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DIHK-Position: Wirtschaft und Verteidigung

Herausforderungen in neuer sicherheitspolitischer Lage
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Verteidigung ist eine gesamtwirtschaftliche Aufgabe

© Getty Images | Bundesministerium der Verteidigung

Vor dem Hintergrund der veränderten geopolitischen Sicherheitslage wächst die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden – mit neuen Aufgaben für Unternehmen und die IHK-Organisation. Das DIHK-Präsidium hat dazu am 25. Juni 2025 die nachfolgende Position beschlossen.

Spätestens seit der Ausweitung des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 hat sich die geopolitische Sicherheitslage stark verändert. Auf die Wirtschaft wirkt sich das nicht zuletzt über gestörte Lieferketten, hohe Energiepreise und hybride Bedrohungen aus. Die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu gewährleisten und insgesamt die Anpassung an eine sich verändernde politische Weltlage, ist eine immense Herausforderung für alle politisch Verantwortlichen – und für die Wirtschaft. Dabei sind die aktuellen Herausforderungen auch deshalb so groß, weil aus heutiger Sicht seit Ende des Kalten Krieges zu wenig in zivile und militärische Infrastruktur, Verteidigung und Sicherheit investiert wurde.

Die Politik hat Kurskorrekturen bei Verteidigung und Krisenprävention vorgenommen – mit unmittelbaren Auswirkungen auch auf Unternehmen und Wirtschaft insgesamt. Unternehmen sind etwa eine wichtige Stütze im Bereich der Logistik und der Versorgung von Bevölkerung sowie Streitkräften. Auf nationaler Ebene wurde die Zeitenwende mit der "Nationalen Sicherheitsstrategie" und der "Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie" eingeleitet. Zudem wurde die Finanzierung von Verteidigungsausgaben durch eine Grundgesetzänderung langfristig gesichert. Die Bundesregierung hat weitere konkrete Maßnahmen angekündigt, zum Beispiel die Einführung eines Nationalen Sicherheitsrats, die Beschleunigung bei Beschaffungsverfahren und beim Ausbau der sicherheitsrelevanten Infrastruktur sowie den Abbau von Exporthürden für "Dual-Use"-Güter. Eingeführt werden soll ein Wehrdienst (zunächst) auf freiwilliger Basis. Diese Maßnahmen sind von hoher Relevanz für die Wirtschaft.

Unter der Federführung des Bundesministeriums des Inneren und in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Verteidigung (BMVg) wurde im Jahr 2024 die "Rahmenrichtlinie Gesamtverteidigung" überarbeitet. Sie beschreibt das Zusammenspiel der militärischen und zivilen Akteure und betrifft damit Maßnahmen der Bundeswehr und Aspekte des Zivilschutzes wie Telekommunikation, Cybersicherheit, Verkehr, Energie-, Rohstoff-, Gesundheits- oder Lebensmittelversorgung bis hin zur Sicherstellung und Einbindung der Wirtschaft. Gesamtverteidigung wird als gesamtwirtschaftliche und gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden. Die aktuellen Herausforderungen bei der äußeren Sicherheit und beim Wirtschaftsschutz verschärfen die Dringlichkeit vieler von der Wirtschaft ohnehin geforderten Maßnahmen: Bürokratieabbau, Infrastrukturmodernisierung, Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren, klare Zuständigkeiten in Verwaltung und Sicherheitsbehörden, Steigerung der Produktivität, Gewinnung von Arbeits- und Fachkräften. Gesamtverteidigung betrifft somit viele Wirtschaftsbereiche, den mittelständischen Zulieferbetrieb, der kritische Rohstoffe und Vorprodukte benötigt, ebenso wie die Logistiker, die den Einzel- und Großhandel mit Produkten des täglichen Lebens beliefern, Banken, die Finanzierungen und die Bargeldversorgung absichern, die Gesundheitswirtschaft, die zusätzlich zur Versorgung der Zivilbevölkerung im Ernstfall auch Verletzte und Verwundete behandeln müsste, Programmierende, die Cybersicherheits-Software entwickeln, Energieversorger, die die Wasser-, Strom- und Kraftstoffversorgung sicherstellen, und nicht zuletzt unmittelbar die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie mit ihren tausenden Zulieferbetrieben. 

Mit der Umsetzung des "Operationsplan Deutschland" der Bundeswehr rückt neben der Wirtschaftspolitik auch die operative Ebene in den Fokus, die zivilmilitärische Zusammenarbeit vor Ort in den Regionen. Neben den Unternehmen erfüllen dabei die IHKs eine Schlüsselfunktion. Sie bilden die Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Bundeswehr, indem sie beispielsweise Betriebe informieren und beraten, Netzwerkformate anbieten und den lokalen Kontakt zur Bundeswehr und zu Zivilschutzorganisationen organisieren. In unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Lagen Deutschlands übernehmen sie als Körperschaften des öffentlichen Rechts auch hoheitliche Aufgaben, wie Stellungnahmen zur Unabkömmlichkeit von Mitarbeitenden der Unternehmen. Nach dem Wirtschaftssicherstellungsgesetz könnten die IHKs zur direkten Mitwirkung verpflichtet werden. 

Die wichtige Rolle der IHK-Organisation und ihrer Mitgliedsunternehmen im Kontext der internationalen und nationalen Sicherheitspolitik besteht auch darin, sich auf ernste Sicherheitslagen und eine Reihe von Aufgaben vorzubereiten, die Unternehmen im Ernstfall erfüllen müssen. Zwar sind diese Aktivitäten darauf ausgerichtet, den Ernstfall zu verhindern – das schließt aber auch ein, materiell und organisatorisch auf eine solche Situation vorbereitet zu sein.

Insgesamt ist es sowohl im Interesse der Wirtschaft als auch der Bundeswehr, wenn Deutschland noch konsequenter unnötige Bürokratie abbaut und Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt. Das gilt besonders für die verteidigungsrelevante Infrastruktur, weil hier die Zeit drängt. Die Vorschläge der IHK-Organisation zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren liegen der Bundesregierung vor. Sie sollten umfassend und schnell umgesetzt werden.

Erste umgesetzte Beschleunigungsmaßnahmen greifen allerdings zu kurz, weil sie beispielsweise auf die Schiene fokussiert sind und nicht auch Projekte für Straßen, Wasserwege und Flughäfen – insbesondere Regionalflughäfen – umfassen. Nur wenn es bei Planungs- und Genehmigungsverfahren eine durchgreifende und flächendeckende Beschleunigung gibt, können auch die mit dem Sondervermögen Infrastruktur geschaffenen Finanzierungsmöglichkeiten privater Unternehmen sinnvoll genutzt und in Investitionen und Produktionsprozesse umgesetzt werden. Die Sanierung der gesamten Infrastruktur –darunter auch Kasernen und Übungsplätze – voranzubringen, ist wesentliche Voraussetzung eines erfolgreichen Konzepts der Gesamtverteidigung. Bei der Umsetzung der Maßnahmen sollten Synergien, Mehrfachnutzungen und weitere positive Effekte für die Gesamtwirtschaft aktiv ermittelt und genutzt werden.

Eine funktionsfähige Infrastruktur ist der Schlüssel zur Verteidigungsfähigkeit. Deshalb will die Bundesregierung mit Investitionen in die Infrastruktur, insbesondere den Sanierungsstau bei Brücken und Tunneln, auflösen. Modernisierungen und Engpassbeseitigungen im Verkehrsbereich, beim Ausbau des Stromnetzes und von dezentralen Stromerzeugungseinheiten sollten schnell umgesetzt werden. Das gilt bundesweit auch für die Ausweisung von Gewerbeflächen, insbesondere für Produktionsstätten der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie und deren Zulieferbetriebe. Einfacher und schnell – das gilt auch für auf europäischer Ebene vereinbarte Projekte. Im Konfliktfall wird Deutschland nur dann als Drehscheibe für militärische Transporte und Bewegungen funktionieren, wenn die zentrale Verkehrsinfrastruktur und resiliente Energienetze die erhöhten Anforderungen erfüllen. Hierzu gehört auch, an entscheidenden Stellen parallele Strukturen zu schaffen – zum Beispiel mehrere Bahnverbindungen aus den Häfen ins Inland. Investitionen in resiliente und leistungsfähige Infrastrukturen sollten so erfolgen, dass sie den Anforderungen der Gesamtverteidigung, aber auch den Bedarfen der Wirtschaft entsprechen.

Öffentliche Planungsträger sollten Umwidmungen oder Rückbau bestehender Infrastrukturen wie Hafen-, Bahn- und Gewerbeflächen stoppen, um eine langfristige Planungs- und Nutzungssicherheit zu gewährleisten. Zu den Flächen, die für den Ausbau der Verteidigungsfähigkeit benötigt werden, kommen Flächenansprüche für Industrieansiedlungen hinzu. Restriktive Planungsvorgaben, wie das Einhalten von Flächensparzielen, sollten weder den Ausbau der Verteidigungsfähigkeit noch die Entwicklung der Wirtschaft hemmen.

Die Bundesregierung hat angekündigt, die Belange und die Infrastrukturmaßnahmen zur Gesamtverteidigung "als überragendes öffentliches Interesse festzuschreiben und in der Umsetzung gegenüber anderen staatlichen Aufgaben zu priorisieren". Damit werden andere Interessen und Abwägungen nicht aufgehoben, die notwendigen Maßnahmen werden jedoch mit einer hohen Gewichtung behandelt, ohne andere Schutzgüter pauschal zu vernachlässigen. Hinzu kommt, dass mit Blick auf den Umfang der vorgesehenen Baumaßnahmen die bestehenden Systeme der Baustellenkoordinierung in Deutschland dringend verbessert werden müssen. Es ist daher erforderlich, ein umfassendes digitales Baustellenmanagement einzuführen, das den Unternehmen bundesweit verständliche und verlässliche Informationen für die Routenplanung zur Verfügung stellt. 

Wegen des hohen Sanierungsbedarfs vieler Liegenschaften der Bundeswehr bedarf es auch in diesem Bereich spezifischer Beschleunigungsmaßnahmen, damit die hier gebundenen Kapazitäten der Baubranche schnell wieder der Wirtschaft und für die Infrastrukturmodernisierung zur Verfügung stehen. Als Beispiel könnte hier das bayerische Gesetz zur Förderung der Bundeswehr herangezogen werden. Auch sollte die Bundesregierung die Art und Weise der Öffentlichkeitsbeteiligung insbesondere in der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie sowie Unternehmen der kritischen Infrastruktursektoren überprüfen. Denn öffentlich einsehbare Pläne für den Neu- oder Ausbau sicherheitsrelevanter Produktionsstätten oder von Anlagen kritischer Infrastruktur sind anfällig für Spionage- und Sabotageaktivitäten.

Die sicherheitspolitische Lage erfordert eine signifikante Stärkung der Verteidigungsfähigkeit – strukturell wie personell. Der geplante Ausbau der Bundeswehr und die politische Diskussion um eine Rückkehr zum Wehrdienst werfen daher die Frage auf, wie sich Verteidigungsfähigkeit mit dem ohnehin angespannten Arbeitsmarkt und dem in vielen Branchen offensichtlichen Fachkräftemangel vereinbaren lässt. Eine personelle Stärkung der Bundeswehr und des Zivilschutzes wird den Wettbewerb um qualifiziertes Personal weiter verschärfen. Umso wichtiger ist es, Wehrdienst, Berufliche Bildung und Arbeitswelt ganzheitlich zu denken – zum Vorteil von Gesellschaft, Staat und Wirtschaft. Eine tragfähige Verteidigungsstrategie sollte deshalb auch die langfristige Fachkräftesicherung und die wirtschaftlichen Auswirkungen in den Blick nehmen. Bei der Lösungsfindung sollten auch die Erfahrungen und Vorgehensweisen in anderen Staaten berücksichtigt werden.

Wechselwirkung von Wehrdienst und Arbeitsmarkt

Laut Bundeswehr und Bundesregierung erfordert eine hinreichende Verteidigungsfähigkeit Deutschlands eine Erhöhung der Zahl der Soldat/innen und Reservisten/innen auf 450.000 bis 500.000. Derzeit verfügt die Bundeswehr über etwa 182.000 Soldat/innen und rund 34.000 Reservisten/innen. Um die "Personallücke" zu schließen, hat die Bundesregierung einen zunächst auf Freiwilligkeit basierenden Wehrdienst angekündigt (nach dem schwedisches Wehrdienstmodell). Nach Einschätzungen aus Fachkreisen könnte ein vollständiger Aufbau der erforderlichen Strukturen für eine umfassende Wehrpflicht bis zu zehn Jahre in Anspruch nehmen. Die Bundesregierung will noch im laufenden Jahr 2025 die Voraussetzungen für eine Wehrerfassung und die Wehrüberwachung schaffen. Die Wirtschaft sollte unbedingt in diese Prozesse eingebunden werden, weil dann die Auswirkungen eines wegen des Wehrdienstes erst späteren Beginns einer beruflichen oder einer Hochschulausbildung umfassender bewertet werden können. 

Die Weichenstellungen in der "Wehrdienst-Frage" sind von so großer Bedeutung, dass hierzu noch eine intensive Abwägung in der IHK-Organisation erfolgen wird. Eine sofortige Wiedereinführung einer allgemeinen Wehrpflicht wäre schon aus praktischen und organisatorischen Gründen nicht möglich, weil Ausbildungs-, Ausstattungs- und Unterbringungsmöglichkeiten (wie Kasernen) fehlen. Geprüft werden könnten Möglichkeiten einer schrittweisen Wiedereinführung der Wehrpflicht, um die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt abzumildern. Angesichts des verbreiteten Fachkräftemangels sollte sichergestellt sein, dass etwa in Mangelberufen eine niederschwellige Freistellung möglich ist. Um negativen Auswirkungen eines verpflichtenden Wehrdienstes auf den Fachkräftemangel im Betriebsablauf der Unternehmen zu reduzieren, kommt auch der Gewinnung von ausländischen Fachkräften eine Bedeutung zu. 

Förderung von Reservetätigkeit und Engagement in Blaulichtorganisationen

Für die Bundeswehr ist auch der Ausbau der Reserve von großer Bedeutung. Es sollten attraktive Angebote entwickelt werden, damit Menschen ihre Fähigkeiten und Erfahrungen in die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands einbringen können. Das setzt jedoch entsprechende Rahmenbedingungen und einen intensiven Austausch mit der Wirtschaft voraus. Einerseits sollten Unternehmen Freistellungen für Reservistendienste oder Engagements in Blaulichtorganisationen wie THW, Feuerwehr und anderen zivilen Hilfsorganisationen aktiv unterstützen, ohne dadurch unverhältnismäßig hohe wirtschaftliche Nachteile befürchten zu müssen. Andererseits ist die Bundeswehr gefordert, die Interessen der Wirtschaft zu berücksichtigen – etwa durch eine vorausschauende langfristige Planung von Übungen. Unternehmen sollten jederzeit in der Lage sein, auf die Herausforderung eines temporären Ausfalls von Personal reagieren zu können. So könnten etwa Bauunternehmen im Winter oder der Einzelhandel in umsatzschwächeren Monaten eher auf Personal verzichten als während saisonaler Spitzenzeiten. Ein digitales Datenportal oder Kalender zum Austausch zwischen Reservisten, Arbeitgebern und Bundeswehr wäre hierfür eine innovative Lösung. 

Im Spannungs- oder Verteidigungsfall werden nicht nur Reservist/innen einberufen, sondern auch Beschäftigte, die sich in zivilen Hilfsorganisationen engagieren. In vielen Betrieben ist allerdings nicht bekannt, welche Mitarbeitenden im Krisenfall eine solche externe Dienstverpflichtung hätten. Bund und Länder sollten deshalb für Unternehmen einen rechtlichen Rahmen schaffen, der entsprechende betriebsinterne Abfragen ermöglicht. Es ist im Eigeninteresse der Unternehmen, anhand dieser Daten das Engagement der Belegschaft abschätzen und Krisen- sowie Notfallpläne entwickeln zu können. Erst dann ist es möglich, personelle Ausfälle realistisch einschätzen zu können und kritische Unternehmensbereiche frühzeitig abzusichern. Die Wirtschaft übernimmt damit Verantwortung – als Teil eines funktionierenden zivilen Rückgrats in der Gesamtverteidigung.

Attraktivität des Wehrdienstes durch Weiterbildung steigern

Die berufliche Weiterbildung ist ein zentraler Ansatzpunkt, um die Attraktivität des Wehrdienstes zu steigern. Denn auf diesem Weg können Wehrdienstleistende während Ihrer Zeit bei der Bundeswehr Qualifizierungen erwerben, die sie später in ihrem beruflichen Alltag nutzen können. Daher sollte die Zusammenarbeit des Berufsförderungsdienstes der Bundeswehr (BFD) mit den IHKs verbessert werden, damit sowohl Bundeswehr als auch die Wirtschaft Synergien besser nutzen können. Denkbar wäre auch eine optionale Dienstzeitverlängerung im Gegenzug für weitergehende Qualifikationen. Die IHK-Angebote zur beruflichen Weiterbildung könnten hier systematisch einbezogen werden, zum Beispiel bei Weiterbildungsmaßnahmen in Bereichen wie der Informationstechnik, dem Sicherheitsgewerbe, der Lagerlogistik oder dem technischen Grundverständnis. So ließe sich die Dienstzeit nicht nur sicherheitspolitisch, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll nutzen – als Brücke zwischen Wehrdienst, Arbeitsmarktintegration und Fachkräftesicherung.

Die Wirtschaft soll zukünftig eine wichtige Rolle als leistungsfähiger Unterstützer des Staates im Rahmen der Gesamtverteidigung spielen – etwa beim Aufbau logistischer Kapazitäten, bei der Sicherung der Produktion oder der Zurverfügungstellung von personellen Ressourcen. So werden in einem Krisenfall auch zivile Transportkapazitäten benötigt, etwa zur Versorgung, Evakuierung oder Truppenverlegung. Dafür ist jedoch eine entsprechend breite Basis an Fahrpersonal erforderlich, auf die zuverlässig zugegriffen werden kann. Viele Beschäftigte haben allerdings mittlerweile meist eine ausländische Staatsangehörigkeit, sodass sie im Spannungs- und Verteidigungsfall mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eingesetzt werden können. Um dem akuten Mangel an Fahrpersonal mit deutscher Staatsbürgerschaft entgegenzuwirken, könnten beispielsweise gezielte Qualifizierungsmaßnahmen im Rahmen des Wehrdienstes einen Beitrag leisten: Wehrdienstleistende sollten eine Lkw- oder Bus-Fahrberechtigung erwerben können – und damit mit einer zusätzlich beruflich nutzbaren Qualifikation in das zivile Erwerbsleben zurückkehren.

Sicherheitsprüfungen durch Digitalisierung beschleunigen

Viele Unternehmen der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie erweitern derzeit ihre Produktionskapazitäten, um die gestiegene Nachfrage nach militärischem Gerät, Ausrüstungen, Fahrzeugen oder Kommunikationssystemen bedienen zu können. Dafür werden dringend zusätzliche Fachkräfte benötigt. In der Praxis zeigt sich, dass die erforderlichen Sicherheitsüberprüfungen für neue Mitarbeitende in dieser Branche und in KRITIS-Unternehmen angesichts begrenzter behördlicher Kapazitäten einen erheblichen Engpass darstellen. Gleiches gilt für Mitarbeitende von IHKs und anderen Institutionen, wenn sie künftig in sicherheitsrelevanten Bereichen – etwa in Krisenstäben – eingebunden werden. Um sicherzustellen, dass sicherheitsrelevante Funktionen zeitnah besetzt werden können, sollten auch hier beschleunigte Verfahren realisiert werden. Hier sollten Verfahren eingesetzt werden, die sicherheitsrelevante Bereiche und Bereiche ohne sensible oder sicherheitskritische Informationen und Technologien unterscheiden. Dadurch könnten Verzögerungen bei der Einstellung und Nachteile im Wettbewerb um knappe Fachkräfte vermieden werden. Wenn Sicherheitsüberprüfungen mehrfach oder durch verschiedene Behörden durchgeführt werden, sollten Erkenntnisse im Sinne der Amtshilfe ausgetauscht werden können. Dadurch würden auch knappe Ressourcen der Behörden frei. 

Die Gewährleistung der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands ist eine komplexe Aufgabe. Der Übergang vom Frieden zu ersten Sicherheitslagen bis hin zum Verteidigungsfall ist fließend. In allen Phasen sollten wirtschaftliche Abläufe und Marktmechanismen funktionieren. Zusätzlich zur konkreten militärischen Gefahrenabwehr sind heute neue Dimensionen von Bedrohungen präsent, die eine adäquate Abwehrstrategie erfordern. Neben dem Weltraum umfasst dies Medien-, Energie- und Rohstoffsicherheit sowie längst und in rasant zunehmendem Ausmaß die Cybersicherheit. Die deutsche Wirtschaft ist bereits heute von hybriden Destabilisierungsmaßnahmen betroffen, die Militär und Wirtschaft zum Ziel haben, ohne dass die rechtliche Grenze zum bewaffneten Konflikt überschritten ist. Solche Maßnahmen umfassen auch Sabotageakte auf kritische Infrastruktursysteme wie der Energie- und Gesundheitsversorgung. Daher stehen Prävention und Widerstandsfähigkeit auf Seiten der Unternehmen immer stärker im Vordergrund.

Cyber- und Energiesicherheit sicherheitspolitisch denken

Cyberangriffe oder hybride Angriffe auf kritische Infrastrukturen haben in den vergangenen Jahren immer wieder offengelegt, wie schnell die Leistungsfähigkeit der Infrastruktur beziehungsweise der KRITIS-Unternehmen beeinträchtigt oder gar ausgeschaltet werden kann. Während diese Attacken bisher häufig kriminellen Ursprungs waren, sind sie ebenfalls Teil der hybriden Kriegsführung. Ziel solcher Maßnahmen ist es, staatliche strukturelle Daseinsvorsorge und Logistik zu destabilisieren – und damit auch die Unternehmen. Deshalb sollte die Bundesregierung verstärkt in die Resilienz von öffentlichen Einrichtungen und Infrastrukturen sowie kritischer, verteidigungsrelevanter Anlagen investieren. In einer gesamtheitlichen Perspektive zur Cybersicherheit sind neben technischen Komponenten auch menschliche Risikofaktoren zu berücksichtigen. Für mehr Cybersicherheit sind daher auch regelmäßige Schulungen und die Überprüfung betriebsinterner Abläufe beziehungsweise der kritischsten Geschäftsprozesse wichtig. 

Damit die Unternehmen mehr Sicherheit über die gesetzlichen Anforderungen erhalten, sollte die Bundesregierung zügig und bürokratiearm die Richtlinie über Maßnahmen für ein hohes gemeinsames Cybersicherheitsniveau (sogenannte "NIS-2-Richtlinie") und die EU-Richtlinie zur Stärkung der Resilienz kritischer Anlagen (sogenannte "CER-Richtlinie") in nationales Recht umsetzen. Ergänzend können die IHKs über ihre Informations- und Beratungsfunktionen einen wesentlichen Beitrag leisten. Die gesamte Wirtschaft ist gefordert, ihre kritischen Geschäftsbereiche abzusichern und gegebenenfalls Redundanzen zu schaffen. Diese Investitionen nehmen allerdings Ressourcen in Anspruch. Es gilt deshalb, eine Balance zu finden zwischen einem hohen Resilienzniveau und den damit einhergehenden Kostensteigerungen für einzelne Unternehmen, aber auch für den Unternehmensstandort Deutschland insgesamt. Auflagen für die Betriebe und damit entstehende zusätzliche Bürokratie sind daher der falsche Weg. 

Zentral für die Wirtschaft und die zivile sowie militärische Verteidigung ist eine stabile Energieversorgung. Daher ist es wichtig, die Energieversorgung – physisch und im Cyberraum – resilient aufzustellen. Konkret gilt es deshalb, den europäischen Energiebinnenmarkt zu stärken und noch besser durch Interkonnektoren zu verknüpfen. Das Energienetz sollte durch Redundanzen und einfache Reparaturmöglichkeiten weniger anfällig gestaltet werden. 

Lieferketten und Rohstoffversorgung resilient aufstellen

Die Unternehmen sind sich der Fragilität der internationalen Lieferketten sowie der zunehmenden Risiken bewusst. Viele haben bereits Schritte unternommen, um Risiken zu minimieren. Diese Anpassungen sind weiterhin unternehmerische Entscheidungen. Maßnahmen, die in Richtung einer staatlichen Steuerung gehen, sollten unterbleiben. Wichtig sind vielmehr die richtigen Rahmenbedingungen: Weitere Handelsabkommen und Rohstoffpartnerschaften leisten einen entscheidenden Beitrag für eine erfolgreiche Diversifizierung und eine nachhaltige Verbesserung der Resilienz. Schutzmaßnahmen mit Blick auf strategische Wertschöpfungsketten, die für den langfristigen Erfolg der deutschen Wirtschaft als sensibel gelten, sollten eng mit der Wirtschaft abgestimmt werden. 

Eine höhere Widerstandsfähigkeit kann erreicht werden, wenn KRITIS-Unternehmen sowie deren zugrundeliegende Sicherheitsstrategien, die IHKs und Körperschaften des öffentlichen Rechts verstärkt in Übungen zur nationalen Verteidigung einbezogen werden. Im Kontext sicherheitsrelevanter Strategien gewinnt die Kreislaufwirtschaft an Bedeutung – insbesondere mit Blick auf die Versorgung mit Rohstoffen und industriellen Vorprodukten. In geopolitisch angespannten Lagen kann die Rückgewinnung, Wiederverwendung und effizientere Nutzung von Materialien dazu beitragen, Abhängigkeiten zu verringern und Lieferketten stabil zu halten. Das sollte in den Einkaufsstrategien und den Krisenvorbereitungen der Unternehmen sowie der öffentlichen Hand eine Rolle spielen.

Unternehmen können dann erfolgreich sein, wenn der Staat für gute Rahmenbedingungen sorgt. Eine große Herausforderung ist, dass der Markt für Güter der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie durch zwei Eigenschaften gekennzeichnet ist, die ihn von anderen Märkten unterscheiden: Erstens ist er hoch reguliert und zweitens sind im Wesentlichen die Staaten selbst die wichtigsten Nachfrager und Abnehmer von Erzeugnissen. Das hat Konsequenzen für die erforderlichen Rahmenbedingungen, die sich von denen der "normalen" Märkte unterscheiden können. 

Nachhaltige Finanzierung von Verteidigungsausgaben im Bundeshaushalt und auf EU-Ebene

Die Grundgesetzänderung vom März 2025 ist eine Weichenstellung: Zukünftig werden Ausgaben für Verteidigung und den Zivilschutz sowie Unterstützungszahlungen an angegriffene Partnerstaaten nur noch bis zu einer Höhe von einem Prozent des BIP direkt aus dem Bundeshaushalt finanziert. Darüberhinausgehende Ausgaben kann der Bund mit Krediten finanzieren – ohne Limit und ohne Bezug auf die Schuldenregel im Grundgesetz. Gleichzeitig ist eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben geplant. Eine Erfüllung des diskutierten NATO-Ziels von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes würde nach heutigem Stand eine jährliche Kreditaufnahme von etwa 100 Milliarden Euro bedeuten. Bei 5 Prozent würde die jährliche Kreditaufnahme für diese Ausgaben sogar auf mehr als 170 Milliarden Euro steigen. Entstehende Zins- und Tilgungsleistungen müssen aus zukünftigen Haushalten geleistet werden, wodurch deren Spielraum zur Finanzierung anderer Aufgaben kleiner werden dürfte. Es bleibt also eine Kernaufgabe der Bundesregierung, durch eine richtige Prioritätensetzung die generelle Handlungsfähigkeit des Bundes und gleichzeitig die erforderlichen Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu sichern. 

Industriepolitik und die große Bedeutung von Forschung und Entwicklung

Weil der Staat Hauptabnehmer von Gütern und Produkten der Unternehmen der Sicherheits- und Verteidigungsbranche ist, benötigen die Unternehmen der betroffenen Branchen langfristige Perspektiven für den Absatz ihrer Produkte. Nur so besteht für sie die Möglichkeit, Ausweitungen von Produktionskapazitäten betriebswirtschaftlich zu planen und Lieferverträge abzuschließen – und es entstehen Anreize, mehr in Forschung und Entwicklung zu investieren. Technologische Entwicklungen im sicherheits- und verteidigungsrelevanten Bereich verlaufen dynamisch, insbesondere im Bereich unbemannter Systeme, KI und vernetzter Kommunikation. Forschungseinrichtungen, Forschungsprogramme, Stipendienprogramme, Unternehmen und Start-ups benötigen umso mehr offene Kooperationsmöglichkeiten, ein unbürokratisches Beschaffungswesen sowie klare und transparente Finanzierungsperspektiven.

Auf europäischer Ebene stehen mit dem "European Defence Fund" (EDF) beziehungsweise dem Europäischen Verteidigungsfonds (EVF) und "ReARM EU" zentrale Förderinstrumente zur Verfügung. Das Potenzial dieser Fonds wird derzeit allerdings nicht voll ausgeschöpft. Dafür sollten die Förderverfahren noch praxistauglicher ausgestaltet und der Zugang insbesondere für den industriellen Mittelstand noch einfacher werden. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Aufgabe, wie Hochschulen künftig in sicherheitsrelevante Forschung eingebunden werden können. Angesichts der geänderten Sicherheitslage sollte eine enge Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft erfolgen und sollten Hemmnisse für zivilmilitärische Forschungskooperationen abgebaut werden. Dies sollte gemeinsam mit den Hochschulen geprüft werden. Grundsätzlich kommt den IHKs im Forschungsbereich eine wichtige Rolle zu, weil sie als regionale Innovationslotsen fungieren, Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft vermitteln und insbesondere kleine und mittlere Unternehmen bei der Erschließung verteidigungsrelevanter Förderprogramme wie dem EDF unterstützen können. Sinnvoll wäre es, auf Bundesebene eine Stelle einzurichten, die nicht nur die Unternehmen zum EDF berät, sondern auch bei Bewerbungen unterstützt. Aktuell schrecken Unternehmen vor einer Bewerbung für ein EDF-Förderprogramm zurück, weil der Aufwand in keinem Verhältnis zum potenziellen Nutzen steht. 

Eine weitere Hürde sind die zu lange dauernden Sicherheitsüberprüfungen der Mitarbeiter auf europäischer Ebene, so dass sich Unternehmen nicht auf Projekte des EDF bewerben können. Diese Hürden sollte die EU-Kommission abbauen. Das BMVg sollte über einen Praxis-Check in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft bürokratische Hürden in den Förderprogrammen identifizieren und abbauen.

Zudem gilt es, urbane Innovationsökosysteme oder ländliche Cluster im Bereich Sicherheit und Verteidigung zu fördern. Durch die Einbindung von Tech-Hubs, Hochschulen, Start-ups und etablierten Unternehmen sowie die Nutzung von Reallaboren können neue sicherheitsrelevante Lösungen im Zusammenspiel von zivilen und militärischen Akteuren erprobt werden. Vernetzung und offene Kooperationsformate geben dynamische Impulse für die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie.

Finanzierung sichern und Beschaffung vereinfachen

Ziel verschiedener sogenannter "Omnibusgesetze" ist es, europäische Überregulierung, zum Beispiel in der EU-Taxonomie, zurückzunehmen – mit positiven Folgen für die Finanzierungsmöglichkeiten der wehrtechnischen Industrie. Von großer Bedeutung sind wettbewerbsfähige Finanzierungen von Marineprojekten auf deutschen Werften, weil diese Projekte sehr hohe Finanzierungsvolumina und lange Projekt- und Kreditlaufzeiten haben. Bei Spezialschiffen sind zudem die Einsatz- und Verwendungsmöglichkeiten begrenzt, weshalb hier ohnehin bereits verschärfte Anforderungen aus der Bankenregulierung vorliegen. Das sollte sowohl bei der Bankenregulierung als auch in der EU-Taxonomie berücksichtigt werden. 

Effizienzreserven sollten in der gesamten Bundeswehrverwaltung gehoben werden. Damit die Ausweitung öffentlicher Mittel für Sicherheit und Verteidigung in der Bundeswehr, den zivilen Sicherheitsbehörden und der Wirtschaft ankommen können, ist das Vergaberecht ein zentraler Hebel. Daher ist die Vereinfachung des Vergaberechts dringend notwendig – und das nicht nur für den Sektor Verteidigung und Sicherheit. Dabei sollten allerdings die Ziele des Vergaberechts, d. h. Wettbewerb, Transparenz, Korruptionsprävention, Diskriminierungsfreiheit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, weiterhin berücksichtigt werden. Die Beschaffung sollte allerdings nicht durch strategische Ziele überfrachtet werden. Zudem sollten Fristen nicht unangemessen verkürzt werden, weil Unternehmen sonst im Zweifel noch weniger Angebote abgeben werden.

Insgesamt sollte bei Vergabeverfahren berücksichtigt werden, dass auch mittelständische Unternehmen und Start-ups innovative Produkte auf den Markt bringen oder erprobte Geschäftsfelder skalieren können. Solchen Unternehmen sollte ein Zugang zur öffentlichen Beschaffung ermöglicht werden. Besonders für die Beschaffung von Gütern mit kurzen Innovationszyklen, wie zum Beispiel Drohnen, sollten Beschaffungsmöglichkeiten flexibilisiert und Experimentierlabore geschaffen werden. Der Einsatz von Hilfsmitteln wie KI in Beschaffungsprozessen sollte vom Beschaffungsamt der Bundeswehr geprüft werden.

Außerdem sollten die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft so verbessert werden, dass sich auf privatwirtschaftlicher Ebene Joint Ventures aus Industrie, Wissenschaft und Start-ups/Scale-ups effizient bilden können. Darüber hinaus sollten Zertifizierungsbedarfe angepasst und Zertifizierungen von Unternehmen aus NATO-Ländern in Deutschland akzeptiert werden. 

Sicherheits- und Verteidigungsindustrie: Schwierige internationale Märkte

Der Markt für Sicherheits- und Verteidigungs- beziehungsweise Rüstungsgüter ist ein internationaler Markt. Allein mit der Bundeswehr als potenziellem Abnehmer rechnen sich für viele nationale Rüstungsunternehmen Investitionen in die Fertigung, aber auch in Forschung und Entwicklung nicht. Sie sind auf Exportmärkte angewiesen. Gut ist daher, dass das BMVg die Verwaltungs- und Genehmigungsprozesse bei Rüstungsexporten vereinfacht hat; vor allem für Lieferungen in NATO- und EU-Staaten sowie gleichgestellte Länder. Ein Kernbereich ist hier die Produktion von Gütern und Technologie beziehungsweise Software mit sogenanntem "Dual-Use"-Charakter, die zivil und militärisch verwendet werden können. Unverhältnismäßige Markteinschränkungen hemmen die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und Europas, weil sie die Skalierbarkeit von Gütern der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie sowie ihrer Zulieferer einschränken. Es ist daher wichtig, schnellere, risikobasierte Exportkontrollgenehmigungen zu erreichen. Hierfür könnte sich Deutschland an der Vorgehensweise der USA orientieren, die in einem risikobasierten Ansatz systematisch zwischen Ländergruppen unterschieden, um nationale Sicherheitsinteressen effizient mit wirtschaftlicher Handlungsfähigkeit zu verbinden. Ein mehrstufiges Länderkategoriensystem erlaubt differenzierte Genehmigungspflichten und privilegiert Exporte in Partnerstaaten, während Lieferungen in Hochrisikostaaten strengeren Restriktionen unterliegen würden. 

Die EU-Kommission hat mehrere Programme für eine höhere Verteidigungsfähigkeit Europas vorgelegt. Für die Unternehmen der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie ist es wichtig, zeitnah einen europäischen Binnenmarkt für Sicherheits- und Verteidigungsgüter zu schaffen. Ein solcher Binnenmarkt böte weitere Anreize, verstärkt Rüstungsgüter in Europa einzukaufen und zu exportieren. Daraus folgen dann auch Anreize für die europäischen Unternehmen der Branche und ihrer Zulieferer, Produktionskapazitäten auszuweiten. Mittelfristig sollte auch die Öffnung des europäischen Binnenmarkts für Sicherheits- und Verteidigungsgüter für die NATO-Partner geprüft werden. Im Rahmen eines europäischen Binnenmarkts kann auch eine Harmonisierung der europäischen Rüstungsexportregeln einen spürbaren Beitrag leisten. Höhere Produktionskapazitäten sind ein Element einer höheren Verteidigungsfähigkeit.

Eine gemeinsame Beschaffung durch die EU kann die Nationalstaaten bei der Ausrüstung ihrer Streitkräfte unterstützen, da durch Großbestellungen günstigere Einkaufspreise entstehen und die Industrie durch planbare Nachfrage die Kapazitäten für größere Aufträge aufbauen kann. Richtigerweise hat die neue Bundesregierung dies auch in ihrem Koalitionsvertrag thematisiert. Als Unterstützung für zumeist mittelständische Zulieferbetriebe ist eine rechtzeitige Orientierung mit Blick auf einen europäischen Markt der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie wichtig. Ziel sollte sein, nationale Kompetenzen, Arbeitsplätze sowie die strategische Unabhängigkeit zu erhalten und zu fördern.

In den Rahmenrichtlinien für die Gesamtverteidigung (RRGV) wird die Wirtschaft an 61 Stellen erwähnt und als Garant für Energie-, Lebensmittel- und Gesundheitsversorgung, Logistik, die Bereitstellung und Instandhaltung von Maschinen und vieles mehr hervorgehoben. Diese Aufgabenvielfalt in der Gesamtverteidigung erfordert eine systematische Planung in Friedenszeiten. Auch die Landesregierungen, in deren Zuständigkeit der Katastrophenschutz liegt, und die Landeskommandos der Bundeswehr sollten geeignete Formate für mehr Kooperationen zwischen den Behörden schaffen. Dabei ist eine Einbindung der Unternehmen unerlässlich. Die IHK-Organisation spielt hierbei eine zentrale Rolle als Schnittstelle zwischen Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Bundeswehr. Das gilt für europäische, Bundes-, Landes- und regionale Ebene – überall ist das Zusammenwirken zwischen Wirtschaft und Akteuren der Gesamtverteidigung erforderlich.

Zudem sind IHKs im Spannungs- oder Verteidigungsfall auf Basis einiger Sicherstellungs- und Vorsorgegesetze – Wirtschaftssicherstellungs-, Verkehrssicherstellungs-, Energiesicherungsgesetz – zur Mitwirkung verpflichtet. Die angekündigte umfassende Novellierung der Vorsorge- und Sicherstellungsgesetze dürfte für die IHKs neue und/oder erweiterte Aufgaben auf verschiedenen Ebenen mit sich bringen: Neben der Information der Mitgliedsunternehmen, der Interessenvertretung und zahlreichen Stellungnahmen zu Rechtsvorschriften mit Wirtschaftsbezug rund um die Gesamtverteidigung rücken für die IHKs hoheitliche Aufgaben wie Stellungnahmen zur Unabkömmlichkeit von Arbeitnehmenden ihrer Mitgliedsunternehmen wieder stärker in den Fokus. Im Zusammenhang mit Einberufungen der allgemeinen Wehrpflicht haben die IHKs bis 2011 jedes Jahr Tausende dieser gutachtlichen Stellungnahmen ausgestellt. 

Wichtig ist hier, zwischen der militärischen und der zivilen Verteidigung zu unterscheiden: Bei der militärischen Verteidigung bildet der "Operationsplan Deutschland" die Grundlage für die Bedarfsplanung der Bundeswehr. In diesem Szenario ist Deutschland nicht Frontstaat, sondern "logistische Drehscheibe". Die IHKs sichern dem BMVg und der Bundeswehr in diesem Kontext ihre Expertise und ihre Netzwerke innerhalb der Wirtschaft zu.

Die zivile Verteidigung ihrerseits erfordert mit ihrer Komplexität eine enge Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Verwaltung, zivilen Sicherheitsbehörden, Bevölkerung und Wirtschaft. Aktuell fehlen vielfach noch die notwendigen Grundlagen, weil viele rechtliche Rahmenbedingungen noch aus der Zeit des Kalten Krieges stammen. Zudem sind kommunale Behörden oft unterfinanziert und Gesellschaft und Wirtschaft auf ihre Verantwortung noch nicht ausreichend gut vorbereitet. Die föderale Organisation der zivilen Verteidigung führt zudem zu erheblichen regionalen Unterschieden. Hier kommt den IHKs mit ihren Unternehmen und den engen Kontakten zu den lokalen Verwaltungen eine zentrale Rolle zu. Sie können die notwendige Vernetzung wichtiger Akteure anstoßen und bei entsprechenden Vorbereitungen und Übungen für den Krisenfall mitwirken. 

Damit die Wirtschaft schnell und aktiv auf geänderte Lagen und Bedrohungen reagieren kann, braucht es regelmäßige Lagebilder der Sicherheitsbehörden, die den Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Erhalten die Unternehmen ein umfassendes Bild über Sicherheitsrisiken, die ihre Branche betreffen, können sie reagieren, sich anpassen und resilienter aufstellen. Hier sollten die Potenziale der "Initiative Wirtschaftsschutz" genutzt werden. Die DIHK wird sich hierfür als Mitglied der Initiative einsetzen und bei der Kommunikation der Lagebilder an die Unternehmen unterstützen.

Neben staatlichen Maßnahmen zur Steigerung der Resilienz ist die betriebliche Krisenvorsorge ein zentraler Faktor für eine größere gesamtgesellschaftliche Widerstandsfähigkeit. Ein etabliertes Krisenmanagement und unternehmensbezogene Krisenpläne können im Ernstfall über Lieferfähigkeit, Standortstabilität und letztlich auch die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit entscheiden. Unternehmen könnten Ansprechpartner einrichten, um den direkten Draht zu den Sicherheitsbehörden, der Kommune und der IHK aufzubauen. Die IHKs leisten hier einen wichtigen Beitrag zum Wirtschaftsschutz und der Stabilität des Standorts, indem sie insbesondere KMUs durch Informationsangebote, Schulungen oder praxisorientierte Checklisten unterstützen. Die Vorbereitung auf den Ernstfall ist dabei ein Beitrag zur Sicherheit und Stabilität des Wirtschaftsstandorts. 

Darüber hinaus gilt es, über die Bedeutung von verschiedenen Unternehmen und Wirtschaftszweigen zur Aufrechterhaltung bestimmter Funktionen und Produktionen aufzuklären, sodass diese zu schutzwürdigen Objekten deklariert werden können. Einen wesentlichen Mehrwert können die IHKs beispielsweise bei Kampagnen und Schulungen in den Bereichen Wirtschaftsschutz leisten. Künftig könnten die IHKs zudem in Unternehmen direkt, aber auch in (Berufs-)Schulen und Universitäten beispielsweise das Bewusstsein für Sabotagegefahren schärfen. 

Für die Unternehmen spielen auch die Deutschen Auslandshandelskammern (AHKs) eine wichtige Rolle. Weltweit sind sie Partner der deutschen und lokalen Wirtschaft. Bei der Erschließung neuer Märkte sind sie vor Ort wichtige Ansprechpartner für die Unternehmen auch der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie und deren Zulieferbetriebe. Die AHKs übernehmen eine wichtige Funktion bei der Vernetzung des deutschen industriellen Mittelstands mit Unternehmen und anderen Akteuren aus dem Sicherheits- und Verteidigungsbereich des jeweiligen Gastlandes. Sie unterstützen den deutschen industriellen Mittelstand damit auch beim Ausbau ihrer Geschäftsfelder an der Schnittstelle zwischen zivilem und militärischem Bereich. Wichtig ist, dass die Außenwirtschaftsinstrumente der Bundesregierung auf ihre Kompatibilität mit den sich ändernden Situationen regelmäßig überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Das alles dient auch der Aufrechterhaltung und dem Ausbau von internationalen Handelsbeziehungen. Denn intensive Handelsbeziehungen sind aus Sicht der Wirtschaft vielleicht kein hinreichendes, aber ein wichtiges Kriterium für ein friedliches Miteinander von Ländern. 

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Mann im Haus der deutschen Wirtschaft
Dr. Rainer Kambeck Bereichsleiter Wirtschafts- und Finanzpolitik, Mittelstand

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Porträtfoto Benjamin Baykal
Benjamin Baykal Referatsleiter Verteidigungspolitik, Kooperation mit der Bundeswehr