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Warum er mitmacht? "Ich helfe gern!"

Azubis entwickeln im Projekt "Integrationsscouts" etwa einen "Klatsch-Treff"
Integrationsscout Schmauder beugt sich über eine Motorhaube

Anna Sudermann und Zidan Aboromia, Azubis beim Autozentrum Schmauder und Rau, engagieren sich für die berufliche Integration von jungen Migranten

© Annja Maga

Pfadfinder für eine gemeinsame Zukunft: Beim Projekt "Integrationsscouts" lernen Azubis interkulturelle Kompetenz. Zugewanderte finden sich so besser in der neuen Heimat zurecht – und Betriebe engagierte Fachkräfte. Wie beim Autozentrum Schmauder und Rau aus der Nähe von Stuttgart.

Als der Brite Robert Baden-Powell vor 115 Jahren die Pfadfinder erfand, hat er sich sicher nicht träumen lassen, welche Erfolgsbewegung das einmal werden würde. Scouts gibt es inzwischen in den unterschiedlichsten Bereichen. Der Grundgedanke bleibt aber immer derselbe: Junge Leute tun sich in kleinen Gruppen zusammen, um nach der Methode "Learning by Doing" Projekte eigenständig zu entwickeln und so eine lohnenswerte Sache voranzubringen.  

Zum Beispiel die berufliche Integration von jungen Migranten. "Integrationsscouts" heißt das Projekt, mit dem das "Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge" Azubis mit und ohne Migrationserfahrung zusammenbringt, um eine Idee zu entwickeln, die dafür sorgt, dass sich aktuelle und künftige Mitarbeiter als Teil der Unternehmensfamilie fühlen. Der Gedanke dahinter: Auszubildende wissen am besten, was ihnen beim Ankommen im Betrieb geholfen hat oder geholfen hätte. Schließlich sind sie ja selber als "Neulinge" in bestehende Strukturen gekommen.  

Der Nutzen dabei ist ein dreifacher: Die jungen Leute erfahren, wie das (Arbeits-) Leben aus der Perspektive des jeweils anderen aussieht, und entwickeln so Verständnis füreinander und ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Zweitens lernen sie, selbstständig ein Projekt zu entwickeln und umzusetzen, von dem die ganze Firma profitiert; und drittens macht solch ein Angebot einen Betrieb attraktiv für engagierte Jugendliche.  

Azubis rücken zusammen, die Ausbilderin wird entlastet 

Besonders der dritte Gedanke hat Bettina Schmauder vom Autozentrum Schmauder und Rau GmbH in Kirchheim/Teck bei Stuttgart überzeugt: "Wir sind immer auf der Suche nach Projekten, die unsere Azubis bereichern", erzählt die Chefin von 40 Mitarbeitern. Schnell fand sich ein Gespann aus Anna Sudermann und Zidan Aboromia, das die Idee mit Leben füllte. Die 23-Jährige ist im zweiten Lehrjahr zur Bürokauffrau, der 27-jährige gebürtige Syrer im dritten Jahr als Kfz-Mechatroniker, Fachrichtung System- und Hochvolttechnik. Warum er mitmacht? "Ich helfe gern." 

Und was ist nun ihr Projekt? "Wir haben ein Konzept mit Leitfaden für einen Azubi-Klatsch-Treff entwickelt, bei dem sich alle zwei Wochen je ein älterer Azubi mit einem 'Neuling' trifft. Bei den Zweiergesprächen sollen betriebliche und schulische Angelegenheiten unter vier Augen besprochen werden", erzählt Sudermann. Gleich zwei Vorteile erhoffen sich das Team und seine Chefin davon: Einerseits rücken die neuen Azubis sicher leichter mit möglichen Problemen heraus, wenn sie sich Altersgenossen anvertrauen können, andererseits entlastet das die Ausbilderin. 

Damit der Klatsch-Treff diese Ziele erreicht, besuchen alle elf Schmauder-Azubis gemeinsam ein Seminar, bei dem sie Gesprächsführung und Moderation einüben. Zusätzlich gibt es ein interkulturelles Training. 

Das Projekt haben sich Anna Sudermann und Zidan Aboromia selbst ausgedacht. Wie überhaupt der Fantasie der jungen Leute keine Grenzen gesetzt sind. Falls aber doch Unterstützung gewünscht ist, hilft das Netzwerk-Team gern bei der Ideenfindung und bei der Vorbereitung der Umsetzung.  

Unabhängig davon werden alle Integrationsscouts sechs bis achtmal während des Projektjahres vom Netzwerk eingeladen, um sich auszutauschen. Danach kehren sie mit neuen Impulsen für die Projektentwicklung nach Hause zurück. Sogar Hausaufgaben gibt es, zum Beispiel das Drehen eines kleinen Films über ihre Idee. 

Es kostet auch nichts 

"Das Projekt ist umfassend", erzählt Sarah Strobel vom Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge, "denn wir begleiten nicht nur die Azubis sehr eng, sondern auch die Ausbilder." Schon vor Projektstart werden alle Ausbildungsverantwortlichen zu einer Info- und Kennenlernrunde eingeladen. "Bis zum Abschluss bleiben sie in unserer Informations-Loop", sagt Strobel und ergänzt: "Weiteren Aufwand haben sie nicht, und es kostet auch nichts." 

Und was bringt das Projekt nun? Für die im Land aufgewachsenen Azubis einen Perspektivwechsel und interkulturelle Kompetenz, dazu Projekterfahrung. Für die zugewanderten Azubis Unterstützung bei Sprache und Zurechtfinden in der neuen Heimat. Und für die Betriebe engagierte Fachkräfte, die etwas auf die Beine stellen können. 

Kontakt

Porträtfoto Katharina Reiche
Katharina Reiche Projektreferentin Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge

IHK-Bildungsmagazin Position

Dieser Beitrag stammt aus dem IHK-Berufsbildungsmagazin "Position". Es erscheint jeweils zum Quartalsanfang und bietet vor allem Ausbildern, Personalverantwortlichen und Prüfern Tipps, Ideen und Tools zur Fachkräftesicherung, Best Practices sowie bildungspolitische Vorschläge. Unter www.ihk-position.de begleiten Hintergründe, Bilderstrecken und Videos online das Printprodukt.