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"Für meinen Job in Brasilien war ich teilweise überqualifiziert"

Ein Tipp der Deutschlehrerin brachte Saulo Ottoni nach Arnstadt
Techniker im Blaumann mit Schutzmaske und Haarnetz an einer Produktionsanlage mit Waffeln

Industrieelektriker Saulo da Costa Quinto e Ottoni fasste in Thüringen Fuß

© Michael Reichel

Aus der brasilianischen Millionenmetropole Belo Horizonte ins thüringische Arnstadt: Dank seiner guten Deutschkenntnisse und der Unterstützung seiner Kolleginnen und Kollegen konnte sich der Industrieelektriker Saulo Ottoni in Deutschland schnell integrieren. Zur Grabower Süsswaren GmbH kam er über das Projekt "Hand in Hand for International Talents".

Saulo Ottoni begann bereits während seines Studiums in Brasilien, Deutsch zu lernen. "Damals wurde an der Universität ein Deutschkurs angeboten, und ich dachte, es wäre gut, mir eine weitere Fremdsprache anzueignen", erzählt der 32-Jährige.

Im Laufe der Jahre baute er seine Deutschkenntnisse immer weiter aus. Im Herbst 2021 kam der Moment, in dem sie ihm eine neue Berufsperspektive eröffneten. Von seiner ehemaligen Deutschlehrerin erfuhr der Brasilianer vom Projekt "Hand in Hand for International Talents" (HiH) der DIHK Service GmbH und der Bundesagentur für Arbeit, das deutsche IHK-Unternehmen bei der Rekrutierung von qualifizierten Fachkräften mit Berufsausbildung aus den Pilotländern Brasilien, Indien und Vietnam unterstützt.

Personalnot in der Keksfertigung 

Porträt von Anja Felbrich, Werksleiterin bei der Grabower Süsswaren GmbH

Werksleiterin Anja Felbrich

© arifoto

Anja Felbrich leitet das Produktionswerk des Süßwarenherstellers Grabower Süsswaren in Arnstadt, einer Kleinstadt in der Nähe von Erfurt. Hier werden unter anderem Knäckebrot, Kekse und andere Backwaren hergestellt. Das Unternehmen ist Teil der Biscuit International Gruppe.

Die Suche nach qualifiziertem Personal gestaltet sich zunehmend schwierig. "In der Region sind viele Industriebetriebe ansässig, mit denen wir um Fachkräfte konkurrieren müssen. Hinzu kommt, dass viele ältere Kolleginnen und Kollegen in Rente gehen, aber kein Nachwuchs nachkommt. Vor allem Mechatroniker und Elektriker sind schwer zu finden", sagt die Lebensmitteltechnologin. Als sie über das Jobcenter der örtlichen Agentur für Arbeit auf das HiH-Projekt aufmerksam wurde, nutze die Werksleiterin die Chance, im Ausland nach geeigneten Mitarbeitenden zu suchen.

Volle Berufsanerkennung

In seiner Heimat arbeitete Saulo Ottoni als Elektriker bei einem städtischen Versorgungsunternehmen in Belo Horizonte, der Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Minas Gerais. Als die Privatisierung des Unternehmens drohte, absolvierte er zusätzlich eine Technikerausbildung, um seine Karrierechancen zu verbessern.

"Für meinen Job in Brasilien war ich damit teilweise überqualifiziert, aber durch die Technikerausbildung kam ich für das HiH-Projekt infrage." Nachdem er seine Bewerbungsunterlagen eingereicht hatte, organisierte die Auslandshandelskammer (AHK) in Brasilien, die sich um die Rekrutierung von Fachkräften vor Ort kümmert, ein Vorstellungsgespräch per Videokonferenz bei der Grabower Süsswaren GmbH, bei dem auch eine Dolmetscherin des Projekts anwesend war.

Auf Anhieb volle Anerkennung zum Industrieelektriker

Durch die Kombination von Technikerausbildung und Ingenieurstudium erhielt Saulo Ottoni in Deutschland auf Anhieb die volle Anerkennung für den IHK-Beruf Industrieelektriker. Seit Mai 2022 ist er in der Produktionsstätte der Grabower Süsswaren GmbH in Arnstadt für die Wartung und Reparatur der Maschinen zuständig. "Ich fasse meine Arbeit hier gerne so zusammen: Ich sorge dafür, dass es läuft. Dabei kommen mir sowohl meine Berufserfahrung als auch mein theoretisches Wissen aus Studium und Ausbildung zugute." Dank seiner guten Deutschkenntnisse konnte er sich schnell einarbeiten.

"Der größte Vorteil für uns ist, dass die Fachkräfte bereits in ihrem Heimatland Deutsch lernen und ein entsprechendes Sprachniveau mitbringen, wenn sie hierherkommen", sagt Werksleiterin Anja Felbrich. Auch die Unterstützung beim Berufsanerkennungsverfahren, beim Visumsprozess und bei Behördengängen vor Ort durch das HiH-Projekt sei hilfreich gewesen. "Auf eigene Faust wären wir nicht auf die Idee gekommen, Personal außerhalb Deutschlands zu rekrutieren. Dazu fehlen uns einfach die Kontakte in die jeweiligen Länder." Inzwischen arbeitet im Werk in Arnstadt auch ein Elektriker aus Vietnam, der ebenfalls über das Projekt rekrutiert wurde.

Soziale Kontakte wichtig für die Integration

"In den Deutschbüchern für den Sprachunterricht wird das Leben in Deutschland gezeigt, zum Beispiel in Städten wie München, Berlin oder Weimar. Diese Darstellungen haben mir gut gefallen", antwortet Saulo Ottoni auf die Frage, welches Bild er vor seiner Ankunft von seiner neuen Heimat hatte. Auch wenn die thüringische Kleinstadt Arnstadt weder mit München noch mit der über 2,5 Millionen Einwohner zählenden Metropole Belo Horizonte vergleichbar ist, fühlte er sich schnell wohl.

"Es ist natürlich ein großer Schritt, ins Ausland zu gehen, aber es war einfacher, als ich erwartet hatte. Ich hatte Glück und habe sofort eine Wohnung gefunden, weil die Firma mich sehr dabei unterstützt hat", erzählt der Elektriker. "Was mir in Arnstadt besonders geholfen hat, waren meine Kollegen. Die Jungs aus der Technik sind sehr hilfsbereit und verständnisvoll und haben sich viel Zeit genommen, um mir alles zu zeigen und mich einzuarbeiten."

In seiner Freizeit unternimmt er Ausflüge mit seinen Kollegen und hat Kontakt zu anderen Brasilianerinnen und Brasilianern, die ebenfalls in Deutschland arbeiten. "Es tut gut, sich ab und zu mit ihnen über das Leben hier austauschen zu können." Und im Sommer 2024 will auch seine Frau nach Deutschland kommen.

HiH-Logo

© HiH

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Carolin Ruppert
Carolin Ruppert Projektleiterin "Hand in Hand for International Talents"

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Mann steht vor Gemälde und hat die Arme verschränkt.
Thilo Kunze Referatsleiter Infocenter, Chefredakteur POSITION