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DIHK-Vorschläge zur Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes

Flugzeugmechaniker steht in einer Werkhalle über einen Laptop gebeugt

Geeignete Mitarbeitende zu finden, ist in vielen Betrieben ein Problem

© Hinterhaus Productions / Stone / Getty Images

Qualifiziertes Personal ist in den meisten Branchen bereits heute knapp – 56 Prozent der Unternehmen sehen laut aktueller DIHK-Konjunkturumfrage im Fachkräftemangel ein Geschäftsrisiko –, und die demografische Entwicklung dürfte die Lage in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Das beeinträchtigt nicht nur die Arbeit in den Betrieben, sondern bringt auch die Erreichung wesentlicher Zukunftsaufgaben wie Digitalisierung oder den Weg in die Klimaneutralität in Gefahr.

Wie kann gegengesteuert werden? Nach Auffassung der IHK-Organisation gilt es einerseits, inländische Potenziale stärker zu nutzen – beispielsweise über ein höheres Arbeitsvolumen, eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und eine Stärkung bei Aus- und Weiterbildung. Andererseits kommt der Zuwanderung ausländischer Fachkräfte mehr und mehr Bedeutung zu.

Während die Migration innerhalb der EU dank der Freizügigkeit im Binnenmarkt gut funktioniert, ist bei der Zuwanderung von Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten noch Luft nach oben.

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) von März 2020 hat zwar etliche Erleichterungen gebracht, erste Erfahrungen zeigen jedoch, dass weiterhin Handlungsbedarf besteht. Das gilt sowohl für die Umsetzung geltender Regelungen als auch – in unterschiedlicher Intensität – für ihre Anpassung.

Der DIHK unterbreitet dafür verschiedene Vorschläge, von Anpassungen bei der administrativen Umsetzung bis hin zu strukturellen Änderungen.

Die Vorschläge im Überblick

Erleichterung der Regelung zur Arbeitsplatzsuche

Die Erleichterungen bei der Einreise zur Arbeitsplatzsuche für beruflich Qualifizierte im FEG waren ein richtiger Schritt, sie können grundsätzlich das Matching von Betrieben und internationalen Fachkräften verbessern, das persönliche Vor-Ort-Gespräch und gegebenenfalls eine Probearbeit machen es einfacher, sich kennenzulernen. Allerdings sind die Voraussetzungen dabei deutlich zu strikt, sodass diese auch aus Sicht der Betriebe sinnvolle Option nur vergleichsweise selten genutzt wird.

  • Auf die (derzeit nötige) Voraussetzung der vollständigen Gleichwertigkeit der Berufsqualifikation sollte verzichtet werden – viele interessierte Fachkräfte im Ausland verfügen nicht über eine solche Gleichwertigkeit. Es wäre sinnvoll, auch mit teilweiser Gleichwertigkeit zur Suche einreisen zu können. Während einer im Anschluss an die Suche aufgenommenen Beschäftigung könnte die volle Gleichwertigkeit nachgeholt werden.
  • Die Sicherung des Lebensunterhalts als derzeitige Voraussetzung zur Einreise kann für viele interessierte Fachkräfte eine Hürde darstellen, wenn sie nicht über ausreichende Finanzmittel verfügen. Konsens ist, dass es keine "Zuwanderung in die Sozialsysteme" geben darf. Hier könnte daher die Möglichkeit geschaffen werden, dass während der Arbeitsplatzsuche in gewissem Umfang eine Tätigkeit ausgeübt werden darf, um zur Lebensunterhaltssicherung beizutragen.
  • Derzeit ist eine Probebeschäftigung von zehn Wochenstunden möglich, was für viele Betriebe einen erheblichen Organisationsaufwand bedeuten kann, um beispielsweise passende Aufgaben zuzuteilen, die die Zeitgrenze nicht überschreiten. Die Probebeschäftigung könnte daher befristet (beispielsweise für zwei Wochen) in Vollzeit möglich sein.
  • Für die Zuwanderung zum Arbeiten ist laut FEG kein bestimmtes Sprachniveau erforderlich. Dagegen ist derzeit für die Arbeitsplatzsuche das Sprachniveau B1 nötig. Damit diese Möglichkeit der Arbeitsplatzsuche intensiver genutzt werden kann, könnte diese Anforderung an die Sprachkenntnisse gelockert werden. Sollten die Sprachkenntnisse für eine Anstellung aus Sicht des Arbeitgebers ausreichen und es kommt zur Einstellung, können im Anschluss weitere Sprachkenntnisse erworben werden. Um dies wiederum besser und schneller zu ermöglichen, sollten die Sprachlernangebote vor Ort erweitert werden (siehe unten). Einzelne IHKs weisen auf die große Bedeutung der deutschen Sprachkenntnisse für Ausbildung, Beschäftigung und Integration hin und sehen daher keine Notwendigkeit für geringere Sprachanforderungen bei der Einreise zur Arbeitsplatz- / Ausbildungsplatzsuche.
  • Die im Koalitionsvertrag erwähnte Chancenkarte im Rahmen eines Punktesystems könnte die zuvor genannten Aspekte aufgreifen, wobei beispielsweise einzelne Kriterien in gewissem Umfang gegeneinander "verrechnet" werden könnten. Ein solches System muss transparent und für Betriebe und Fachkräfte einfach zu verstehen sein und darf keine neue Bürokratie erzeugen. Es muss zudem die Frage geklärt werden, ob bei erfolgreicher Arbeitsplatzsuche über den Titel "Chancenkarte" auch gearbeitet werden kann oder in einen bestehenden Titel zur Beschäftigung gewechselt werden muss. In letzterem Fall muss die Anschlussfähigkeit sichergestellt sein, sodass die Beschäftigung nicht weitere Voraussetzungen verlangt, die den sofortigen Übergang verhindern.

Rekrutierungsprozess

Der Rekrutierungsprozess im Ausland erweist sich gerade für KMU als kompliziert und lässt diese häufig davor zurückschrecken. Hinzu kommen rechtliche und administrative Hürden in Drittstaaten, die Prozesse verlangsamen und verteuern können, was die Kosten für Betriebe in die Höhe treibt.

  • Vorschlag: Weitere Vermittlungsabsprachen der Bundesagentur für Arbeit mit Partnerländern können forciert werden. Vertragliche Vereinbarungen erleichtern die Fachkräftegewinnung für die Betriebe und eine Einzelfallprüfung der Gleichwertigkeit vom Ausland aus kann entfallen. Qualifizierungs- und Sprachangebote beispielsweise im Rahmen von Projekten können flankierend wirken.

Gute deutsche Sprachkenntnisse ausländischer Fachkräfte sind wichtig, um in Deutschland in Unternehmen eine Beschäftigung zu finden, betriebliche Aufstiegschancen zu verbessern und die Integration insgesamt zu unterstützen. Auch sind sie in einigen Bereichen eine Zugangsvoraussetzung.

Allerdings dürfen diese Voraussetzungen nicht gleichzeitig zur Hürde für die Zuwanderung werden. Erfahrungen zeigen, dass ein Spracherwerb nach der Zuwanderung recht schnell erfolgen kann. Eine gute Unterstützung und bedarfsgerechte Angebote, insbesondere für den berufsbezogenen Spracherwerb, sind dafür wichtig. Folgende Maßnahmen sind denkbar:

  • Der Spracherwerb bereits im Ausland sollte intensiviert und unterstützt werden – beispielsweise durch günstige Angebote der Goethe-Institute (hier könnte zudem geprüft werden, ob und welche Angebote gegebenenfalls ausgebaut werden können). Ebenfalls zu prüfen wären beispielsweise mögliche Darlehens-/Stipendienmodelle, mit denen die Finanzierung des Spracherwerbs im Ausland unterstützt werden könnte.
  • In manchen Fällen sind die geforderten deutschen Sprachkenntnisse laut FEG nicht konsistent und tendenziell hinderlich für die Zuwanderung (so ist beispielsweise für die Ausbildungsplatzsuche derzeit das Niveau B2 nötig, für das Absolvieren der Ausbildung hingegen das geringere Niveau B1). Grundsätzlich sollte der Spracherwerb insbesondere während der Ausbildung oder in der Ausbildungsvorbereitung unterstützt werden, um einen erfolgreichen Abschluss sicherzustellen. Unternehmen sind regelmäßig bereit, ihre Beschäftigten dabei zu unterstützen. Hingegen kann eine finanzielle Beteiligung beim Spracherwerb bereits im Ausland ohne sichere Zusage (seitens der Fachkraft) für eine spätere Beschäftigung nicht erwartet werden.
  • Berufsbegleitende Sprachkurse des BAMF sollten weiter flexibilisiert und digitalisiert werden, um beispielsweise Personen in Schichtarbeit oder mit weiten Anfahrtswegen die Teilnahme zu ermöglichen; die Teilnahme an ein und demselben BAMF- Kurs sollte für unterschiedliche Berechtigungsgruppen möglich sein, um zu vermeiden, dass Kurse aufgrund zu geringer Teilnehmerzahlen (besonders im ländlichen Raum) nicht zustande kommen.
  • In einem möglichen Punktesystem, das im Rahmen der Weiterentwicklung des FEG im Koalitionsvertrag genannt wird, könnten geringe Sprachkenntnisse bis zu einem gewissen Niveau durch andere Kriterien wie beispielsweise Berufserfahrung oder Qualifikationen ausgeglichen werden.
  • Der Eigenkostenanteil für Fachkräfte für den Erwerb des Sprachniveaus B2 in BAMF-Kursen sollte gestrichen werden. Hier wäre eine Orientierung an der Regelung für reglementierte Berufe denkbar, denn bei nicht reglementierten Berufen werden die BAMF B2-Sprachkurse nicht vollständig finanziert und es ist ein Eigenanteil von Fachkräften zu tragen.
  • Es sollte geprüft werden, wie Anreize zum Spracherwerb für Beschäftigte gestärkt werden können. Hier könnte die Regelung der Blue Card als Orientierung in Betracht kommen, bei der eine kürzere Frist für den Erhalt einer Niederlassungserlaubnis bei besseren Sprachkenntnissen gilt.
  • Ein Spracherfordernis für die Arbeitserlaubnis als Fachkraft besteht laut FEG nicht. Hier sollte insbesondere gegenüber den Botschaften eine Klarstellung erfolgen, denn Praxiserfahrungen zeigen, dass diese mitunter ein bestimmtes Sprachniveau fordern, obwohl dies nicht im Gesetz vorgesehen ist.

Ein anerkannter ausländischer Hochschul- oder Berufsabschluss ist in der Regel Voraussetzung für die Zuwanderung von Personen aus Drittstaaten. Während die Anerkennung und Vergleichbarkeit im Bereich der Hochschulabschlüsse vergleichsweise unkompliziert erfolgen kann, ist dies bei ausländischen Berufsabschlüssen (auf Basis des BQFG) vielfach komplex. Die Voraussetzung der vollständigen Gleichwertigkeit der ausländischen mit der deutschen Berufsqualifikation kann sich daher in der Praxis als Hindernis erweisen, da das deutsche Ausbildungssystem international nahezu einzigartig und die ausländischen Qualifikationen oftmals nur teilweise gleichwertig sind.

Gleichzeitig gibt ein Anerkennungsbescheid den Unternehmen aber auch die nötige Transparenz und Klarheit über Abschlüsse und Kompetenzen von Bewerberinnen und Bewerbern mit internationalen Erfahrungen. Laut Koalitionsvertrag sollen Hürden bei der Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen aus dem Ausland abgesenkt, Bürokratie abgebaut und Verfahren beschleunigt werden. Welche Maßnahmen sind denkbar?

Bessere Praktikabilität bei Einreise zu Qualifizierungszwecken dringend notwendig

  • Die Zuwanderung mit teilweiser Gleichwertigkeit sollte erleichtert werden: Für die Betriebe ist es wichtig, dass grundsätzlich schon vorgesehene Instrument der Zuwanderung mit teilweiser Gleichwertigkeit zu erleichtern. Die korrekte Beantragung des passenden Zuwanderungstitels zu Qualifizierungszwecken setzt für Unternehmen und ihre (potenziellen) Fachkräfte eine tiefe Detailkenntnis voraus. Hier wäre eine Überarbeitung für eine bessere Praktikabilität im Sinne der Unternehmen und der Fachkräfte sinnvoll.
  • Schlankere Lösungen für das Arbeiten mit teilweiser Gleichwertigkeit neben der Qualifizierung wären hilfreich: Die Möglichkeit, bereits während der Qualifizierung zu arbeiten (Helfer, Fachkraft et cetera), ist zu kompliziert ausgestaltet. Hier sollte eine schlankere Lösung gefunden werden. So könnte beispielsweise das Unternehmen entscheiden – je nach Qualifizierungsstand der (potenziellen) Fachkraft – ob diese als Fach- kraft oder (zunächst) als Helfer eingesetzt wird. Der Bescheid einer teilweisen Gleichwertigkeit sollte dazu ausreichend sein. Entsprechende Details, unter anderem zu Einsatzmöglichkeiten, Bezahlung et cetera regelt der Arbeitsvertrag. Das Ziel des Einwanderungstitels – Anpassungsqualifizierung zur vollen Gleichwertigkeit – bleibt erhalten, nur der Weg dahin orientiert sich an den Unternehmensbedarfen und dem Niveau der einreisenden Arbeitskraft.
  • Das Vorlegen eines individuellen Qualifizierungsplans, der je nach Defizit Unternehmen und Bildungsträger benennt, sollte auf die Zeit nach der Einreise verschoben werden (derzeit muss er vorher vorgelegt werden). Unternehmen und Fachkräfte können sich – angekommen in Deutschland – schnell und unkompliziert an eine passende Beratungsstelle, beispielsweise eine regionale IHK, wenden und dort entsprechend Unterstützung erhalten.
  • Der Anerkennungszuschuss sollte erweitert werden: Eine Förderung über den Anerkennungszuschuss des BMBF (Kriterien unter anderem vergleichsweise geringes Einkommen) kann nur beantragt werden, wenn die Fachkraft bereits seit drei Monaten in Deutschland lebt und das Anerkennungsverfahren noch nicht gestartet ist. Das bedeutet, dass diese unterstützende Finanzierungsmöglichkeit für einreiseinteressierte Fachkräfte aus Drittstaaten, die noch im Ausland sind, bis jetzt nicht in Frage kommt. Hier wäre zu prüfen, ob eine Erweiterung des Anerkennungszuschusses um diese Personengruppe möglich ist oder gegebenenfalls andere Instrumente greifen könnten (Auszahlung bei Einreise; Darlehen et cetera).
  • Die Informationen im Ausland zur Einreisemöglichkeit mit teilweiser Gleichwertigkeit sollten erweitert werden: Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass nach Erhalt eines Teilanerkennungsbescheides sowohl Fachkräften als auch Unternehmen mitunter nicht klar ist, welche nächsten Schritte konkret folgen könnten. Über bestehende Beratungsstrukturen im Inland haben ausländische Fachkräfte meist keine Kenntnis. Es wird angeregt, über Folgeschritte nach einem Teilanerkennungsbescheid und die Möglichkeit mit teilweiser Gleichwertigkeit einzureisen, auch über die einschlägigen Plattformen, beispielsweise make-it-in-germany.com und anerkennung-in-deutschland.de, verstärkt zu informieren.
  • Trotz einer anerkannten Qualifikation bestehen Probleme zum Teil darin, dass der anerkannte Beruf nicht deckungsgleich mit dem ist, der in Deutschland ausgeübt werden soll, was zu einer Ablehnung durch die BA führen kann, obwohl der Betrieb die Person auf Fachkraftniveau beschäftigen kann. Gemäß FEG-Anwendungshinweisen soll die Einschätzung des Arbeitsgebers bezüglich der Eignung für die Tätigkeit stärker berücksichtigt werden – dieser sollte in der praktischen Umsetzung stärker Rechnung getragen werden.
  • Es sollten weitere Möglichkeiten geschaffen werden, das Berufsanerkennungsverfahren nach der Einreise während eines (befristeten) Aufenthalts zur qualifizierten Beschäftigung in Deutschland durchzuführen. Dies ist bereits jetzt bei Vermittlungsabsprachen der BA möglich.

Beratungsstrukturen zur Berufsanerkennung ausbauen

  • Im Rahmen des BMBF-geförderten Projektes "ProRecognition" beraten AHKs bereits in zehn Ländern vor Ort Fachkräfte zur Anerkennung. Das AHK-Netz bietet die Möglichkeit, weltweit noch mehr bilinguale Beraterinnen und Berater einzusetzen, die zu den individuellen Anerkennungschancen, passenden Referenzberufen, zur Antragsstellung, notwendigen Deutschkenntnissen und Weiterbildungsmöglichkeiten beraten sowie auch in Form von Bewerbungstrainings vor Ort konkrete Unterstützung für einreiseinteressierte Fachkräfte leisten könnten. Finanzielle Unterstützungsangebote könnten zur Verstetigung dieser vorintegrierenden Beratungsleistungen beitragen.

Neben der Zuwanderung kommt der Abwanderung insbesondere ausländischer Fachkräfte eine entscheidende Rolle zu. Je geringer die Abwanderung ist, desto geringer kann die Neuzuwanderung rein rechnerisch ausfallen und damit wären Kosten und Aufwand der Fachkräftegewinnung und Integration geringer. Unterschiedliche Ansatzpunkte sind denkbar:

  • Eine bessere Integration ließe sich durch den Ausbau von Welcome-Centern ermöglichen. Dort haben Unternehmen sowie Fachkräfte qualifizierte Ansprechpersonen zu betrieblichen, aber auch außerbetrieblichen, Fragestellungen, was einen Beitrag zur Erhöhung der Bleibewahrscheinlichkeit leisten kann.
  • Der guten Integration im Betrieb kommt eine wichtige Rolle zu – sie stärkt auch die Integration der Beschäftigten in der Gesellschaft. Daher sind entsprechende Angebote und "Kümmerer-Strukturen" auch für die Betriebe wichtig. Die IHK- Organisation bietet beispielsweise den bundeseinheitlichen Zertifikatslehrgang "Betrieblicher Integrationsmanager (IHK)" an.
  • Praxiserfahrungen zeigen zudem, dass zum Teil auch die Serviceorientierung in Behörden gesteigert werden kann, mit denen die ausländischen Fachkräfte bei der Erledigung der nötigen administrativen Abläufe in Kontakt sind.
  • Die Aussicht auf eine schnellere Niederlassungserlaubnis kann die Bleibewahrscheinlichkeit erhöhen. Dies ließe sich beispielsweise mit Anreizen zum Spracherwerb koppeln.
  • Um ausländischen Studierenden an deutschen Hochschulen auch nach erfolgreichem Studium eine längerfristige Beschäftigungsperspektive zu ermöglichen, könnte über einen Auf-/Ausbau von organisierten Patenmodellen mit Betrieben während des Studiums nachgedacht werden – dies könnte den Übergang der Absolventen/-innen in den Arbeitsmarkt erleichtern.
  • Der Familiennachzug von Angehörigen von in Deutschland beschäftigten Fachkräften könnte erleichtert werden, damit die Anreize zum Bleiben verbessert werden. Hier könnte die aktuelle Blue-Card-Regelung als Orientierung dienen und für andere Fachkräftetitel analog gelten. So haben Ehegatten von Blue-Card-Inhabern auch ohne deutsche Sprachkenntnisse einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, die auch eine Erwerbstätigkeit ermöglicht

Duale Ausbildung ist einer der Schlüssel für die Fachkräftesicherung und Arbeitsmarktintegration: Ausbildungsplätze in Deutschland können zunehmend nicht besetzt werden; Zugewanderte könnten helfen, die Lücke zu verringern. Nach einer Ausbildung stehen nach deutschen Standards ausgebildete und von Unternehmen nachgefragte Fachkräfte zur Verfügung. Die Integration in Arbeitsmarkt und Gesellschaft findet bereits während der Ausbildung statt.

Diese Aspekte sollten bei der Fachkräfteeinwanderung verstärkt in den Fokus genommen werden. Die Zuwanderung nach Deutschland zum Zweck einer Ausbildung ist sowohl aus EU-Staaten als auch aus Drittstaaten aktuell recht gering. Während innerhalb der EU Freizügigkeit besteht, sind dennoch Vereinfachungen für junge Menschen aus Drittstaaten denkbar.

  • Auch bei der Ausbildung könnte auf die Vorrangprüfung verzichtet werden. Nicht mehr fehlende Ausbildungsplätze, sondern Bewerberinnen und Bewerber sind heute und insbesondere künftig der Engpass. Gleiche Beschäftigungsbedingungen schützen vor potenziellem Missbrauch.
  • Es könnte die Möglichkeit der Einreise für eine Ausbildungsvorbereitung/Vorqualifizierung zur Ausbildung in das FEG aufgenommen werden wie mehrmonatige bis einjährige (vom Unternehmen bezahlte oder staatlich geförderte) Praktika in Unternehmen; diese könnten parallel für den Spracherwerb genutzt werden (nach dem Modell der Einstiegsqualifizierung EQ plus Sprache). Dabei könnten Teile auf die Dauer der Ausbildung angerechnet werden. Eine solche Vorbereitung könnte den Start der Ausbildung und den erfolgreichen Abschluss erleichtern und damit die Abbruchwahrscheinlichkeit senken und Integrationschancen erhöhen.
  • Die aktuellen rechtlichen Voraussetzungen der Zuwanderung zur Ausbildungsplatzsuche sind strikt und ermöglichen diese Form der Zuwanderung gerade solchen Personen, die vielfach einen Hochschulabschluss und weniger eine berufliche Ausbildung anstreben dürften. Denn diese Voraussetzungen sind unter anderem eine Hochschulzugangsberechtigung oder gelten für Absolventen/-innen deutscher Auslandsschulen. Hier könnten die Zugangswege auch für weitere Schulabsolventen /-innen erleichtert werden. Zudem könnte die aktuelle Altersgrenze von 25 Jahren abgeschafft oder zumindest angehoben werden.

Mit dem AHK-Netz stehen etablierte Strukturen und vielfältige Expertise in den Herkunftsländern zur Verfügung, deren Rolle im Kontext der Fachkräfteeinwanderung gestärkt werden könnte.

  • Individuelle Unterstützung für deutsche Unternehmen, um passende Fachkräfte für ihre Betriebe zu finden: Viele AHKs bieten bereits an individuellen Unternehmensbedarfen ausgerichtete Services in der Personalvermittlung an und helfen beispielsweise, geeignetes Personal für deutsche Tochtergesellschaften zu rekrutieren. Auf der Basis von bilateralen Vereinbarungen (siehe oben beispielsweise Vermittlungsabsprachen der BA) könnten AHKs gezielt Fachkräfte in zuvor definierten Berufsgruppen für deutsche Unternehmen suchen und diese im Visum- sowie Berufsanerkennungsprozess individuell begleiten. Durch gezielte Förderangebote dieser Services könnten deutsche Unternehmen ermutigt werden, aktiv im Ausland Fachkräfte zu gewinnen. Da ein persönliches Kennenlernen oftmals Unsicherheiten abbauen kann, könnten AHKs vor Ort auch Matchmakings zwischen lokalen Fachkräften und deutschen Unternehmen organisieren. Im Rahmen solcher "HR-Delegationsreisen" könnten durch einen begleitenden fachlichen Austausch und Besuche von Berufsbildungseinrichtungen zudem Eindrücke vom Ausbildungsstandard vermittelt und so Erwartungsmanagement betrieben werden.
  • Visavorbereitung professionalisieren und effektiver gestalten durch gezielte Unterstützungsangebote der AHKs: 2021 wurde bereits eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem Auswärtigen Amt und dem DIHK geschlossen. Hiernach können AHKs schon heute migrationswillige Fachkräfte in der Vorbereitung des Visumverfahrens unterstützen, beispielsweise bei der Zusammenstellung vollständiger Unterlagen. Darüber hinaus könnten die AHKs zukünftig auch bei der Echtheitskontrolle von Unterlagen mittels sogenannter Plausibilitätsprüfungen unterstützen und durch eine Koordinierung von Verfahren deren finale Prüfungen beschleunigen. Diese abschließenden Prüfungen bleiben dann weiterhin hoheitliche Aufgaben der Auslandsvertretungen. In diesem Zusammenhang könnten die AHKs sogar Identifikationsprüfungen vornehmen, wie sie es bereits für die Kreditwirtschaft auf Grundlage des deutschen Geldwäschegesetzes tun (vgl. GWG Art. 17 Abs. 8).
  • Bürokratie abbauen und Verwaltungsverfahren (Visa/Berufsanerkennung/Erteilung Aufenthaltstitel) vereinfachen und beschleunigen, insbesondere durch Digitalisierungsverfahren bei der Weiterleitung von Unterlagen: Solange dies noch nicht vollumfänglich möglich ist, könnten AHKs im Ausland und eine noch festzulegende Stelle im Inland beauftragt werden, im Auftrag einreisewilliger Erwerbsmigranten /-innen Post zu versenden beziehungsweise entgegenzunehmen. Außerdem könnten Verfahren vereinfacht werden, wenn wegen der Unsicherheit des Postweges notwendige Unterlagen zunächst in Kopie und erst nach Einreise im Original zur Prüfung vorzulegen sind.
  • Den Spracherwerb im Ausland fördern und unterstützen, indem die Anreize im Ausland zum Deutschlernen erhöht und gleichzeitig die Kosten für den Spracherwerb gesenkt werden, denn es gibt noch weitere Begleitkosten, die von Ausreiseinteressierten finanziert werden müssen (Visa, Beglaubigungen, Übersetzungen, Anerkennung). Einzelne AHKs bieten bereits Sprachkurse an, die auf ein schnelles und arbeitspraxisnahes Erlernen der deutschen Sprache abzielen. Diese Angebote ließen sich systematisch und auf den Bedarf am Arbeitsmarkt ausgerichtet im AHK-Netz ausbauen.
  • Viele AHKs verfügen über Know-how und ein breites Dienstleistungsportfolio rund um "Duale Berufsbildung im Ausland". Die AHK-Angebote beziehen sich auf die Beratung, Organisation und Qualitätssicherung von Berufsbildungsaktivitäten im jeweiligen Gastland, angelehnt an das deutsche Modell. Gemeinsam wirken AHKs und DIHK darauf hin, dass die Dienstleistungen standardisiert und weltweit vergleichbar sind. Mit drei definierten und etablierten DIHK-Qualitätskorridoren ist es den AHKs möglich, je nach Nähe zum deutschen System zu zertifizieren. Deshalb sollte geprüft werden, ob qualitätsgesicherte AHK-DIHK-Abschlüsse nicht in einem Verfahren nach BQFG anerkannt werden können. Denn es handelt sich zwar formal nicht um ausländische Abschlüsse, aber doch um Qualifizierungen, die gerade wegen der Orientierung am deutschen Modell den inhaltlichen Maßstäben des BQFG weitgehend entsprechen und daher unbürokratisch anerkannt werden sollten.
  • In die AHK-Angebote könnten vorbereitende interkulturelle Trainings aufgenommen werden, wie es sie an einigen Standorten bereits gibt. Durch individuelle Beratung und Informationen zur "Zielregion" Deutschland ließen sich Integrationschancen steigern. Denn die Erfahrung zeigt, dass vermittelte Fachkräfte teils mit einer hohen Erwartungshaltung oder zum Teil unrealistischen Vorstellungen von Deutschland einreisen – eventuelle Probleme ließen sich durch gute Information im Vorfeld vermeiden.

Rückmeldungen aus der Praxis zeigen, dass der administrative Prozess der Zuwanderung vielfach nicht wie gewünscht funktioniert. Dies verdeutlichen beispielsweise Erfahrungen des Projekts "Hand in Hand for international Talents", das gemeinsam von BMWK, DIHK und BA betrieben wird, um insbesondere KMU bei der Fachkräftegewinnung im Ausland zu unterstützen und Erfahrungen mit dem FEG zu gewinnen. Viele Akteure sind eingebunden (Ausländerbehörden, Anerkennungsstellen, Arbeitsagenturen, Botschaften), was einen guten Prozessablauf nötig macht. Laut Koalitionsvertrag soll die Visavergabe beschleunigt und verstärkt digitalisiert werden – das ist richtig und nötig. Daneben sind weitere Verbesserungen denkbar:

  • Gemäß FEG sollen die Länder mindestens eine zentrale Ausländerbehörde einrichten, um hier Expertise und Kapazitäten für die schnelle Umsetzung vorzuhalten – unter anderem für das beschleunigte Fachkräfteverfahren. Diese wurden nicht in allen Ländern eingerichtet und es liegen Erfahrungen vor, dass in manchen Ausländerbehörden zum Teil die aktuelle Rechtslage nicht ausreichend bekannt ist beziehungsweise umgesetzt wird. Die Folge sind mitunter lange Wartezeiten bei der Vergabe, aber gerade auch bei der Verlängerung von Aufenthaltstiteln, was die Planungssicherheit der Betriebe erschwert. Der Ausbau der zentralen Ausländerbehörden inklusive Kompetenzaufbau und klaren Ansprechpersonen wäre aus DIHK-Sicht wünschenswert. Zu prüfen wäre, ob gegebenenfalls eine bundesweite Stelle sinnvoll sein könnte.
  • Die Transparenz und eine Rollenklarheit zwischen BA, Ausländerbehörden und Zuständigen Anerkennungsstellen sind nicht immer gegeben – diese sollten geschaffen werden.
  • Regelmäßige Schulungsveranstaltungen zum FEG und dem beschleunigten Fachkräfteverfahren für Botschaften und Visastellen wären sinnvoll, damit die Prozesse der Visumantragstellung im Rahmen des beschleunigten Fachkräfteverfahrens reibungslos funktionieren und nicht zum Teil Sachverhalte im In- und Ausland doppelt geprüft und im Zweifel unterschiedlich bewertet oder auch nicht notwendige Unterlagen gefordert werden. Zudem sollte sichergestellt sein, dass in den Botschaften und Visastellen ausreichend Personalkapazität vorhanden ist, um die Bearbeitungszeit von Visumanträgen auch außerhalb des beschleunigten Fachkräfteverfahrens auf wenige Wochen zu begrenzen.
  • Teilweise gibt es Berichte, dass sich das beschleunigte Fachkräfteverfahren verzögert, weil es nicht rechtzeitig zum Abschluss der dafür nötigen Vereinbarung zwischen Ausländerbehörde und Arbeitgeber kommt. Hier wäre es sinnvoll, wenn die Ausländerbehörden diese Vereinbarung in einer bestimmten Frist (beispielsweise zwei Wochen) abschließen müssten, nachdem der Arbeitgeber das Verfahren dort beantragt hat. Sollten dafür nötige Unterlagen fehlen, müssten die Ausländerbehörden dem Arbeitgeber dies ebenfalls innerhalb einer festen Frist mitteilen, sodass er diese nachreichen kann.
  • Berufskraftfahrer aus Drittstaaten (mit noch fehlenden Qualifizierungen) sollten auch in das beschleunigte Verfahren einbezogen werden. Aktuell können diese Berufskraftfahrer, die hierzulande noch Qualifizierungen nachholen müssen, aber bereits im Betrieb in anderer Position und nicht als Fahrer arbeiten dürfen, das beschleunigte Verfahren nicht nutzen. Diejenigen, die die Voraussetzungen für die Beschäftigung als Berufskraftfahrer erfüllen, können es hingegen nutzen. Viele Betriebe sind dringend auf Berufskraftfahrer angewiesen und sind bereit, die nötigen Qualifizierungsmaßnahmen durchzuführen. Lange Wartezeiten im administrativen Prozess sind daher kontraproduktiv.
  • Teilweise berichten Unternehmen, dass Menschen, die sie beschäftigen (möchten), zwecks Wechsel des Aufenthaltstitels zunächst ins Heimatland ausreisen müssten, um von dort einen anderen Titel zu beantragen. Ein solcher Wechsel ist zwar meist grundsätzlich ohne Ausreise möglich. Hier sollte aber geprüft werden, ob es noch Fallkonstellationen gibt, in denen eine Ausreise derzeit zwar laut Gesetz vorgesehen ist, hierauf aber im Interesse von Unternehmen und Beschäftigten verzichtet werden könnte.

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Porträtbild Dr. Stefan Hardege, Referatsleiter Fachkräftesicherung, Arbeitsmarkt, Zuwanderung
Dr. Stefan Hardege Referatsleiter Fachkräftesicherung, Arbeitsmarkt, Zuwanderung

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Porträtbild Petra Blum, Pressesprecherin
Petra Blum Pressesprecherin