquote von 64 Prozent des BIP und ein Defizit von knapp zwei Prozent des BIP prognostiziert.
Liegt ein Staat oberhalb eines oder beider Werte, greift der sogenannte präventive Arm des Paktes. Die Mitgliedstaaten handeln mit der EU-Kommission mittelfristige Pläne aus, die die Entwicklung der Verschuldung auf einen Abwärtspfad führen und zuverlässig zu einer zukünftigen Einhaltung der Regeln führen sollen. Ausgangspunkt ist dafür eine Schuldentragfähigkeitsanalyse der Kommission, in die zahlreiche Faktoren wie das Wachstumspotenzial und die demographische Entwicklung einfließen. Auf dieser Grundlage werden Fiskalpläne vereinbart, die den Staaten für vier bis sieben Jahre verbindliche Obergrenzen für ihre Netto-Primärausgaben – die sogenannten Ausgabenpfade – vorgeben. Die siebenjährige Frist ist an die Vereinbarung zielführender Reformen beziehungsweise Investitionen geknüpft.
Die Netto-Primärausgaben sind Staatsausgaben ohne Zinsausgaben und bereinigt um Ausgaben für Programme der EU, die vollständig durch Einnahmen aus den Unionsfonds ausgeglichen werden, nationale Ausgaben für den Kofinanzierungsanteil von EU-Programmen, konjunkturelle Komponenten der Ausgaben für Leistungen bei Arbeitslosigkeit und einmalige und sonstige befristete Maßnahmen sowie diskretionäre einnahmeseitige Maßnahmen (zum Beispiel wird eine Senkung von Steuersätzen wie eine Ausgabensteigerung in Höhe der erwarteten Mindereinnahmen gezählt).
Die Finanzplanung muss insbesondere vorsehen, dass die Entwicklung der öffentlichen Ausgaben in einer Anpassungsperiode bis 2028 hinter der wirtschaftlichen Entwicklung zurückbleibt. Zudem darf die erforderliche Konsolidierung nicht an das Ende der Anpassungsperiode verschoben werden.
Deutschland verfehlt Termin
Deutschland hat den Termin zur Vorlage seines mittelfristigen Plans nicht eingehalten. Ursache sind unter anderem unterschiedliche Interpretationen zwischen der Bundesregierung und der EU-Kommission über die Datenbasis und den Umfang der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen. Der unabhängige wissenschaftliche Beirat beim Stabilitätsrat, dem Gremium, das in Deutschland für die gesamtwirtschaftliche Überwachung der Haushaltspolitik zuständig ist, mahnt in einer aktuellen Stellungnahme auch offene Punkte an. So sei bisher nicht transparent dargestellt, wie sich der Referenzpfad der EU-Kommission im Einzelnen herleitet (Annahmen und Szenarien) und wie genau die gesamtwirtschaftliche und gesamtstaatliche Projektion der Bundesregierung aussieht.
Schwierige Signalwirkung in Europa
Die öffentlichen Finanzen sind in vielen europäischen Ländern spätestens mit der Corona-Pandemie und mit den Folgen des Ukraine-Krieges unter Druck geraten. Einige Mitgliedstaaten, wie zum Beispiel Frankreich, bemühen sich jetzt intensiv um einen Konsolidierungspfad. Für die Sicherung der Euro-Stabilität ist das neben der erfolgreichen Bekämpfung der Inflation eine wichtige Voraussetzung. Es wäre für die Märkte kein gutes Signal, wenn Deutschland die gerade reformierten EU-Fiskalregeln verletzt. Die Folgen einer Verunsicherung der Finanzmärkte wären für die Unternehmen erheblich.
Um die Glaubhaftigkeit des SWP nicht dauerhaft zu erschüttern, wäre es deshalb von Nöten, dass Deutschland seine Finanzplanung an die europäischen Vorgaben anpasst. Dabei wäre es sinnvoll, die notwendige Konsolidierung mit Reformen zu verbinden, die vor allem das Wachstumspotenzial der deutschen Wirtschaft stärken und so mittelfristig zu soliden öffentlichen Finanzen beitragen.