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"Das war die ideale Gelegenheit für mich"

Wie der IT-Experte João Bohn von Brasilien nach Düsseldorf kam
Zwei junge Männer sitzen an Bildschirmen, der im Vordergrund ist unscharf

João Miguel Erig Bohn (l.) arbeitete ein halbes Jahr lang von Brasilien aus für Retraced, bevor er nach Düsseldorf kam

© Andreas Endermann

Um qualifiziertes IT-Personal zu finden, begab sich das Düsseldorfer Start-up Retraced mit Unterstützung von "Hand in Hand for International Talents" im Ausland auf die Suche – und wurde fündig. Inzwischen beschäftigt das Unternehmen Softwareentwicklerinnen und -entwickler aus Brasilien, Indien, Vietnam, der Türkei und vielen anderen Ländern.

Bevor João Miguel Erig Bohn im September 2023 am Frankfurter Flughafen landete, um seine Stelle als Softwareentwickler bei der Retraced GmbH in Düsseldorf anzutreten, hatte er bereits ein halbes Jahr von Brasilien aus für das Start-up gearbeitet.

"Alle waren sehr hilfsbereit und haben mich freundlich aufgenommen. Da ich meine Kolleginnen und Kollegen bereits vom Bildschirm kannte und mich schon in meinen Aufgabenbereich eingearbeitet hatte, verlief mein Start hier wirklich reibungslos", berichtet der 27-Jährige, der zuvor als IT-Techniker im öffentlichen Dienst für das Bundesinstitut für Bildung, Wissenschaft und Technologie von Santa Catarina, einem Bundesstaat im Süden Brasiliens, tätig war.

Durch einen Artikel auf der Bundesinstituts-Homepage erfuhr er von dem Projekt "Hand in Hand for International Talents" (HiH) der DIHK Service GmbH und der Bundesagentur für Arbeit, das deutsche IHK-Unternehmen und qualifizierte Fachkräfte aus den Pilotländern Brasilien, Indien und Vietnam zusammenbringt.

"Ich hatte immer den Wunsch, irgendwann in den USA, Kanada oder Europa zu leben", erzählt João Bohn, dessen Vater in Mannheim studiert hat und fließend Deutsch spricht. "Als ich von dem Projekt hörte, hatte ich das Gefühl, dass sich alles zusammenfügt. Das war die ideale Gelegenheit für mich."

Teilanerkennung als Fachinformatiker

Über die Auslandshandelskammer (AHK) Brasilien bewarb er sich um die Teilnahme am Projekt und wurde schließlich an das Unternehmen Retraced vermittelt, das Online-Lösungen für ein nachhaltiges Lieferkettenmanagement anbietet und über 150 internationale Modehersteller zu seinen Kunden zählt.

Dank seines College-Abschlusses in Brasilien und seiner Berufserfahrung erhielt João Bohn in Deutschland eine Teilanerkennung als Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung. Für eine vollständige Anerkennung muss sein Arbeitgeber nachweisen, dass er die fehlenden Kenntnisse – in Bohns Fall vor allem deutsches und europäisches Datenschutzrecht – innerhalb einer bestimmten Frist durch interne Schulungen vermittelt.

Bereits 13 IT-Fachkräfte aus dem Ausland rekrutiert

Zwei junge Männer blicken auf einen Laptop

Projektleiter Guido Mayer (l.) mit João Bohn

© Andreas Endermann

"Wir haben sehr viel voneinander profitiert", sagt Guido Mayer, Projektmanager bei Retraced, über die Zusammenarbeit mit "Hand in Hand for International Talents". "In der IT-Branche herrscht ja ohnehin ein Mangel an qualifizierten Fachkräften. Für uns als Start-up kommt hinzu, dass wir noch nicht mit den Gehältern oder Zusatzleistungen großer Unternehmen konkurrieren können. Das macht es für uns noch schwieriger, geeignete Mitarbeitende zu finden."

Fünf Informatikerinnen und Informatiker aus Brasilien, Indien und Vietnam hat das Unternehmen über das HiH-Projekt eingestellt. "Ohne die Unterstützung hätten wir uns im Paragraphendschungel rund um Visabestimmungen, Anerkennungsverfahren etc. nicht zurechtgefunden. Durch das Projekt haben wir uns im Laufe der Zeit immer mehr Hintergrundwissen angeeignet und haben mittlerweile acht weitere Fachkräfte selbst rekrutiert", berichtet Mayer.

Feste Ansprechpartner hilfreich

"Hilfreich war für uns, dass wir mit der Arbeitsagentur und der IHK in Düsseldorf feste Ansprechpartner vor Ort hatten, an die wir uns jederzeit wenden konnten und die uns regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht haben, wenn es beispielsweise Änderungen bei den Visabestimmungen gab. Das hat uns eine gewisse Sicherheit gegeben und uns viel Arbeit abgenommen, die wir als Start-up in dem Umfang gar nicht hätten leisten können."

Für die Einarbeitung der ausländischen Fachkräfte hat das Unternehmen ein festes Onboarding-Konzept entwickelt. Bei Bedarf unterstützen Guido Mayer und seine deutschen Kolleginnen und Kollegen auch bei Wohnungsbesichtigungen oder Behördengängen. Auch gemeinsame private Unternehmungen wie Sightseeing-Touren durch Düsseldorf gehören dazu. "Es ist toll zu sehen, wie sich unsere ausländischen Mitarbeitenden auch gegenseitig unterstützen und beispielsweise zusammen zum Bürgerbüro gehen."

Die Unternehmenssprache bei Retraced ist Englisch. "Das macht es einfacher für neue Mitarbeitende, die wenig oder noch gar kein Deutsch sprechen", sagt Projektmanager Mayer. "Wir wissen aber, wie wichtig es für die gesellschaftliche Integration ist, dass sie auch Deutsch lernen. Am Anfang haben wir deshalb interne Deutschkurse angeboten. Da das Sprachniveau aber zu unterschiedlich war, hat sich das nicht bewährt."

Stattdessen unterstützt das Unternehmen seine ausländischen Fachkräfte nun individuell und vermittelt je nach Bedarf beispielsweise externe Angebote. Um ihnen den Start in Deutschland zu erleichtern, hat das Unternehmen außerdem eine Dreizimmerwohnung angemietet, in der sie kostenlos wohnen können, bis sie eine eigene Wohnung gefunden haben.

Einarbeitung remote

Nachdem sich ein Mitarbeiter aus Brasilien nach kurzer Zeit aus persönlichen Gründen entschied, in sein Heimatland zurückzukehren, führte Retraced eine Probearbeits-Phase per remote ein. Während die Visums- und Anerkennungsverfahren laufen, arbeiten neue Mitarbeitende nun bereits mehrere Wochen von ihrem Heimatland aus für das Unternehmen. "Remote-Arbeit ist bei uns ohnehin üblich. In diesem Fall bietet sie für beide Seiten die Möglichkeit, sich im Vorfeld der Einreise kennenzulernen und herauszufinden, ob es passt", sagt Guido Mayer.

João Bohn hat vor seiner Abreise viel über sein neues Heimatland gelesen und sich zahlreiche Videos über Deutschland angesehen. "Als ich in Düsseldorf ankam, war ich beeindruckt von der Infrastruktur, aber auch von so viel Natur in der Stadt", erzählt der Brasilianer. Er plant, 2024 auch für seine Frau und seine Eltern eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu beantragen. "Ich bin sehr dankbar für die Chance, die sich mir geboten hat und freue mich auf viele Jahre hier in Deutschland."

HiH-Logo

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Carolin Ruppert
Carolin Ruppert Projektleiterin "Hand in Hand for International Talents"

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Thilo Kunze Referatsleiter Infocenter, Chefredakteur POSITION