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Paradigmenwechsel in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit – Handel und Investitionen als Eckpfeiler der Kooperation mit Partnerländern

Vor dem Hintergrund anhaltender geopolitischer Herausforderungen gewinnt die Diversifizierung von Beschaffungs- und Absatzmärkten für deutsche Unternehmen zunehmend an Bedeutung. Dabei rücken vor allem Schwellen- und Entwicklungsländer verstärkt in den Fokus wirtschaftlicher Kooperationen. 

Deutschland verfügt über eine gut funktionierende und breit aufgestellte Außenwirtschaftsförderung (AWF) – zentral organisiert und durch den Föderalismus auch regional verankert. Doch andere Länder haben deutlich aufgeholt: Sie setzen mit strategischer, teils aggressiver Außenwirtschaftspolitik und enger Verzahnung mit der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) gezielt nationale wirtschaftliche Interessen durch – mit klaren Prioritäten auf Handel und Investition, abgestimmter Kommunikation zwischen Wirtschaft und Politik sowie schnelleren Entscheidungen der jeweiligen Regierungen. 

Inzwischen geht auch in den westlichen Industrienationen die Tendenz in Richtung reduzierter Budgets für die Entwicklungszusammenarbeit, bei gleichzeitig stärkerer Förderung des Auslandsgeschäfts heimischer Unternehmen. Im Gegensatz zu seinen Wettbewerbern verzichtet Deutschland bisher weitgehend darauf, die finanziellen und personellen Ressourcen der Entwicklungszusammenarbeit systematisch auch für die Interessen der eigenen Wirtschaft einzusetzen.

Aus Sicht der DIHK sollte sich auch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit wesentlich stärker als bisher – systematisch und konsequent – für die Interessen der eigenen Wirtschaft und Unternehmen öffnen. Neben den bereits bestehenden Kooperationen im Bereich "Zusammenarbeit mit der Wirtschaft" haben vor allem bilateral vereinbarte Vorhaben das Potenzial, zur Ausweitung von Handel und Investition beizutragen. Dies betrifft Projekte der Technischen Zusammenarbeit (TZ) ebenso wie Vorhaben der Finanziellen Zusammenarbeit (FZ). 

Verantwortliche der deutschen FZ und TZ prüfen ihre Programme bisher im Hinblick auf die sogenannten ESG- (Environmental, Social and Governance) Kriterien. Diesem Vorgehen entsprechend sollten in Zukunft die Programme auch auf ihre Potenziale für die deutsche Wirtschaft hin analysiert und konzipiert werden. Die deutschen Auslandsvertretungen sollten diesen Prozess begleiten und unterstützen. Ein gemeinsamer Auftritt der relevanten Akteure aus Außenwirtschaftsförderung und Entwicklungszusammenarbeit als Team Deutschland ist dabei anzustreben. 

Vertreter von Partnerregierungen kritisieren immer wieder ein zu geringes Engagement der deutschen Wirtschaft in ihren Ländern beziehungsweise fordern ein ebensolches geradezu ein. Handel und Investitionen sind für viele von ihnen der Schlüssel für die Schaffung von nachhaltigem Wohlstand und Beschäftigung in ihren Ländern. Daher setzen auch sie sich dafür ein, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ihren Fokus vermehrt auf den Ausbau wirtschaftlicher Kooperationen legt.

1.1 Bilaterale Schwerpunkte für Wirtschaftskooperationen nutzen

Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass sich die deutsche Entwicklungszusammenarbeit zukünftig stärker an den Interessen deutscher Unternehmen orientiert. Die größten Potenziale zur Erreichung dieses Ziels bietet die bilateral vereinbarte Zusammenarbeit.

Viele mit den Partnerländern durchgeführten Programme könnten oftmals ein größeres Engagement deutscher Unternehmen vor Ort ermöglichen, vor allem durch die verstärkte Nutzung unternehmensnaher Instrumente. Dazu gehören insbesondere Unternehmensreisen, Messeteilnahmen, Wirtschaftsveranstaltungen sowie individuelle Unternehmensberatungen. Diese Aktivitäten sollten von den Akteuren der Außenwirtschaftsförderung (Auslandshandelskammern (AHKs), Ländervereine und Fachverbände) durchgeführt werden, da sie über die erforderliche Erfahrung und Kompetenz im Bereich von Match-Making-Maßnahmen verfügen. Finanziert werden sollten sie in diesen Fällen aus den Mitteln der bilateralen Zusammenarbeit des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Wichtig ist eine enge Abstimmung mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE), um Überschneidungen mit dem Instrumentarium der Außenwirtschaftsförderung zu vermeiden.

1.2 Partnerorientierung praktizieren – Wettbewerb fördern

Bisher werden die Durchführungsorganisationen der FZ und der TZ quasi automatisch mit der Umsetzung bilateraler Vorhaben vom BMZ beauftragt. Auch die Akteure der Außenwirtschaft sollten sich auf ausgewählte Vorhaben beim BMZ bewerben können. So könnte dem im Koalitionsvertrag vereinbarten "Wettbewerb" in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit Rechnung getragen werden. Im Ausland besitzen die AHKs mit ihrer Rolle als offizielle Repräsentanz der deutschen Wirtschaft und den Netzwerken mit lokalen Unternehmen ein Alleinstellungsmerkmal zur Durchführung entsprechender Aktivitäten. Die Auswahl der Vorhaben sollte im Vorfeld bilateraler Regierungsverhandlungen erfolgen – abgestimmt zwischen BMZ und BMWE, mit Beteiligung der Durchführungsorganisationen des BMZ, der betroffenen Wirtschaftsverbände und der deutschen Botschaft vor Ort.

1.3  Ressourcenasymmetrie berücksichtigen

Die personelle und finanzielle Ausstattung der Entwicklungszusammenarbeit übersteigt die Ressourcen der Organisationen der deutschen Außenwirtschaft um ein Vielfaches. Aus diesem Grund sollten insbesondere bei der Antragstellung und Umsetzung wirtschaftsnaher Großprojekte in Schwellen- und Entwicklungsländern Kooperationen angestrebt werden. Vor Ort betrifft dies überwiegend die Zusammenarbeit der AHKs mit der GIZ. Grundsätzlich sollten die AHKs gegenüber dem BMZ als Projektnehmer auftreten und dann die Rolle der GIZ in Form von Unteraufträgen festlegen dürfen.

1.4 Länderbezogene Fonds aufsetzen

Alternativ könnten aus den bestehenden Mitteln der bilateralen Zusammenarbeit Fonds zur pragmatischen und schnellen Förderung von Match Making-Aktivitäten aufgesetzt werden. Dies könnte länder- oder regionenbezogen erfolgen. Die vereinbarten Maßnahmen könnten sich an den bilateral vereinbarten Schwerpunkten orientieren oder anlassbezogen eingesetzt werden, zum Beispiel im Rahmen von wirtschaftlichen Großereignissen, Messen oder Unternehmerreisen zur Begleitung hochrangiger Politiker. Die sequa wurde als Schnittstelle zwischen Außenwirtschaftsförderung und Entwicklungszusammenarbeit gegründet. Sie sollte die Koordination des Fonds und die Abstimmung mit den relevanten Partnern aus Außenwirtschaft und Politik übernehmen dürfen. 

Die große Vielfalt an Unterstützungsangeboten im Bereich der Außenwirtschaftsförderung und der Entwicklungszusammenarbeit erscheinen aus Sicht deutscher und lokaler Unternehmen oft wie ein Dschungel nicht koordinierter Einzelmaßnahmen. Derzeit gelingt es nur begrenzt, den Unternehmen im In- und Ausland ein bedarfsgerechtes Angebot zu unterbreiten, welches das gesamte Spektrum an relevanten Unterstützungsmöglichkeiten abdeckt. 

Die staatlich finanzierten Beratungsstrukturen der Außenwirtschaftsförderung und der Entwicklungszusammenarbeit sollten in Deutschland mit Blick auf die zu beratenden Unternehmen zusammengelegt werden. Virtuelle Förderlotsen sind ein Schritt in die richtige Richtung. Perspektivisch sollte es jedoch das Ziel sein, die Unternehmen und die sie vertretenden Wirtschaftsorganisationen zentral über die gesamte Bandbreite an Unterstützungsleistungen und Angebote zu informieren. Die folgenden Markteinstiegsberatungen für Unternehmen werden von den Organisationen der Außenwirtschaft übernommen. Daher sollten die Wirtschaftsorganisationen in die Entwicklung neuer, übersichtlicherer Beratungsstrukturen eng eingebunden werden.

Vor Ort in den Partnerländern können die sogenannten Business Scouts an den AHKs einen wichtigen Beitrag für einen einheitlichen Auftritts des Team Deutschland leisten. Sie werden überwiegend vom BMZ finanziert und sind als integrierte Fachkräfte in den AHKs beschäftigt. Aufgrund ihrer Schnittstellenfunktion haben sie einen guten Überblick über das Spektrum der für Unternehmen verfügbaren Instrumente von Entwicklungszusammenarbeit und Außenwirtschaftsförderung. Auch in Deutschland könnte das Instrumentarium der deutschen Entwicklungszusammenarbeit effizienter an ausgewählte Zielgruppen in der Wirtschaft vermittelt werden. Dazu sollte der verstärkte Einsatz von Business Scouts ebenso bei Fachverbänden und IHKs angestrebt werden.

2.1 Programme der sequa stärken

Aufgrund ihrer Gesellschafter- und Programmstruktur verkörpert die sequa die Verzahnung von Außenwirtschaftsförderung und Entwicklungszusammenarbeit wie kaum eine andere Gesellschaft. Gerade die vom BMZ finanzierten Projekte der sequa zeichnen sich durch ihren Fokus auf PPP-Maßnahmen aus. Mit ihren rund 100 Mitarbeitenden kann die sequa schnell in Form von Projekten auf außenwirtschaftliche und geopolitische Entwicklungen in den Partnerländern reagieren. Engagements in der Ukraine und beim Thema Migration stehen beispielhaft für dieses Alleinstellungsmerkmal der sequa.

Kammerpartnerschaften (KVPs), Berufsbildungspartnerschaften (BBPs) und der Import Promotion Desk (IPD) bilden die Schnittstelle zwischen entwicklungspolitischer Unterstützung und privatwirtschaftlichem Engagement. Der Erfolg dieser Programme ergibt sich aus dem Ziel, Strukturen aufzubauen, die weit über die Laufzeit des Projektes hinweg zur Entwicklung des Partnerlandes beitragen. Darüber hinaus sind sie ebenso für deutsche Unternehmen von großer Relevanz: BBPs fördern die Ausbildung von Fachkräften, auf die Investoren bei ihrem Engagement vor Ort angewiesen sind. KVPs unterstützen lokale Wirtschaftsorganisationen, die bei der Anbahnung von Unternehmenskooperationen sowie beim Aufbau von Wirtschaftsförderstrukturen vor Ort eine wichtige Rolle spielen. Und das IPD setzt bei den Bedarfen deutscher und europäischer Unternehmen nach Produkten aus dem Globalen Süden ("Sourcing") an.

Das IPD mit seinem Schwerpunkt auf Kooperationen im Bereich der Landwirtschaft wird dem partnerschaftlichen Gedanken der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in besonderer Weise gerecht: Die Landwirtschaft ist in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern der Sektor mit der größten Anzahl an Beschäftigen – im formellen wie im informellen Bereich. Ernährungssicherheit, Importsubstitution und Exporte in die EU spielen eine bedeutende Rolle in diesen Ländern. Dabei geht es neben der Schaffung qualifizierter Arbeitsplätze auch um die Stabilisierung der Fremdwährungsbudgets in den Schwellen- und Entwicklungsländern. Daraus erklärt sich die starke Nachfrage bei den Partnerregierungen für eine Einbindung in das IPD. Von daher sollte es zu den Prioritäten der Bundesregierung gehören, die Zusammenarbeit in diesem Sektor auszuweiten. 

2.2 Rohstoffe als strategischer Schwerpunkt der Entwicklungszusammenarbeit – unter Einbindung bestehender Strukturen

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit soll künftig einen stärkeren Fokus auf den Rohstoffsektor legen. Ein solcher Schwerpunkt kann nur wirksam und nachhaltig umgesetzt werden, wenn er konsequent auf bestehenden Strukturen aufbaut.

Insbesondere das German Mining and Resources Network, das die Rohstoffkompetenzzentren der Auslandshandelskammern (AHKs) umfasst, stellt eine zentrale Plattform dar, die technisches Know-how, internationale Erfahrung und wirtschaftliche Interessen bündelt. Die AHKs verfügen über tiefgehende Marktkenntnisse, langjährige Beziehungen zu lokalen Akteuren und sind wichtige Brückenbauer zwischen deutschen Unternehmen und Partnerländern. Das Netzwerk wird vom BMWE gefördert. Partner sind die Deutsche Rohstoffagentur, Germany Trade and Invest, Verbände, Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Hier sollte ein gemeinschaftlicher Ansatz bereits bei den strategischen Planungen gefunden werden, denn an vielen Standorten arbeiten AHKs mit Vertretern deutscher Entwicklungszusammenarbeit schon partnerschaftlich zusammen.

Ein zentraler Anspruch für die Integration des Themas Rohstoffe sollte darüber hinaus die Zielkongruenz zwischen den unterschiedlichen Interessen der Entwicklungszusammenarbeit und der Rohstoffsicherung für Unternehmen sein. 

Die primären Anliegen der Unternehmen im Rohstoffsektor sind: Versorgungssicherheit in Deutschland, Investitionsschutz, wirtschaftliche Effizienz, Diversifizierung/ Resilienz sowie Zugang zu Märkten und Ressourcen. Diese Anliegen können sich mit den Bedarfen der Partnerländer nach Wertschöpfung vor Ort, garantierten Abnahmeverträgen, hohen sozialen und ökologischen Standards, Ausbildung von Fachkräften, Finanzierungsmöglichkeiten etc. hervorragend ergänzen.

Die Interessen der Unternehmen und der Entwicklungszusammenarbeit müssen also miteinander verknüpft werden. Durch eine abgestimmte Zielsetzung und die Nutzung vorhandener Strukturen, wie zum Beispiel dem German Mining and Resources Network und den AHKs, kann ein kohärenter, wirksamer und verantwortungsvoller Beitrag zur globalen Rohstoff-Governance geleistet werden. Daher sollten gerade die AHKs eine wichtige Rolle bei der Weiterentwicklung und Umsetzung der deutschen Rohstoffstrategie einnehmen.

2.3  Großformate weiterentwickeln und aufeinander abstimmen

Die Verzahnung der Anliegen von Entwicklungszusammenarbeit und Außenwirtschaftsförderung sollte sich auch bei großformatigen Wirtschaftskonferenzen mit beziehungsweise in Entwicklungs- und Schwellenländern widerspiegeln.

Die G20 Compact with Africa (CwA)-Initiative sollte von der Bundesregierung weiterentwickelt werden. Ziel sollte es bleiben, gute Regierungsführung in ausgewählten afrikanischen Ländern zu fördern und Finanzierungsmöglichkeiten für diese Staaten und die private Wirtschaft zu verbessern. Das alle zwei Jahre stattfindende Treffen auf Ebene der Staats- und Regierungschefs wird von einem G20-Investment Summit begleitet. Die Bundesregierung sollte das Format in dem Sinne weiterentwickeln, dass der Fokus auf privatwirtschaftliche Investitionen und Projekte gestärkt wird. Afrikanischen Ländern, die der Initiative bisher noch nicht beigetreten sind, sollte eine Teilnahme als Gast ermöglicht werden. 

Die Hamburg Sustainability Conference (HSC) sollte zu einer Wirtschaftskonferenz weiterentwickelt werden: Die vom BMZ finanzierte HSC bringt einmal jährlich Entscheiderinnen und Entscheider aus Schwellen- und Entwicklungsländern mit deutschen und internationalen Unternehmen sowie Vertretern multilateraler Organisationen in Hamburg zusammen. Die Konferenz sollte ihren Fokus von klassischen entwicklungspolitischen Themen auf konkrete wirtschaftliche Maßnahmen ausweiten. Dies würde nicht zuletzt den Anliegen der Zielgruppen in Wirtschaft und Politik der Schwellen- und Entwicklungsländer entsprechen und damit den Gedanken der Partnerorientierung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit auch im Rahmen dieser Konferenz stärken.

Aktuell liegt der Anteil der ODA-Mittel (Official Development Assistance), die an deutsche Unternehmen vergeben werden, bei lediglich 11 Prozent (Quelle: OECD). Im Vergleich dazu beträgt der EU-Durchschnitt 34 Prozent, während die Quoten in den USA und Japan sogar bei 86 Prozent beziehungsweise 78 Prozent liegen.

Im Koalitionsvertrag ist festgehalten: "Unser Ziel ist, dass Vergaben von staatlich finanzierten Projekten der finanziellen Zusammenarbeit überwiegend an Unternehmen aus Deutschland und der EU erfolgen". Daraus ergibt sich ein Zielwert von mindestens 50 Prozent, den es zu erreichen gilt.

Für eine fundierte Bewertung und gezielte Steuerung ist eine umfassende Datengrundlage unerlässlich. Im Gegensatz zu anderen – auch multinationalen – Entwicklungsbanken veröffentlicht die KfW bislang keine aggregierten Informationen zur Auftragsvergabe. Diese Lücke sollte dringend geschlossen werden. Das Berichtswesen sollte dabei nicht nur Hauptaufträge, sondern auch Unteraufträge sowie Unternehmensverflechtungen systematisch erfassen.

3.1 Strukturelle Herausforderungen angehen

Die Abläufe in der Entwicklungszusammenarbeit sind oft langwierig: Von der Regierungskonsultation über die Ausschreibung bis hin zur Umsetzung vergehen häufig mehrere Jahre (top down). Dies steht im Widerspruch zu den deutlich schnelleren marktgetriebenen Bottom-up-Entscheidungs- und Umsetzungsprozessen vieler Unternehmen. Sie empfinden zum Beispiel die langwierigen Vergabeprozesse von KfW-Mitteln der bilateralen Zusammenarbeit als wenig praktikabel.

Deshalb sollten deutsche Unternehmen frühzeitig strukturell eingebunden werden – idealerweise schon vor den Regierungskonsultationen. So können mit jedem Partnerland Fokussektoren definiert werden, die sowohl entwicklungspolitisch sinnvoll sind als auch auf deutsches Wirtschaftspotenzial treffen. Die deutsche Wirtschaft ist breit aufgestellt, sodass eine werte- und interessenbasierte finanzielle Zusammenarbeit grundsätzlich Hand in Hand gehen kann. 

Eine klare Priorisierung könnte helfen, ein strukturelles Problem zu adressieren: Für viele Unternehmen ist es wirtschaftlich nicht tragfähig, für ein einzelnes Projekt – etwa im Umfang von 10 Millionen Euro – in ein neues, risikobehaftetes Marktumfeld einzutreten. Angesichts gestiegener geopolitischer Spannungen und damit verbundener Projektrisiken bei gleichzeitig stagnierenden Margen wägen viele Unternehmen eine Teilnahme sehr genau ab. Je nach Land und Kontext sollte deshalb geprüft werden, welche Sektoren und Länder, in denen deutsche Unternehmen stark vertreten sind und Interesse an Projekten haben, priorisiert werden können. Ziel muss es sein, die Schnittmenge aus entwicklungspolitischen Zielen und wirtschaftlichem Potenzial systematisch zu nutzen.

Die Zahl deutscher Generalunternehmen, die als Hauptauftragnehmer auftreten, ist in den letzten Jahren stetig zurückgegangen. Vergabeverfahren sollten insofern so gestaltet sein, dass sie nicht nur für große Generalunternehmen, sondern auch für mittelständische Akteure attraktiv sind.

3.2 Spielräume bei der Vergabe nutzen

Um den Anteil deutscher Unternehmen an ODA-finanzierten Projekten zu erhöhen, sollten zum einen bestehende vergaberechtliche Spielräume konsequenter genutzt werden. Zum anderen braucht es eine politische und fachliche Diskussion darüber, in welchen Sektoren und Konstellationen zusätzliche Handlungsspielräume geschaffen werden können.

Bestehende Spielräume:

ESG-Kriterien: Die finanzielle Zusammenarbeit (FZ) erfolgt auf Grundlage der Vergabevorschriften der Partnerländer (partner country procurement). Innerhalb dieses Rahmens bieten die bestehenden FZ-Vergaberegeln bereits weitreichende Möglichkeiten, um technische Anforderungen sowie Umwelt-, Sozial- und Nachhaltigkeitsstandards in die Zuschlagsentscheidung einzubeziehen und dabei das Ziel eines fairen Wettbewerbs, bei dem es nicht ausschließlich um den Preis geht, zu verfolgen. Allerdings wird in der Praxis häufig nach wie vor der Preis als entscheidendes Zuschlagskriterium gewertet. Damit geraten deutsche Unternehmen, die oftmals besonders hohe Umwelt- und Sozialstandards erfüllen, im Wettbewerb ins Hintertreffen. Eine stärkere Gewichtung von ESG-Kriterien würde nicht nur die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen in den Partnerländern fördern, sondern zugleich die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen erhöhen.

  • Geografische Nähe als Zuschlagskriterium: Bei Projekten im Bereich kritischer Infrastruktur kann die räumliche Nähe eines Unternehmens – etwa im Westbalkan oder Ländern der Östlichen Partnerschaft – ein legitimes Zuschlagskriterium darstellen, insbesondere im Sinne von Versorgungssicherheit und regionaler Integration.
  • EU-Kooperationen: Im Rahmen von EU-finanzierten Vorhaben kann es ein zulässiges und sinnvolles Kriterium sein, dass beauftragte Unternehmen mit dem acquis communautaire der EU vertraut sind, um eine effektive Projektumsetzung zu gewährleisten.
  • Keine deutsche Overcompliance bei der OECD-Empfehlung zur Lieferbindung: Besonders strenge Vergaberegeln müssen laut OECD nur auf die am wenigsten entwickelten und hochverschuldeten Länder angewendet werden. Deutsche Praxis ist aktuell dies auf alle ODA-Vergaben anzuwenden. Diese Overcompliance sollte beendet werden.  

3.3 Zugänglichkeit und Sichtbarkeit verbessern

Darüber hinaus ist eine verbesserte Sichtbarkeit von Ausschreibungen essenziell. Die existierende GTAI-Plattform allein reicht für eine flächendeckende Kommunikation nicht aus. Fachverbände und das weltweite AHK-Netz können hier als wichtiger Multiplikator dienen und gezielt deutsche Unternehmen auf passende Ausschreibungen hinweisen. Diese Stakeholder sollten in den Prozess stärker eingebunden werden.

Auch die Zugänglichkeit der Vergabeverfahren muss verbessert werden. Die Hürden für die Angebotsabgabe sind möglichst niedrig zu halten. Vergabeprozesse sollten deutlich vereinfacht und so gestaltet werden, dass auch Unternehmen ohne bisherige Erfahrung mit den Instrumenten der deutschen Entwicklungszusammenarbeit realistische Chancen auf eine Teilnahme haben. Ebenso müssen vorbereitende Leistungen – etwa Machbarkeitsstudien – finanziell tragbar bleiben, um insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nicht auszuschließen.

4.1 Finanzierungsmöglichkeiten erleichtern

Der Zugang zu Finanzierung ist gerade in Schwellen- und Entwicklungsmärkten eine zentrale Hürde für den Markteintritt. Eine moderne Außenwirtschaftsförderung muss daher auch die Finanzierung internationaler Projekte vereinfachen – durch bessere Verzahnung bestehender Förderbanken (wie DEG, KfW), durch schlankere Verfahren und durch gezielte Unterstützungsangebote für KMU. 

Die Finanzierungsprogramme der DEG ImpactConnect und TradeConnect (für kleinvolumige Exportfinanzierungen) sind zentrale Instrumente zur Unterstützung internationaler Vorhaben und sollten konsequent weiterentwickelt werden. Gerade bei kleinvolumigen Projekten besteht eine Angebotslücke, da diese für private Banken oft wenig attraktiv sind. Insbesondere das TradeConnect-Pilotprojekt für den afrikanischen Kontinent sollte bei positiver Evaluierung zügig auf weitere Weltregionen ausgeweitet werden. Dabei ist der Pilotcharakter strategisch zu nutzen: Eine evidenzbasierte Analyse sollte systematisch erfassen, welche Finanzierungsbedarfe durch bestehende Instrumente bereits abgedeckt sind – und wo relevante Versorgungslücken bestehen. Diese Gap-Analyse kann als Grundlage für eine zielgerichtete, bedarfsorientierte Weiterentwicklung des Programms dienen. Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist die enge Anbindung an das AHK-Netzwerk, das geeignete Unternehmen identifizieren, sie auf den deutschen und europäischen Markt vorbereiten und passgenaue Verbindungen zu Nachfrage und Partnern in Deutschland herstellen kann. Darüber hinaus sollten Synergien mit bestehenden Programmen wie dem Import Promotion Desk oder Partnering with Business in Germany systematisch genutzt werden, um Wirkungen zu verstärken und Ressourcen effizient einzusetzen.

Das German Desk-Programm der DEG verbindet die lokale Nähe von Partnerbanken mit der Expertise deutscher Institutionen und bietet Unternehmen Unterstützung bei der Finanzierung und Umsetzung von Projekten in ausgewählten Schwellen- und Entwicklungsländern. Durch die enge Anbindung an lokale Märkte sowie den Zugang zu deutschen und internationalen Finanzierungsinstrumenten schaffen die German Desks echte Mehrwerte für mittelständische Unternehmen. Dieses erfolgreiche Modell sollte gezielt ausgebaut und auf weitere Regionen mit hohem Kooperationspotenzial übertragen werden.

Ein wirkungsvoller Ansatz zur Förderung von Projekten, die für herkömmliche Finanzierungsinstrumente als zu risikoreich gelten, ist die Einrichtung eines gezielten Wagniskapitalrahmens. Durch ein solches Instrument lassen sich mit vergleichsweise geringen öffentlichen Mitteln auch innovative und risikobehaftete Vorhaben in schwierigen Märkten realisieren und private Investitionen mobilisieren. Die Niederlande zeigen mit dem Ventures-Programm ihrer Entwicklungsbank FMO, wie solche Lösungen erfolgreich in der Praxis umgesetzt werden können.

4.2 Konkurrenzfähigere Risikoabsicherung anbieten

Exportkreditgarantien des Bundes sind für Unternehmen ein unverzichtbares Instrument der Außenwirtschaftsförderung. Sie schützen deutsche Unternehmen vor Zahlungsausfällen, ermöglichen insbesondere KMU den Einstieg in risikoreiche Märkte – gerade in Zeiten, in denen Diversifizierung wichtiger denn je ist. 

Allerdings sind für deutsche Unternehmen internationale Wettbewerbsverzerrungen bei der Vergabe von Exportkreditgarantien eine Herausforderung. Internationale Standards dürfen nicht nur beschlossen, sondern müssen durchgesetzt werden. Deutschland darf bei der Übernahme von Garantien nicht restriktiver vorgehen als andere Staaten. Viele ausländische Exportkreditagenturen zeigen beispielsweise große Flexibilität hinsichtlich des heimischen Anteils am Projekt.

Zudem sollte die bestehenden Fördermöglichkeiten ebenso offensiv kommunizieren und vermarkten, wie es ausländische Wettbewerber tun. Die Exportkreditagenturen anderer Staaten sind in diesem Zusammenhang oft deutlich stärker in den Partnerländern vertreten – häufig mit mehreren Mitarbeitenden pro Land oder Region, während Deutschland lediglich über einzelne Ansprechpartner verfügt. Zudem werden Exportkreditgarantien dort oft durch höchste politische Ebenen unterstützt: Vertreterinnen und Vertreter der Agenturen begleiten Delegationsreisen von Ministern sowie Staats- und Regierungschefs.

Die Exportkreditgarantien des Bundes haben in den letzten Jahrzehnten jährlich einen Überschuss von rund 400 Millionen Euro erwirtschaftet. Auch vor diesem Hintergrund lässt sich gut begründen, den Anwendungsbereich der Exportkreditgarantien auszuweiten.

Das Maßnahmenpaket zu den Exportkreditgarantien von Januar 2025 ist ein Schritt in die richtige Richtung. Bürokratische Hürden wurden abgebaut und die Deckungsmöglichkeiten deutlich flexibilisiert. Besonders hervorzuheben ist die Erweiterung der Förderungswürdigkeit, die nun nicht mehr allein den Warenursprung, sondern alternativ den "German Footprint" eines Unternehmens als Förderkriterium heranzieht. Ebenso schafft die Shopping-Line-Deckung Anreize für ausländische Importeure, ihre Zulieferbasis in Deutschland auszubauen. 

Angesichts der stetigen Weiterentwicklung der komplexen Förderinstrumente besteht ein hoher Beratungsbedarf. Die Finanzierungsexpertinnen und -experten vor Ort haben sich dabei als ausgesprochen erfolgreiches Modell erwiesen. Die aktuell vom BMWE geförderten Finanzierungskompetenzzentren in Abidjan, Dubai, Singapur und Mumbai, die an den AHKs angesiedelt sind, sollten daher deutlich ausgebaut werden.

Wichtig ist, dass die Angebote des Bundes zu Risikoabsicherung und Finanzierung ganzheitlich gedacht und kommuniziert werden. Ein konkretes Beispiel: Statt isolierte Informationsangebote zu einzelnen Förderinstrumenten (zum Beispiel Webinare zu Exportkreditgarantien von Euler Hermes, Exportfinanzierungen oder DEG-Darlehen) anzubieten, sollte die Wissensvermittlung aus Sicht der Unternehmen als KundInnen erfolgen – entlang des gesamten Projektzyklus: von der Anbahnung über Finanzierung und Absicherung bis zur Umsetzung. Ziel sollte ein kohärentes, praxisorientiertes Gesamtangebot sein, das die verschiedenen Instrumente sinnvoll miteinander verzahnt und einfach zugänglich macht.

Zur Sicherstellung einer wirksamen und interessengeleiteten deutschen Entwicklungszusammenarbeit sollte der Umsetzungsstand des Koalitionsvertrags halbjährlich von Vertreterinnen und Vertretern der Außenwirtschaft, relevanter Ministerien, Durchführungsorganisationen und Verbände gemeinsam überprüft und diskutiert werden. Auf dieser Basis sind konkrete Handlungsempfehlungen für die zuständigen Ressorts abzuleiten.

Zur Steigerung der gesellschaftlichen Akzeptanz für die Entwicklungszusammenarbeit sollten Erfolgsbeispiele der Öffentlichkeit im Rahmen von Veranstaltungen und über soziale Medien vorgestellt werden. 

 

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Porträtfoto Heiko Schwiderowski
Heiko Schwiderowski Referatsleiter Subsahara-Afrika

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Olga van Zijverden Referatsleiterin Grundsatzfragen der Außenwirtschaftspolitik