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Vorrang des Entgeltfortzahlungsanspruchs vor dem Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz

Steuerliche Anzeigepflicht des Arbeitgebers
Frau mit Maske

© dolgachov / iStock / Getty Images

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass der Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG gegenüber dem Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 EFZG nachrangig ist. Arbeitgeber haben demnach keinen Anspruch auf Erstattung des Arbeitsentgelts, das sie Arbeitnehmern gezahlt hatten, die an Corona erkrankt waren und sich aufgrund behördlicher Anordnung in häuslicher Quarantäne befanden. Wegen möglicher steuerlicher Anzeigepflichten sollten AG das laufende Revisionsverfahren im Blick behalten.

Sachverhalt

Die Klägerin stellte am 11. Juli 2023 bei dem Beklagten einen Antrag auf Ausgleich des Verdienstausfalls aufgrund eines behördlich angeordneten Tätigkeitsverbots oder einer Absonderung nach § 56 Abs. 1 IfSG für ihre Arbeitnehmerin in der Zeit vom 14. November bis 18. November 2022. Grund für die Absonderung war ein positiver Test auf das Coronavirus. Laut Antrag war die Arbeitnehmerin während des Tätigkeitsverbots beziehungsweise der Absonderung nicht arbeitsunfähig krank. Mit Bescheid vom 5. August 2024 lehnte der Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass eine Entschädigung wegen eines Verdienstausfalls nicht gewährt werden könne, da der Arbeitgeber trotz der nicht erfolgten Arbeitsleistung zur Entgeltfortzahlung verpflichtet sei. Der Beklagte verwies in seiner Begründung auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 20. März 2024 (5 AZR 234/23) zur Entgeltfortzahlung bei symptomloser Corona-Infektion. Die Klägerin ist der Auffassung, die Entscheidung des BAG habe keine präjudizielle Bindungswirkung für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und die zuständigen Landesbehörden. Das BAG hebe mit seiner Entscheidung den Anwendungsbereich des § 56 IfSG förmlich auf, obgleich der Gesetzgeber mit dieser Norm explizit die Fälle der Absonderung wegen Infektion habe regeln wollen. Ferner liege eine Unvereinbarkeit mit der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie und der Systematik des EFZG vor.

Entscheidungsgründe

Die Klage hatte keinen Erfolg. Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf Bewilligung der am 11. Juli 2023 für den Zeitraum vom 14. November 2022 bis 18. November 2022 beantragten Erstattung der Entschädigung (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Die Anspruchsvoraussetzungen des § 56 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 5 S. 1 und 3 IfSG lagen nicht vor. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts (VG) liege kein Verdienstausfall der betroffenen Arbeitnehmerin vor, da diese gegenüber der Klägerin einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG habe. Die Arbeitnehmerin der Klägerin sei aufgrund ihrer Corona-Infektion in dem streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsunfähig krank gewesen. Bei einer behördlich angeordneten Absonderung wegen einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus und daraus resultierender rechtlicher Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung komme es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer auch aus gesundheitlichen Gründen - etwa weil er Symptome hatte - die Arbeitsleistung nicht erbringen konnte. Die Corona-Infektion stelle hiernach auch bei einem symptomlosen Verlauf einen regelwidrigen Körperzustand und damit eine Krankheit i.S.v. § 3 Abs. 1 EFZG dar. Der Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG sei gegenüber dem Entgeltfortzahlungsanspruch nachrangig. Das VG schließt sich damit den Ausführungen des BAG in seinem Urteil vom 20. März 2024 (5 AZR 234/23) an. Das Urteil des BAG entfalte zwar keine präjudizielle Bindungswirkung. Das VG sehe jedoch keinen Anlass, von der Rechtsprechung des unter anderem für entgeltfortzahlungsrechtliche Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis zuständigen obersten Bundesgericht abzuweichen. Die Vorschrift in § 56 IfSG enthalte zudem keine eigenständige Regelung eines Entgeltfortzahlungsanspruchs. Maßgebend für den Anspruch sei daher allein das EFZG. Der Annahme eines Anspruchs nach dem EFZG stehe auch nicht § 3 Abs. 2 der AU-RL entgegen. Nach § 3 Abs. 2 AU-RL liegt eine Arbeitsunfähigkeit insbesondere nicht vor, wenn Beschäftigungsverbote nach dem IfSG ausgesprochen wurden. Die Bestimmung erfasse aber ausdrücklich nur die Fälle, in denen andere als die in § 2 genannten Gründe Ursache für die Arbeitsverhinderung des oder der Versicherten sind. Demzufolge sei nach Auffassung des VG der Anwendungsbereich bereits nicht eröffnet, da in diesem Fall eine Krankheit Grund für die Arbeitsunfähigkeit sei. Die Kammer hat die Sprungrevision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache für eine Vielzahl vergleichbarer Klageverfahren mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Zwischenzeitlich hat die Klägerin gegen das Urteil der Kammer die Revision eingelegt (Aktenzeichen des Bundesverwaltungsgerichts: 3 C 14.24).

DIHK-Einschätzung

  1. Wenn der Arbeitgeber in Zeile 15 der Lohnsteuerbescheinigung bisher eine Zahlung nach § 56 IfSG verzeichnet hat (Leistungen die dem Progressionsvorbehalt unterliegen) und diese nun zu einer Zahlung § 3 EFZG umqualifiziert werden sollte, besteht eine unverzügliche Anzeigepflicht nach §41c Abs.4 EStG. Dies gilt jedoch erst mit Rechtskraft des Urteils des VG Düsseldorf und damit, wenn über die Revision beim Bundesverwaltungsgericht entschieden worden ist.
  2. Das BMF-Schreiben vom 25. Januar 2023 - IV C 5 - S 2342/20/10008 :003 ist im Falle der Umqualifizierung nicht anwendbar, da es keine Differenz zwischen der behördlichen Erstattung nach dem IfSG zur vorherigen Kalkulation des Arbeitgebers gibt.
  3. Die bisherige Leistung des AG wird vielmehr umqualifiziert (Zahlung nach IfSG zu Arbeitslohn).
  4. Eine Anzeige nach §41c Abs. 4 EStG ist nicht entbehrlich, da die Abweichung zwischen Lohnersatzleistung und tatsächlichen Lohn erheblich sein kann. Anders wäre der Sachverhalt gegebenenfalls nur zu beurteilen, wenn nur ein kleiner Teil der Leistung umqualifiziert wird.

Kontakt

 Christian Lebrecht, Referatsleiter Lohn-, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Abgabenordnung
Christian Lebrecht Referatsleiter Arbeitnehmerbesteuerung, Reisekosten, Erbschaft- und Schenkungsteuer