Wie kann das europäische Mehrwertsteuersystem an die Entwicklungen insbesondere im digitalen Bereich angepasst werden? Und wie kann es weniger betrugsanfällig werden? Diese Fragen sollten mit dem Maßnahmenpaket der Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter beantwortet werden. Nach knapp zwei Jahren haben sich die Mitgliedstaaten auf politischer Ebene geeinigt.
Einigung zur Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter
Europäisches Maßnahmenpaket auf der ZielgeradenIm dritten Anlauf haben sich die Mitgliedstaaten der EU am 5. November 2024 darauf verständigt, das Maßnahmenpaket zur Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter (VAT in the Digital Age – ViDA) zu verabschieden. Zuvor war es zwei Mal im Rat „Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN-Rat) an Vorbehalten Estlands gescheitert.
Da sich gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag vom Dezember 2022 erhebliche Änderungen ergeben haben, soll das EU-Parlament (EP) nochmals dazu gehört werden. Mit dem endgültigen Beschluss durch die Mitgliedstaaten wird im Frühjahr 2025 gerechnet.
Worum geht’s bei ViDA?
Der Richtlinienvorschlag zur MwSt im digitalen Zeitalter – „VAT in the Digital Age (ViDA)“ – umfasst die drei großen Themenbereiche „Elektronische Berichterstattung“, „Besteuerung der Plattformwirtschaft“ sowie „einmalige MwSt-Registrierung“. Nach intensiven Beratungen durch die Mitgliedstaaten sollen die Regelungen bis 2030/2035 stufenweise in Kraft treten.
Elektronische Berichterstattung – Digital Reporting Requirements (DRRs)
Zum 1. Juli 2030 soll die E-Rechnungspflicht und ein Meldesystem für grenzüberschreitende innergemeinschaftliche Umsätze zwischen Unternehmen (B2B) eingeführt werden. Gleichzeitig soll die „Zusammenfassende Meldung (ZM)“ entfallen. Elektronische Rechnungen (E-Rechnungen) müssen künftig in einem strukturierten elektronischen Format erstellt werden, das grundsätzlich der CEN Norm EN 16931 entsprechen muss; andere elektronische Rechnungsstandards können unter bestimmten Voraussetzungen von den Mitgliedstaaten zugelassen werden. Verpflichtende E-Rechnungen müssen innerhalb von 10 Tagen ab Lieferung/Leistung gestellt werden. Mitgliedstaaten, die bereits eine E-Rechnungspflicht, gegebenenfalls zusammen mit einem Meldesystem, eingeführt haben, müssen ihre Systeme bis spätestens 1. Juli 2035 an die Formatvorgaben des EU-Rechts anpassen.
Besteuerung von Plattformen
Zum 1. Juli 2028 sollen elektronische Schnittstellen (Internet-Plattformen) in bestimmten Fällen zur Umsatzsteuer herangezogen werden, wenn über die Plattform Leistungen im Bereich Personenbeförderung oder eine kurzfristige Vermietung von Übernachtungsmöglichkeiten (maximal 30 Nächte) erbracht werden. Nachdem die politische Einigung auf den ViDA-Vorschlag zweimal an Vorbehalten Estlands scheiterte, wurde den Mitgliedstaaten für die Besteuerung der Plattformen eine so genannte opt-out-Klausel für Kleinunternehmer eingeräumt. Damit können die Mitgliedstaaten selbst entscheiden, ob auch Kleinunternehmer unter die Regelung fallen sollen.
Einmalige MwSt-Registrierung
Zum 1. Juli 2028 tritt ein neuer One-Stop-Shop (OSS) für innergemeinschaftliches Verbringen in Kraft. In diesem Zusammenhang wird das Auslaufen der Konsignationslagerregelung zum 1. Juli 2029 festgelegt; spätestens bis 30. Juni 2028 dürfen daher noch Waren in ein Konsignationslager geliefert werden. Der OSS ermöglicht es EU-weit tätigen Unternehmen, ihre Erklärungs- und Zahlungsverpflichtungen zentral in Deutschland über das Bundeszentralamt für Steuern zu erfüllen. Sie müssen sich dann nicht in allen Mitgliedstaaten registrieren, in denen sie Umsätze machen. Registrierungen in anderen Mitgliedstaaten sollen auch dadurch reduziert werden, dass die Mitgliedstaaten zur Anwendung des Art. 194 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) verpflichtet werden. Künftig soll die Steuerschuld immer dann zwingend auf den Erwerber übergehen, wenn der leistende Unternehmer im Land der Besteuerung weder ansässig noch für Mehrwertsteuerzwecke registriert ist und der Erwerber der Leistung seinerseits aber in diesem Mitgliedstaat mindestens registriert ist. Auch diese Änderung soll zum 1. Juli 2028 in Kraft treten.