Unternehmen können dann erfolgreich sein, wenn der Staat für gute Rahmenbedingungen sorgt. Eine große Herausforderung ist, dass der Markt für Güter der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie durch zwei Eigenschaften gekennzeichnet ist, die ihn von anderen Märkten unterscheiden: Erstens ist er hoch reguliert und zweitens sind im Wesentlichen die Staaten selbst die wichtigsten Nachfrager und Abnehmer von Erzeugnissen. Das hat Konsequenzen für die erforderlichen Rahmenbedingungen, die sich von denen der "normalen" Märkte unterscheiden können.
Nachhaltige Finanzierung von Verteidigungsausgaben im Bundeshaushalt und auf EU-Ebene
Die Grundgesetzänderung vom März 2025 ist eine Weichenstellung: Zukünftig werden Ausgaben für Verteidigung und den Zivilschutz sowie Unterstützungszahlungen an angegriffene Partnerstaaten nur noch bis zu einer Höhe von einem Prozent des BIP direkt aus dem Bundeshaushalt finanziert. Darüberhinausgehende Ausgaben kann der Bund mit Krediten finanzieren – ohne Limit und ohne Bezug auf die Schuldenregel im Grundgesetz. Gleichzeitig ist eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben geplant. Eine Erfüllung des diskutierten NATO-Ziels von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes würde nach heutigem Stand eine jährliche Kreditaufnahme von etwa 100 Milliarden Euro bedeuten. Bei 5 Prozent würde die jährliche Kreditaufnahme für diese Ausgaben sogar auf mehr als 170 Milliarden Euro steigen. Entstehende Zins- und Tilgungsleistungen müssen aus zukünftigen Haushalten geleistet werden, wodurch deren Spielraum zur Finanzierung anderer Aufgaben kleiner werden dürfte. Es bleibt also eine Kernaufgabe der Bundesregierung, durch eine richtige Prioritätensetzung die generelle Handlungsfähigkeit des Bundes und gleichzeitig die erforderlichen Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu sichern.
Industriepolitik und die große Bedeutung von Forschung und Entwicklung
Weil der Staat Hauptabnehmer von Gütern und Produkten der Unternehmen der Sicherheits- und Verteidigungsbranche ist, benötigen die Unternehmen der betroffenen Branchen langfristige Perspektiven für den Absatz ihrer Produkte. Nur so besteht für sie die Möglichkeit, Ausweitungen von Produktionskapazitäten betriebswirtschaftlich zu planen und Lieferverträge abzuschließen – und es entstehen Anreize, mehr in Forschung und Entwicklung zu investieren. Technologische Entwicklungen im sicherheits- und verteidigungsrelevanten Bereich verlaufen dynamisch, insbesondere im Bereich unbemannter Systeme, KI und vernetzter Kommunikation. Forschungseinrichtungen, Forschungsprogramme, Stipendienprogramme, Unternehmen und Start-ups benötigen umso mehr offene Kooperationsmöglichkeiten, ein unbürokratisches Beschaffungswesen sowie klare und transparente Finanzierungsperspektiven.
Auf europäischer Ebene stehen mit dem "European Defence Fund" (EDF) beziehungsweise dem Europäischen Verteidigungsfonds (EVF) und "ReARM EU" zentrale Förderinstrumente zur Verfügung. Das Potenzial dieser Fonds wird derzeit allerdings nicht voll ausgeschöpft. Dafür sollten die Förderverfahren noch praxistauglicher ausgestaltet und der Zugang insbesondere für den industriellen Mittelstand noch einfacher werden. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Aufgabe, wie Hochschulen künftig in sicherheitsrelevante Forschung eingebunden werden können. Angesichts der geänderten Sicherheitslage sollte eine enge Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft erfolgen und sollten Hemmnisse für zivilmilitärische Forschungskooperationen abgebaut werden. Dies sollte gemeinsam mit den Hochschulen geprüft werden. Grundsätzlich kommt den IHKs im Forschungsbereich eine wichtige Rolle zu, weil sie als regionale Innovationslotsen fungieren, Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft vermitteln und insbesondere kleine und mittlere Unternehmen bei der Erschließung verteidigungsrelevanter Förderprogramme wie dem EDF unterstützen können. Sinnvoll wäre es, auf Bundesebene eine Stelle einzurichten, die nicht nur die Unternehmen zum EDF berät, sondern auch bei Bewerbungen unterstützt. Aktuell schrecken Unternehmen vor einer Bewerbung für ein EDF-Förderprogramm zurück, weil der Aufwand in keinem Verhältnis zum potenziellen Nutzen steht.
Eine weitere Hürde sind die zu lange dauernden Sicherheitsüberprüfungen der Mitarbeiter auf europäischer Ebene, so dass sich Unternehmen nicht auf Projekte des EDF bewerben können. Diese Hürden sollte die EU-Kommission abbauen. Das BMVg sollte über einen Praxis-Check in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft bürokratische Hürden in den Förderprogrammen identifizieren und abbauen.
Zudem gilt es, urbane Innovationsökosysteme oder ländliche Cluster im Bereich Sicherheit und Verteidigung zu fördern. Durch die Einbindung von Tech-Hubs, Hochschulen, Start-ups und etablierten Unternehmen sowie die Nutzung von Reallaboren können neue sicherheitsrelevante Lösungen im Zusammenspiel von zivilen und militärischen Akteuren erprobt werden. Vernetzung und offene Kooperationsformate geben dynamische Impulse für die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie.
Finanzierung sichern und Beschaffung vereinfachen
Ziel verschiedener sogenannter "Omnibusgesetze" ist es, europäische Überregulierung, zum Beispiel in der EU-Taxonomie, zurückzunehmen – mit positiven Folgen für die Finanzierungsmöglichkeiten der wehrtechnischen Industrie. Von großer Bedeutung sind wettbewerbsfähige Finanzierungen von Marineprojekten auf deutschen Werften, weil diese Projekte sehr hohe Finanzierungsvolumina und lange Projekt- und Kreditlaufzeiten haben. Bei Spezialschiffen sind zudem die Einsatz- und Verwendungsmöglichkeiten begrenzt, weshalb hier ohnehin bereits verschärfte Anforderungen aus der Bankenregulierung vorliegen. Das sollte sowohl bei der Bankenregulierung als auch in der EU-Taxonomie berücksichtigt werden.
Effizienzreserven sollten in der gesamten Bundeswehrverwaltung gehoben werden. Damit die Ausweitung öffentlicher Mittel für Sicherheit und Verteidigung in der Bundeswehr, den zivilen Sicherheitsbehörden und der Wirtschaft ankommen können, ist das Vergaberecht ein zentraler Hebel. Daher ist die Vereinfachung des Vergaberechts dringend notwendig – und das nicht nur für den Sektor Verteidigung und Sicherheit. Dabei sollten allerdings die Ziele des Vergaberechts, d. h. Wettbewerb, Transparenz, Korruptionsprävention, Diskriminierungsfreiheit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, weiterhin berücksichtigt werden. Die Beschaffung sollte allerdings nicht durch strategische Ziele überfrachtet werden. Zudem sollten Fristen nicht unangemessen verkürzt werden, weil Unternehmen sonst im Zweifel noch weniger Angebote abgeben werden.
Insgesamt sollte bei Vergabeverfahren berücksichtigt werden, dass auch mittelständische Unternehmen und Start-ups innovative Produkte auf den Markt bringen oder erprobte Geschäftsfelder skalieren können. Solchen Unternehmen sollte ein Zugang zur öffentlichen Beschaffung ermöglicht werden. Besonders für die Beschaffung von Gütern mit kurzen Innovationszyklen, wie zum Beispiel Drohnen, sollten Beschaffungsmöglichkeiten flexibilisiert und Experimentierlabore geschaffen werden. Der Einsatz von Hilfsmitteln wie KI in Beschaffungsprozessen sollte vom Beschaffungsamt der Bundeswehr geprüft werden.
Außerdem sollten die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft so verbessert werden, dass sich auf privatwirtschaftlicher Ebene Joint Ventures aus Industrie, Wissenschaft und Start-ups/Scale-ups effizient bilden können. Darüber hinaus sollten Zertifizierungsbedarfe angepasst und Zertifizierungen von Unternehmen aus NATO-Ländern in Deutschland akzeptiert werden.
Sicherheits- und Verteidigungsindustrie: Schwierige internationale Märkte
Der Markt für Sicherheits- und Verteidigungs- beziehungsweise Rüstungsgüter ist ein internationaler Markt. Allein mit der Bundeswehr als potenziellem Abnehmer rechnen sich für viele nationale Rüstungsunternehmen Investitionen in die Fertigung, aber auch in Forschung und Entwicklung nicht. Sie sind auf Exportmärkte angewiesen. Gut ist daher, dass das BMVg die Verwaltungs- und Genehmigungsprozesse bei Rüstungsexporten vereinfacht hat; vor allem für Lieferungen in NATO- und EU-Staaten sowie gleichgestellte Länder. Ein Kernbereich ist hier die Produktion von Gütern und Technologie beziehungsweise Software mit sogenanntem "Dual-Use"-Charakter, die zivil und militärisch verwendet werden können. Unverhältnismäßige Markteinschränkungen hemmen die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und Europas, weil sie die Skalierbarkeit von Gütern der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie sowie ihrer Zulieferer einschränken. Es ist daher wichtig, schnellere, risikobasierte Exportkontrollgenehmigungen zu erreichen. Hierfür könnte sich Deutschland an der Vorgehensweise der USA orientieren, die in einem risikobasierten Ansatz systematisch zwischen Ländergruppen unterschieden, um nationale Sicherheitsinteressen effizient mit wirtschaftlicher Handlungsfähigkeit zu verbinden. Ein mehrstufiges Länderkategoriensystem erlaubt differenzierte Genehmigungspflichten und privilegiert Exporte in Partnerstaaten, während Lieferungen in Hochrisikostaaten strengeren Restriktionen unterliegen würden.
Die EU-Kommission hat mehrere Programme für eine höhere Verteidigungsfähigkeit Europas vorgelegt. Für die Unternehmen der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie ist es wichtig, zeitnah einen europäischen Binnenmarkt für Sicherheits- und Verteidigungsgüter zu schaffen. Ein solcher Binnenmarkt böte weitere Anreize, verstärkt Rüstungsgüter in Europa einzukaufen und zu exportieren. Daraus folgen dann auch Anreize für die europäischen Unternehmen der Branche und ihrer Zulieferer, Produktionskapazitäten auszuweiten. Mittelfristig sollte auch die Öffnung des europäischen Binnenmarkts für Sicherheits- und Verteidigungsgüter für die NATO-Partner geprüft werden. Im Rahmen eines europäischen Binnenmarkts kann auch eine Harmonisierung der europäischen Rüstungsexportregeln einen spürbaren Beitrag leisten. Höhere Produktionskapazitäten sind ein Element einer höheren Verteidigungsfähigkeit.
Eine gemeinsame Beschaffung durch die EU kann die Nationalstaaten bei der Ausrüstung ihrer Streitkräfte unterstützen, da durch Großbestellungen günstigere Einkaufspreise entstehen und die Industrie durch planbare Nachfrage die Kapazitäten für größere Aufträge aufbauen kann. Richtigerweise hat die neue Bundesregierung dies auch in ihrem Koalitionsvertrag thematisiert. Als Unterstützung für zumeist mittelständische Zulieferbetriebe ist eine rechtzeitige Orientierung mit Blick auf einen europäischen Markt der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie wichtig. Ziel sollte sein, nationale Kompetenzen, Arbeitsplätze sowie die strategische Unabhängigkeit zu erhalten und zu fördern.